Die Erosion der Gewaltenteilung: Eine verfassungsrechtliche Analyse der Kandidaturen Brosius-Gersdorf und Kaufhold für das Bundesverfassungsgericht
Wenn das höchste Gericht zum Instrument politischer Transformation wird
Prolog: Die Stunde der Wahrheit
Die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den folgenreichsten Entscheidungen unserer Verfassungsordnung. Als „Hüter der Verfassung" trägt das Gericht nicht nur die Verantwortung für die Balance zwischen den Staatsgewalten, sondern verkörpert die letzte Bastion des Rechtsstaats gegen politische Übergriffe. Doch was geschieht, wenn diejenigen, die zu Hütern bestellt werden sollen, selbst ein problematisches Verhältnis zur Gewaltenteilung und zur demokratischen Legitimation pflegen?
Die anstehende Wahl von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf und Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold wirft fundamentale Fragen auf, die weit über personalpolitische Erwägungen hinausgehen. Es geht um nicht weniger als die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht seine Rolle als neutraler Schiedsrichter bewahrt oder zum Instrument einer „gesamtgesellschaftlichen Transformation" umfunktioniert wird.
I. Das System der Richterwahl: Zwischen Proporz und Verfassungsauftrag
1. Die strukturelle Schwäche des Auswahlverfahrens
Das Grundgesetz sieht in Art. 94 vor, dass die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit sollte eigentlich sicherstellen, dass nur Persönlichkeiten gewählt werden, die über Parteigrenzen hinweg Vertrauen genießen. In der Praxis hat sich jedoch ein System der Proporzaufteilung etabliert, das Hans Herbert von Arnim treffend als „Ämterpatronage" bezeichnete.
Die Parteien teilen die Richterstellen untereinander auf wie Ministerposten in einer Koalition. SPD und Union kungeln aus, wer welchen Kandidaten durchbringt – ein System, das die Unabhängigkeit der dritten Gewalt systematisch untergräbt. Dass nun ausgerechnet die SPD Kandidatinnen präsentiert, die das parlamentarische System offen in Frage stellen, ist kein Zufall, sondern logische Konsequenz eines Systems, in dem ideologische Durchdringung vor fachlicher Eignung rangiert.
2. Die Perversion des Konsensprinzips
Was als Konsensmechanismus gedacht war, verkehrt sich in sein Gegenteil: Statt überparteilich anerkannte Juristen zu wählen, werden Kandidaten durchgedrückt, die der jeweiligen Parteilinie entsprechen. Die Union, die eigentlich als Korrektiv fungieren sollte, macht sich zum Komplizen dieses Systems, indem sie Kandidatinnen mitträgt, deren Verfassungsverständnis fundamental von konservativ-liberalen Rechtsprinzipien abweicht.
II. Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold: Die Klimaaktivistin im Richtermantel
1. Die Delegitimierung demokratischer Prozesse
Kaufholds öffentliche Äußerungen offenbaren ein zutiefst problematisches Demokratieverständnis. Ihre Kritik daran, dass Parlamente „auf Wiederwahl angewiesen sind" und deshalb „unpopuläre Maßnahmen nicht unterstützen", ist nicht weniger als eine Fundamentalkritik an der repräsentativen Demokratie selbst.
Diese Position verkennt den Kern demokratischer Legitimation: Volksvertreter sind gerade deshalb auf Wiederwahl angewiesen, weil sie dem Souverän – dem Volk – verantwortlich sind. Was Kaufhold als Systemmangel brandmarkt, ist in Wahrheit die Essenz demokratischer Kontrolle. Ihre Alternative – die „Erweiterung des institutionellen Tableaus" durch NGOs und aktivistische Gerichte – bedeutet nichts anderes als die Ersetzung demokratischer durch technokratische Herrschaft.
2. Die NGO-Schattenregierung als Verfassungsersatz
Kaufholds Vision einer NGO-gestützten Governance-Struktur jenseits parlamentarischer Kontrolle ist verfassungsrechtlich unhaltbar. Art. 20 Abs. 2 GG ist eindeutig: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."
