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Tipps zum Jurastudium #9

Kurz vorgestellt:

Schroeder, Grundkurs Europarecht, 1. Aufl. 2009, 26,50 €

Durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon zum 1.12.2009 ergaben sich eine Reihe prüfungsrelevanter Änderungen, die ich mir anhand aktueller Lektüre erschließen möchte.

Ins Auge stach mir dabei die Neuerscheinung von Werner Schroeder aus der bekannten "Grundkurs-Reihe" des Beck-Verlages, in der u.a. auch der "Grundkurs BGB" von Musielak und der "Grundkurs Arbeitsrecht" von Abbo Junker erscheinen. Ein Exemplar vom "Grundkurs Europarecht" wurde mir vom Verlag zur Rezension dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Beim Verlag heißt es in der Vorstellung des Werkes dann auch:

Der Grundkurs Europarecht befindet sich auf dem Stand September 2009 und berücksichtigt umfassend u.a. den Vertrag von Lissabon.

Daraus schloss ich (leider fälschlicherweise), dass sich diese Neuerscheinung dem neu geltenden EU-Recht von der Pike auf verschrieben hätte. Der Fettdruck "Stand September 2009" hätte mich allerdings skeptisch machen sollen, wobei der letzte Halbsatz mich eher in meiner irrigen Annahme bestärkte.

Zur Zeit der Manuskriptabgabe im Sommer 2009, muss ich zur Ehrenrettung des Autors beipflichten, wäre es sehr mutig gewesen das Werk maßgeblich an die neue Rechtslage anzupassen, dessen Inkrafttreten zu dem Zeitpunkt ex-ante noch als ungewiss gelten musste.

Ein Quartal mehr Zeit und eine grundlegende Anpassung an den Vertrag von Lissabon hätten dem Werk indessen gut getan. Der Autor hatte nun damit aber das Pech von den raschen Entwicklungen überholt worden zu sein. Denn im Oktober stimmten die Iren in einem Referendum dem Vertrag zu, womit praktisch die größte Hürde auf dem Weg des Inkrafttretens genommen wurde und nun seit dem 1.12.2009 der Lissabon-Vertrag in Kraft ist.

Somit gab es bei Lektüre des Vorwortes den ersten großen Dämpfer. Denn auch wenn sich tatsächlich quantitativ viele Hinweise zu den neuen Regelungen des Vertrages von Lissabon an entsprechender Stelle in Form von kurzen Schilderungen finden lassen, erfolgt die maßgebliche Darstellung des Stoffes auf der Grundlage des im Juli 2009 geltenden EU-Rechts. Das Buch basiert damit auf dem 2003 in Kraft getretenen Vertrag von Nizza sowie den Beitrittsverträgen von 2003 und 2005.

Weite Teile über den Aufbau und die Organisation der EU, aber auch Detailfragen anderer Bereiche, die durch den Vertrag von Lissabon verändert wurden, entsprechen damit nicht mehr dem aktuellen Stand. Die nun geltenden geänderten Bestimmungen werden zwar jeweils knapp an entsprechender Stelle erläutert und andere Bereiche des Buches sind generell weniger vom Vertrag von Lissabon betroffen. Doch da ein Großteil der Erläuterung im ersten großen Kapitel des Buches der alten Rechtslage eingeräumt wird, gestaltet es das Lesen und Verstehen schwieriger und kann daher nur als unglücklich bezeichnet werden.

Schade! Denn der Rest des Buches hinterlässt einen weitgehend erfreulichen Eindruck. Sowohl in Beziehung zum EU-Recht und dem Einzelnen (Bürger als Subjekte des EU-Rechts; Grundfreiheiten und -rechte; Diskriminierungsverbote und Unionsbürgerrechte) als auch zum Wirtschaftsrecht der EU finden sich die grundlegenden Informationen ordentlich dargestellt wieder. Ebenso kommt das Verhältnis zum innerstaatlichen Recht und zum Europarat (EMRK) nicht zu kurz. Auch die einzelnen Politikbereiche werden vorgestellt.

Im Europarecht sind auch die Entscheidungen des EuGH besonders wichtig, da er in ihnen das Unionsrecht nicht nur maßgeblich geprägt, sondern auch fortentwickelt hat. Der Autor arbeitet die maßgebliche Judikatur übersichtlich abgesetzt vom Haupttext an jeweiliger Stelle ein. Er schildert - falls nötig - kurz zuvor ebenso den Sachverhalt, so dass der Leser ein Rechtsproblem an der konkreten Entscheidung des EuGH nachvollziehen kann.

Leider fehlt eine tabellarische Normenübersicht, in der die alten EGV-Normen mit neuer AEUV- bzw. EUV-Bezeichnung gegenübergestellt werden. Denn auch wenn viele Normen des EG-Vertrages in den AEUV übernommen wurden, haben sie zwischenzeitlich eine neue Nummer bekommen, an die man sich nun gewöhnen muss. Andere bekannte Normen (ex-Art. 10 EGV) sind nunmehr ganz weggefallen. Das beeinträchtigt das Arbeiten mit dem unproblematischen Teilen des Buches leider ebenso negativ, weil man ständig im Kopf umdenken muss.

Fazit: Die derzeitige Auflage kann leider nur als misslungener Start bezeichnet werden. Der Stoffzuschnitt und die sprachliche wie optische Präsentation sind für ein Lehrbuch an sich in Ordnung. Das Werk wäre daher für einen ersten Einstieg in das (aktuelle) Europarecht prinzipiell in Frage gekommen, doch sind die kleineren Verweise auf die Änderungen durch den Vertrag von Lissabon keineswegs ein Ersatz für eine didaktischen Zwecken genügende Darstellung der derzeitigen Rechtslage. Da in den weiter nutzbaren anderen Bereichen des Buches leider die alten Normen zitiert wurden und eine tabellarische Normengegenüberstellung fehlt, ist das Werk sowohl für Neueinsteiger als auch für Fortgeschrittene nicht zu empfehlen.

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