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Die Bundesverfassungsrichterwahl: Wenn Parteien ihre eigenen Richter bestellen

Einleitung: Das System der organisierten Verantwortungslosigkeit Das Bundesverfassungsgericht gilt als Hüter der Verfassung, oberster Garant der Grundrechte und letzte Bastion des Rechtsstaats. So die Theorie. Die Praxis offenbart ein System, das in seiner Perfidie kaum zu überbieten ist: Ausgerechnet jene, die vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden sollen, nämlich die politischen Parteien, bestimmen, wer sie kontrolliert. Es ist, als würden Angeklagte ihre eigenen Richter ernennen. Diese Paradoxie untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit des höchsten Gerichts, sondern das Fundament des gesamten Rechtsstaats, denn sie verkehrt die Gewaltenteilung in ihr Gegenteil und macht aus Kontrolleuren bloße Erfüllungsgehilfen der Mächtigen. Die Artikel 93 und 94 des Grundgesetzes sowie das Bundesverfassungsgerichtsgesetz schaffen nur die formale Hülle. Die eigentliche Verfassungswirklichkeit hat sich längst zu einem Kartell der Macht entwickelt, in dem Parteien die höchsten Richterämter...

Richterin als Verfassungsumgestalterin: Warum die Union Frauke Brosius-Gersdorf nicht tragen kann

Wenn das Grundgesetz zum Spielball ideologischer Neuordnung wird Vorspiel: Die Preisgabe des Fundaments Nach der  gestrigen Analyse  der grundlegenden Gefahr, die von einer politisierten Justiz für die Gewaltenteilung ausgeht, muss der Blick nun schonungslos vertiefend auf die Personalie gerichtet werden, die wie keine andere für diesen drohenden Systembruch steht: Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf. Ihre Nominierung durch die SPD ist kein gewöhnlicher parteipolitischer Vorschlag im Rahmen des etablierten Proporzes. Sie ist ein gezielter Angriff auf die Kernbestände unserer Verfassungsordnung und ein Test, wie weit die Erosion konservativ-liberaler Rechtsprinzipien bereits fortgeschritten ist. Für die CDU/CSU, die sich als Bewahrerin des Grundgesetzes versteht, stellt sich nicht die Frage ob, sondern wie entschieden sie dieser Kandidatur entgegentreten muss. Ihre Zustimmung wäre nicht weniger als eine Kapitulation vor den Kräften, die das Gericht als Hebel zur gesellschaftliche...

Die Erosion der Gewaltenteilung: Eine verfassungsrechtliche Analyse der Kandidaturen Brosius-Gersdorf und Kaufhold für das Bundesverfassungsgericht

Wenn das höchste Gericht zum Instrument politischer Transformation wird Prolog: Die Stunde der Wahrheit Die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den folgenreichsten Entscheidungen unserer Verfassungsordnung. Als „Hüter der Verfassung" trägt das Gericht nicht nur die Verantwortung für die Balance zwischen den Staatsgewalten, sondern verkörpert die letzte Bastion des Rechtsstaats gegen politische Übergriffe. Doch was geschieht, wenn diejenigen, die zu Hütern bestellt werden sollen, selbst ein problematisches Verhältnis zur Gewaltenteilung und zur demokratischen Legitimation pflegen? Die anstehende Wahl von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf und Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold wirft fundamentale Fragen auf, die weit über personalpolitische Erwägungen hinausgehen. Es geht um nicht weniger als die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht seine Rolle als neutraler Schiedsrichter bewahrt oder zum Instrument einer „gesamtgesellschaftlichen Transformation" umfunktioniert wird....