Nirgendwo findet sich eine Ermächtigung für NGOs, quasi-hoheitliche Funktionen auszuüben. Die Vorstellung, nicht demokratisch legitimierte Organisationen könnten das „Tableau der Institutionen erweitern", hebelt das Demokratieprinzip aus. Es entsteht eine Schattenregierung ohne demokratische Kontrolle, finanziert oft genug aus Steuermitteln, besetzt mit ehemaligen Politikern und Parteifreunden – ein Biotop der organisierten Unverantwortlichkeit.
3. Die Instrumentalisierung der Justiz
Besonders alarmierend ist Kaufholds Vorstellung, Gerichte seien aufgrund ihrer Unabhängigkeit „besser geeignet, unpopuläre Maßnahmen anzuordnen". Diese Aussage offenbart ein fundamentales Missverständnis der Gewaltenteilung. Gerichte sind zur Rechtsanwendung berufen, nicht zur Politikgestaltung. Ihre Unabhängigkeit dient dem Schutz vor politischer Einflussnahme, nicht dazu, selbst Politik zu machen.
Die Instrumentalisierung der Justiz für politische Ziele – und seien sie noch so ehrenwert – untergräbt die Rechtsstaatlichkeit. Ein Gericht, das sich als Ersatzgesetzgeber versteht, verliert seine Legitimation als neutraler Schiedsrichter. Es wird zum Akteur im politischen Kampf und damit unfähig, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen: die Kontrolle politischer Macht.
4. Der Klimaschutz als trojanisches Pferd
Kaufholds Unterzeichnung des Aufrufs der „Klimaschutzjuristen" wirft ein bezeichnendes Licht auf ihr Rechtsverständnis. Die Forderung nach einem „effektiven Klimaschutzprogramm" mag politisch legitim sein – als Position einer künftigen Verfassungsrichterin ist sie höchst problematisch. Ein Richter, der bereits vor Amtsantritt eine bestimmte politische Agenda vertritt, kann nicht als unparteiisch gelten.
Die Formulierung von den „planetaren Grenzen", innerhalb derer sich „gutes Leben" bewegen müsse, entstammt dem Vokabular politischer Aktivisten, nicht der nüchternen Sprache des Rechts. Wer als Verfassungsrichter bereits vorab definiert, was „gutes Leben" sei, maßt sich eine Definitionsmacht an, die in einer pluralistischen Demokratie niemandem zusteht – schon gar nicht einem Richter.
III. Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf: Die Relativierung der Menschenwürde
1. Die Entkopplung von Würde und Leben
Brosius-Gersdorfs These, die Annahme, „dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert", sei ein „biologistisch-naturalistischer Fehlschluss", rührt an die Grundfesten unserer Verfassungsordnung. Die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unantastbar und gilt für jeden Menschen kraft seines Menschseins.
Diese Position ist nicht nur juristisch unhaltbar, sondern auch geschichtsvergessen. Die bedingungslose Geltung der Menschenwürde ist die zentrale Lehre aus der NS-Diktatur, in der Menschen ihre Würde abgesprochen wurde. Wer heute wieder beginnt, die Menschenwürde zu relativieren und von anderen Faktoren als dem bloßen Menschsein abhängig zu machen, öffnet Tür und Tor für neue Formen der Entrechtung.
2. Der Grundrechteentzug als Normalinstrument
Brosius-Gersdorfs Aussage „Wir haben die Möglichkeit, Einzelpersonen Grundrechte zu entziehen" im Kontext der „wehrhaften Demokratie" offenbart ein beunruhigendes Staatsverständnis. Die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG ist die ultima ratio des Verfassungsschutzes, nicht ein normales Instrument staatlicher Machtausübung.
In der Geschichte der Bundesrepublik wurde diese Norm aus gutem Grund äußerst restriktiv gehandhabt. Wer sie als probates Mittel gegen politische Gegner propagiert, verkehrt den Sinn der wehrhaften Demokratie in ihr Gegenteil. Aus dem Schutz der Demokratie wird ihre Aushöhlung, aus Grundrechten werden Privilegien, die der Staat nach Gutdünken gewähren oder entziehen kann.
