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Justiz im Elfenbeinturm? Das OLG Karlsruhe und die verweigerten Rechte zur Presseauskunft zur Gefährderansprache in Ribnitz-Damgarten

Liebe Leserinnen und Leser,

wer meinen letzten Beitrag zur erschütternden Odyssee durch die Instanzen der deutschen Justiz gelesen hat, erinnert sich an die begründete Anzeige wegen Rechtsbeugung gegen Richter des Verwaltungsgerichts Greifswald, des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern und sogar des Bundesverfassungsgerichts. Der Vorwurf: Eine systematische Verweigerung meiner Rechte als Bürger und Blogger, insbesondere meines verfassungsmäßigen Auskunftsanspruchs gegenüber der Polizei MV bezüglich der fragwürdigen „Gefährderansprache“ einer Schülerin. Gekrönt wurde diese Kette von Rechtsverstößen durch einen nichtssagenden Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts, der jegliche inhaltliche Auseinandersetzung scheute.

Nachdem die Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erwartungsgemäß die Einleitung von Ermittlungen gegen die Verfassungsrichter ablehnten und sich dabei keinerlei Mühe gaben – man schützt sich ja gegenseitig im Justizapparat –, blieb als letzte Möglichkeit der Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, das sogenannte Klageerzwingungsverfahren. Ein letzter Funken Hoffnung auf eine unabhängige Prüfung? Fehlanzeige. Der Beschluss des OLG Karlsruhe vom 16. April 2025 (Az. 1 Ws 2/25) ist nicht nur eine weitere Enttäuschung, sondern ein Lehrstück darin, wie die Justiz sich selbst immunisieren kann und dabei fundamentale Bürgerrechte mit Füßen tritt.

Die Karlsruher Mühle mahlt langsam – aber nur für den Bürger

Man mag meinen, ein Verfahren, das den Vorwurf der Rechtsbeugung gegen Richter des höchsten deutschen Gerichts zum Gegenstand hat, würde mit besonderer Sorgfalt und zumindest einem Anschein von Fairness behandelt. Doch das OLG Karlsruhe demonstrierte durch die Richter Dr. Hettenbach, Dr. Sieber und Kley das Gegenteil. Zunächst wurde mir, dem Antragsteller, der sich mangels Prozesskostenhilfe und trotz vergeblicher Suche nach einem Notanwalt selbst vertreten musste, eine Frist zur Stellungnahme auf die Äußerung der Generalstaatsanwaltschaft gesetzt. Klingt normal? War es nicht. Durch eine Zustellung per Post in der Zeit eines tobenden Streiks der Postzusteller – obwohl ich über „Mein-Justizpostfach“ digital und rechtssicher kommuniziere – verkürzte sich die Frist effektiv auf einen einzigen Tag. Ein solcher Fauxpas hätte sich durch den banalen Zusatz in der Formulierung "nach Zugang" entschärfen lassen. Richterin Kley, die das Schreiben als Unterzeichner verantwortete, war zu dem Entschärfen jener Problematik entweder nicht fähig oder nicht willens.

So verblieb ein Tag, um in einem als „außergewöhnlich komplex“ bezeichneten Verfahren auf die Argumente der Generalstaatsanwaltschaft zu erwidern! Mein Antrag auf Fristverlängerung wurde erst nach Ablauf einiger Zeit gewährt, sodass ich zum sofortigen Handeln gezwungen war! Doch mein Befangenheitsantrag gegen Richterin Kley wegen dieser unzumutbaren Verfahrensführung? Abgelehnt als unzulässig bzw. unbegründet. Das Gericht befand allen Ernstes, ich hätte ja reagieren können – dass eine Richterin, die derart grob sorgfaltswidrig handelte von einer vernünftigen Partei nicht mehr als unvoreingenommen angesehen werden kann, schien das Gericht anders zu bewerten. Meines Erachtens wird damit das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu einer leeren Hülse, die man pflichtschuldig erwähnt, aber inhaltlich ignoriert.

