Es deutet sich an, dass 2024 in die Geschichte eingehen wird als das Jahr, in dem in Deutschland den Bürgern ein halbwegs praktikabler Weg angeboten wird, um mit Behörden und Gerichten rechtssicher elektronisch zu kommunizieren. Das ist in seiner Bedeutung ein Meilenstein!
Eine einfache E-Mail reichte in den meisten Fällen bislang jedenfalls nicht aus, sehr zum Frust von Bürgern und Verwaltungsmitarbeitern zugleich. Und die bislang an den elektronischen Rechtsverkehr gestellten Anforderungen waren so hoch, bürgerunfreundlich und zugelassene Verfahren aufgrund ihrer Nachteile wenig verbreitet, dass sie praktisch für Privatleute keine Rolle spielten.
Das ändert sich nun. Schlüsseltechnologien zur Steigerung der Attraktivität des elektronischen Rechtsverkehrs sind die Bund-ID einerseits sowie die Online-Funktion des Personalausweises andererseits, die das höchste Vertrauensniveau bietet. Es stehen auch andere Methoden zur Anmeldung einer Bund-ID zur Verfügung, etwa über das Elster-Zertifikat, allerdings stehen dabei mitunter nicht alle Funktionen zur Verfügung.
Mit einer Bund-ID und der Online-Funktion des Personalausweises ist jedenfalls genau genommen bereits seit Oktober 2023 das Pilotprojekt "Mein Justizpostfach" nutzbar, eine unter Usability-Gesichtspunkten leider sehr kompliziert aufgebaute E-Mail-Plattform, mit der es möglich wird Schriftsätze als PDF-Datei für die rechtssichere Behördenkommunikation einzusetzen. Unter uns, das Design wirkt noch antiquierter als ein E-Mail-Postfach vor 20 Jahren. Wer das Projekt für technisch wenig ambitioniert hält, sei daran erinnert, dass wir dennoch bis 2024 darauf warten mussten! Ein mit dem PC verbundenes NFC-fähiges Smartphone als USB-Lesegerät wird dabei genauso benötigt, wie die Ausweis-App auf dem PC und dem Handy. Alternativ lassen sich auch bestimmte USB-Kartenlesegeräte verwenden. Daneben sind einige Zertifikate, PINs und Passwörter zu generieren und bereit zu halten. An dieser Stelle könnte man übrigens noch von der Privatwirtschaft lernen und die Komplexität weiter reduzieren, sowie die Nutzererfahrung in den Mittelpunkt stellen. Aber man muss ja irgendwo starten.
Die Auswahl des richtigen Empfängers ist jedenfalls genauso eine Zumutung wie der komplizierte Einrichtungsprozess. Vor allem Rentner und andere technophoben Bürger dürften schnell entnervt aufgeben und doch lieber zum unkomplizierteren Fax greifen oder bei einem Brief bleiben. Aber gerade für umfangreichere Schriftsätze mit vielen Anlagen dürfte sich die technische Neuerung lohnen - denn es entfällt das Porto und auch der Kampf mit den Tücken der Fax-Technologie hat ein Ende. Als letzte Widerstandsbastion gegen diese neumodische Technik wird auch das Bundesverfassungsgericht zum 1. August 2024 für den elektronischen Rechtsverkehr erreichbar werden. Das unfassbare ist dabei, dass das bis dahin nicht der Fall ist!
Dabei birgt der Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs enorme Chancen für Bürger und Behörden gleichermaßen. Durch die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen können Zeit und Ressourcen gespart, Fehlerquellen minimiert und die Zugänglichkeit zu behördlichen Dienstleistungen verbessert werden. Bürger profitieren von kürzeren Wartezeiten, einer höheren Flexibilität und einer hoffentlich bald nutzerfreundlicheren Gestaltung des Behördenverkehrs.
Der Staat bleibt daran zu erinnern, Verwaltungsprozesse auch neu zu denken. Ein Online-Formular mit der Möglichkeit der Speicherung von Daten zur Wiederverwendung verschwendet dann doch viel Potential. Braucht es ein solches Formular und die abgefragten Daten vom Bürger überhaupt? Anstatt eins zu eins analoge Verwaltungsprozesse in das digitale Format zu überführen, sollte hinterfragt werden, was wirklich vom Bürger noch als Input zwingend benötigt wird. Denn mit Sicherheit sind weitere Effizienzgewinne vielfach möglich, beispielsweise durch einen automatisierten Datenaustausch von Behörden untereinander unter jeweiliger Zustimmung des Bürgers für einen konkreten Verwaltungsvorgang. Damit bleibt auch in 2024 noch viel Raum für weitere Optimierungen, ein Anfang ist aber immerhin gemacht. Das ist schon ein Fortschritt!