3. Die Umdeutung der wehrhaften Demokratie
Die „wehrhafte Demokratie" wurde als Lehre aus Weimar konzipiert: Nie wieder sollte es möglich sein, dass Demokratiefeinde die demokratischen Instrumente nutzen, um die Demokratie selbst abzuschaffen. Doch was Brosius-Gersdorf daraus macht, ist eine Karikatur dieses Konzepts. In ihrer Interpretation wird die wehrhafte Demokratie zum Kampfinstrument gegen alle, die nicht der herrschenden politischen Linie folgen.
Wer definiert, was „verfassungsfeindlich" ist? Wer bestimmt, welche Parteien eine Gefahr darstellen? In Brosius-Gersdorfs Welt wären das Richter wie sie selbst – politische Aktivisten im Richtergewand, die ihre eigene Agenda als Verfassungsgebot ausgeben.
IV. Die Allianz der Transformatoren: Systemwechsel durch die Hintertür
1. Das Netzwerk der Gleichgesinnten
Die Positionen von Kaufhold und Brosius-Gersdorf fügen sich nahtlos in ein Netzwerk von Juristen ein, die den Rechtsstaat für ihre politischen Ziele instrumentalisieren wollen. Thomas Schomerus' Schwärmerei für Corona als „Chance für den Klimaschutz" und seine Begeisterung für „massivste Grundrechtseinschränkungen" zeigen, wohin die Reise gehen soll.
Dieses Netzwerk hat aus Corona gelernt: Angst legitimiert alles. Heinz Budes offenherziges Geständnis über „Angstkommunikation" zur Herstellung von „Folgebereitschaft" ist die Blaupause für künftige Transformationsprojekte. Was bei Corona funktionierte, soll beim Klima perfektioniert werden.
2. Die gesamtgesellschaftliche Transformation
Kaufholds Forderung, für die „gesamtgesellschaftliche Transformation" an „allen Stellschrauben zu drehen", ist totalitär in ihrer Konsequenz. Hier geht es nicht um einzelne Reformen, sondern um die Umgestaltung der gesamten Gesellschaft nach ideologischen Vorgaben. Der Staat soll in alle Lebensbereiche eingreifen – vom Heizungskeller bis zum Urlaubsverhalten, von der Ernährung bis zur Fortbewegung.
Diese Vision ist das Gegenteil einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. In ihr wird der Bürger zum Objekt staatlicher Erziehung degradiert, seine Freiheit zur disponiblen Masse, die je nach politischer Großwetterlage eingeschränkt oder gewährt wird.
3. Die Wissenschaft als Herrschaftsinstrument
Die Berufung auf „die Wissenschaft" als ultimative Legitimationsinstanz ist ein weiteres Element dieser Strategie. Wie Bude freimütig einräumte, ging es nie um echte Wissenschaft, sondern um „wissenschaftsähnliche" Argumente zur Herstellung von Folgebereitschaft. Die Formel „Flatten the curve" war, wie er selbst sagte, „geklaut" und diente nur dazu, „Zwang auszuüben".
Diese Instrumentalisierung der Wissenschaft für politische Zwecke korrumpiert beide Sphären: Die Wissenschaft verliert ihre Glaubwürdigkeit, die Politik ihre demokratische Legitimation. Was bleibt, ist nackte Macht, verkleidet als wissenschaftliche Notwendigkeit.
V. Die Union als Steigbügelhalter: Der Verrat an konservativen Prinzipien
1. Die Selbstaufgabe des bürgerlichen Lagers
Dass ausgerechnet die Union bereit ist, politisch-ideologisch festgelegte Kandidatinnen zu wählen, die das genaue Gegenteil konservativ-liberaler Rechtsprinzipien vertreten, markiert einen neuen Tiefpunkt. Die Partei, die sich einst als Hüterin von Recht und Ordnung verstand, macht sich zum Komplizen bei der Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien.