Formale Mauern gegen materielle Gerechtigkeit

Im Kern der Entscheidung, den Klageerzwingungsantrag abzulehnen, steht die Argumentation, die begründungslose Nichtannahme meiner Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht sei gemäß § 93d BVerfGG formal korrekt und könne daher keine Rechtsbeugung darstellen. Was das OLG dabei geflissentlich übersieht oder übersehen will: Mein Vorwurf lautete nicht, dass die fehlende Begründung die Rechtsbeugung sei. Mein Vorwurf lautete, dass die Nichtannahme selbst angesichts der offensichtlichen, schreienden Rechtsfehler der Vorinstanzen (VG HGW: Verkennung von Art. 5 GG; OVG MV: Ignoranz gegenüber dem elektronischen Rechtsverkehr bei PKH) willkürlich und damit rechtsbeugerisch war.

Die Frage, ob § 93d BVerfGG auch dann noch greift, wenn das Bundesverfassungsgericht evidentes Unrecht aus den unteren Instanzen einfach durchwinkt, hätte das OLG prüfen müssen. Stattdessen die formale Keule: Keine Begründung nötig, also keine Rechtsbeugung nachweisbar. So einfach macht man es sich in Karlsruhe, wenn es darum geht, die eigene Zunft vor Kontrolle zu schützen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den von mir dargelegten, eklatanten Fehlern der Vorinstanzen fand nicht statt.

Kein Geld, kein Recht – Die kalte Logik der Justiz

Der Gipfel der Ignoranz und Kälte offenbart sich jedoch in der Ablehnung meiner Anträge auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Notanwalts. Beides wurde pauschal mit der angeblich fehlenden Erfolgsaussicht des Klageerzwingungsantrags abgelehnt. Eine solche darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht völlig aussichtslos sein - entsprechenden umfangreichen Vortrag zu den Erfolgsaussichten wurde auch vorgetragen. In der Praxis läuft das aber so: Weil das Gericht (aufgrund seiner eigenen fehlerhaften und formalistischen Prüfung) meint, der Antrag habe keine Chance, verweigert es mir die Mittel, um diesen Antrag überhaupt sachgerecht verfolgen zu können!

Ich hatte dem Gericht zudem detailliert nachgewiesen, dass ich mich bei 16 (!) Fachanwälten für Strafrecht vergeblich um ein Mandat bemüht hatte – die meisten reagierten gar nicht erst, die anderen lehnten wegen fehlender Kapazitäten ab. Die Voraussetzungen für einen Notanwalt lagen bei einer besonnenen und unvoreingenommenen Prüfung damit klar auf der Hand. Doch das OLG wischt dies beiseite. Die Botschaft ist klar: Wer sich mit dem Bundesverfassungsgericht anlegt und kein Geld hat, um sich einen Anwalt zu leisten, und wer keinen Anwalt findet, der bereit ist, sich mit der Justiz anzulegen, der hat Pech gehabt. Das Recht auf Rechtsschutzgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) scheint in den Augen des OLG Karlsruhe nur auf dem Papier zu existieren.

Fazit: Der Rechtsstaat demontiert sich selbst

Was bleibt nach diesem Beschluss? Die bittere Erkenntnis, dass der Weg durch die Instanzen oft nicht der Suche nach Recht dient, sondern einer kafkaesken Reise durch einen Apparat gleicht, der sich selbst wichtiger nimmt als die Rechte der Bürger, die er schützen soll. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist ein weiterer Baustein in dem beunruhigenden Bild eines Rechtsstaats, der sich immer mehr von seinen Grundlagen entfernt. Wenn Kritik an staatlichem Handeln durch formale Tricks und die Verweigerung von Rechtsschutzmitteln unterbunden wird, wenn die Kontrolle der Justiz durch die Justiz selbst zur Farce verkommt, dann ist Gefahr im Verzug.

Ich werde mich davon nicht entmutigen lassen. Der nächste Schritt ist die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des OLG Karlsruhe. Wir wissen alle, wie das unter engen Kollegen enden wird. Es ist ein Kampf David gegen Goliath oder Sisyphus, der den Gesteinsbrocken immer wieder von vorne den Berg hinauf rollt, aber er muss geführt werden – für die Pressefreiheit, für den effektiven Rechtsschutz und für das Prinzip, dass niemand, auch kein Verfassungsrichter, über dem Gesetz steht. Bleiben Sie dran – Seylaw wird weiter berichten.

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