Künstliche Intelligenz als Anwalt der Gerechtigkeit: Von richterlicher Willkür zur Utopie der objektiven Justiz

Einleitung: Wie die Universität Bayreuth einen Weg gegen Willkür in der Justiz aufzeigt Liebe Jurastudenten, wer kennt nicht die bittere, fast physisch spürbare Erfahrung, eine mit wochenlanger Akribie und vermeintlich brillanter Argumentation verfasste Arbeit zurückzuerhalten, zerrissen von einem harschen Urteil in wenigen Worten, das in keinem Verhältnis zur investierten Mühe zu stehen scheint? Und wer kennt nicht den nagenden Stachel der Ungerechtigkeit, wenn die Arbeit eines Kommilitonen, die sich in Aufbau und Lösungsweg kaum unterscheidet, mit einer besseren Note geadelt wird? Es gibt Momente in der Ausbildung eines Juristen, die sich mit der Wucht einer existenziellen Erkenntnis in das berufliche Bewusstsein einbrennen. Es sind nicht die Triumphe bestandener Examina oder die intellektuelle Freude an einer eleganten dogmatischen Herleitung. Es ist vielmehr die erste, ungeschönte Konfrontation mit der fundamentalen Schwäche des Rechts, mit seiner erschütternden Abhängigkeit vom me...

Ein Leipziger Triumph der Freiheit: Über die Kunst, eine Demokratie nicht zu Tode zu schützen

In einer Zeit, in der der Ruf nach einem starken, durchgreifenden Staat immer lauter wird, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein Urteil von monumentaler Bedeutung für den freiheitlichen Rechtsstaat gefällt. Die Aufhebung des vom Bundesministerium des Innern verfügten Verbots der COMPACT-Magazin GmbH ist weit mehr als der Sieg einer einzelnen Klägerin; es ist ein rechtsphilosophisches und dogmatisches Meisterwerk, das die unverrückbaren Grenzen staatlicher Macht im Angesicht der grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte mit beeindruckender Klarheit nachzeichnet. Vor allem aber ist es eine schallende Ohrfeige für einen politischen Aktionismus, der im vermeintlichen Kampf gegen die Feinde der Demokratie Gefahr läuft, ihre fundamentalsten Prinzipien – allen voran die Meinungs- und Pressefreiheit – zu verraten. Mit juristischer Nüchternheit und ohne jeden Anflug von Sympathie für die Klägerin bestätigte der Senat zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit des Vereinsrechts. Wede...

Art. 72 AEUV als Ultima Ratio? Zur Aktivierung der nationalen Sicherheitsklausel im Spannungsfeld europäischer Integration und mitgliedstaatlicher Souveränität

Ein juristischer Kommentar zur aktuellen Grenzsicherungsdebatte In einer Zeit, in der die tektonischen Platten europäischer Sicherheitspolitik spürbar knirschen, hat die Ankündigung von Kanzler Merz, zur Sicherung der nationalen Grenzen auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zurückzugreifen, eine Debatte von fundamentaler Bedeutung entfacht. Es ist ein Schritt, der die juristische Zunft ebenso aufhorchen lässt wie die politische Öffentlichkeit, berührt er doch das delikate Gleichgewicht zwischen den supranationalen Errungenschaften des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) und der ureigenen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Artikel 72 AEUV, oft als "Souveränitätsanker" oder "nationale Notbremse" im Gefüge des RFSR bezeichnet, statuiert lapidar, aber mit weitreichenden Implikationen: "Dieser Titel berührt nicht di...

Wenn der eigene Finger zum Dietrich der Polizei wird

In den Annalen der Strafrechtspflege gibt es Entscheidungen, die auf den ersten Blick technisch wirken, bei genauerer Betrachtung jedoch tief in das Fundament unserer rechtsstaatlichen Prinzipien einschneiden. Ein solcher Fall wurde jüngst vom Oberlandesgericht Bremen verhandelt ( Beschl. v. 08.01.2025 - 1 ORs 26/24 ) und verdient unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Es geht um mehr als nur einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ( § 113 StGB ); es geht um die Frage, wie weit der Staat gehen darf, um an die digitalen Geheimnisse seiner Bürger zu gelangen, und ob er uns zwingen darf, ihm dabei mittels unseres eigenen Körpers behilflich zu sein. Der Sachverhalt: Ein Fingerabdruck unter Zwang Die Szenerie ist schnell skizziert und doch beklemmend: Im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften entdecken Polizeibeamte ein klingelndes Smartphone. Der Beschuldigte, der zuvor angab, kein funktionierendes Gerät zu besitzen, weigert si...