Diese Selbstaufgabe ist symptomatisch für den Zustand des bürgerlichen Lagers. Aus Angst, als „undemokratisch" zu gelten, aus Furcht vor medialer Kritik, aus purem Opportunismus heraus werden Positionen preisgegeben, die einst den Kern konservativer Politik ausmachten.
2. Die Kapitulation vor dem Zeitgeist
Die Bereitschaft der Union, Richterinnen zu wählen, die offen die parlamentarische Demokratie für überwindungsbedürftig halten, ist mehr als politische Dummheit – es ist Verrat an den eigenen Wählern. Diese haben die Union nicht gewählt, damit sie grün-linke Gesellschaftsexperimente unterstützt, sondern als Bollwerk gegen eben solche Tendenzen.
Doch die Union hat längst kapituliert. Im vorauseilenden Gehorsam übernimmt sie die Narrative ihrer politischen Gegner, in der irrigen Hoffnung, dadurch „anschlussfähig" zu bleiben. Dabei merkt sie nicht, dass sie sich selbst überflüssig macht.
3. Das Ende der Alternative
Mit der Zustimmung zu Kandidatinnen wie Brosius-Gersdorf und Kaufhold besiegelt die Union das Ende jeder echten Alternative im Parteiensystem. Wenn selbst die vermeintlich konservative Partei Richter wählt, die Grundrechte relativieren und die Demokratie durch Technokratie ersetzen wollen, dann gibt es keine relevante Opposition mehr gegen den Marsch in die Gesinnungsjustiz.
VI. Die historischen Parallelen: Wenn Recht zu Unrecht wird
1. Die Lehren aus Weimar
Die Weimarer Republik ging nicht zuletzt daran zugrunde, dass ihre Institutionen von innen ausgehöhlt wurden. Richter, die die Demokratie verachteten, Professoren, die autoritäre Lösungen predigten, Politiker, die das parlamentarische System für überholt hielten – sie alle trugen zum Untergang bei.
Heute erleben wir eine ähnliche Entwicklung, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Nicht von rechts, sondern von links wird die Demokratie ausgehöhlt. Nicht im Namen der Nation, sondern im Namen des Klimas werden Grundrechte relativiert. Nicht für den Führer, sondern für die „Transformation" soll die Gewaltenteilung aufgehoben werden.
2. Die schleichende Entdemokratisierung
Was wir erleben, ist eine schleichende Entdemokratisierung unter dem Deckmantel des Guten. Klimaschutz, Kampf gegen Rechts, Corona-Bekämpfung – all diese zweifellos wichtigen Anliegen werden instrumentalisiert, um demokratische Kontrollen auszuhebeln und Grundrechte zu schleifen.
Die Methode ist perfide: Wer sich gegen Grundrechtseinschränkungen wehrt, gilt als Klimaleugner. Wer die Gewaltenteilung verteidigt, wird als Fortschrittsverhinderer gebrandmarkt. Wer auf demokratischer Legitimation besteht, dem wird vorgeworfen, er gefährde Menschenleben.
3. Der Weg in die Gesinnungsjustiz
Mit Richterinnen wie Brosius-Gersdorf und Kaufhold droht das Bundesverfassungsgericht endgültig zur Gesinnungsjustiz zu verkommen. Nicht mehr die Verfassung wäre der Maßstab, sondern die „richtige" politische Überzeugung. Nicht mehr Recht würde gesprochen, sondern Politik gemacht.
Die DDR lässt grüßen, wo Richter wie Hilde Benjamin das Recht zur Waffe im Klassenkampf machten. Nur heißt der Klassenkampf heute „Transformation" und der Klassenfeind „Klimaleugner" oder „Verfassungsfeind".
VII. Die Verantwortung der schweigenden Mehrheit
1. Das Versagen der Zivilgesellschaft
Dass Kandidatinnen mit derart problematischen Positionen überhaupt eine Chance haben, ins höchste Gericht gewählt zu werden, ist auch ein Versagen der Zivilgesellschaft. Wo bleibt der Aufschrei der Rechtswissenschaft? Wo sind die kritischen Stimmen aus der Richterschaft? Wo ist der Protest der Bürger und kritischer Medien?
Das Schweigen der Mehrheit macht sie zu Komplizen. Wer heute nicht seine Stimme erhebt gegen die Aushöhlung des Rechtsstaats, wird morgen unter den Folgen leiden.
2. Die Pflicht zum Widerspruch
Es ist die Pflicht jedes Demokraten, gegen diese Entwicklung Widerspruch einzulegen. Nicht aus parteipolitischen Gründen, sondern aus Sorge um die Grundlagen unseres Gemeinwesens. Wenn das höchste Gericht mit Richtern besetzt wird, die die Grundprinzipien unserer Ordnung nicht teilen, dann ist diese Ordnung in Gefahr.
Der Widerspruch muss laut und deutlich sein. Er muss sich an die Abgeordneten richten, die diese Wahl zu verantworten haben. Er muss die Öffentlichkeit aufrütteln, die in ihrer Gleichgültigkeit die Gefahr nicht erkennt.
3. Die letzte Chance
Noch ist es nicht zu spät. Noch können die Abgeordneten ihrer Verantwortung gerecht werden und Kandidaten wählen, die die Verfassung schützen statt umdeuten. Noch kann die Union sich besinnen und ihrer historischen Rolle als konservatives Korrektiv gerecht werden.
Doch das Zeitfenster schließt sich schnell. Mit jeder Richterwahl, die nach Parteienproporz statt nach Eignung erfolgt, mit jedem Richter, der Politik statt Recht im Sinn hat, stirbt ein Stück Rechtsstaat.
Epilog: Die Demokratie am Scheideweg
Die Bundesrepublik steht an einem Scheideweg. Der Weg, den Kandidatinnen wie Brosius-Gersdorf und Kaufhold weisen, führt in eine Zukunft, in der Richter Politik machen, NGOs regieren und Grundrechte zur Verhandlungsmasse werden. Es ist der Weg in eine sanfte Diktatur, legitimiert durch Klimaschutz und getragen von einer Allianz aus aktivistischen Juristen und opportunistischen Politikern.
Der andere Weg wäre die Rückbesinnung auf die Prinzipien des Grundgesetzes: Gewaltenteilung, Demokratie, unveräußerliche Grundrechte. Es wäre der Weg einer wehrhaften Demokratie, die sich gegen ihre Feinde verteidigt, ohne selbst undemokratisch zu werden.
Welchen Weg wir einschlagen, entscheidet sich in den kommenden Tagen. Die Wahl der Verfassungsrichter ist dabei nur das sichtbarste Symptom einer tiefer liegenden Krise. Es ist die Krise einer politischen Klasse, die den Kontakt zu den Bürgern verloren hat. Es ist die Krise einer Justiz, die sich politisieren lässt und den Herrschenden anbiedert, anstatt diese zu kontrollieren. Es ist die Krise einer Gesellschaft, in der radikale Aktivisten den Ton angeben und ihnen kaum widersprochen wird. Jetzt braucht es die Stimmen der Vernunft und der Rationalität!
Noch können wir umkehren. Noch ist die Demokratie nicht verloren. Aber mit jeder Fehlentscheidung, mit jedem faulen Kompromiss, mit jeder Kapitulation vor dem Zeitgeist wird der Weg zurück schwieriger.
Die Geschichte wird uns danach beurteilen, ob wir in dieser entscheidenden Stunde die Kraft aufbrachten, für unsere Verfassung einzustehen. Ob wir den Mut hatten, Nein zu sagen zu ihrer schleichenden Aushöhlung. Ob wir die Weitsicht besaßen, die Gefahr zu erkennen, bevor es zu spät war.
Die Verantwortung liegt bei uns allen – bei den Abgeordneten, die wählen, bei den Bürgern, die schweigen oder sprechen, bei einer Gesellschaft, die sich entscheiden muss zwischen Freiheit und Bevormundung, zwischen Demokratie und politisierter Technokratie, zwischen Recht und Gesinnung.
Die Stunde der Entscheidung ist gekommen. Mögen die Abgeordneten weise wählen.