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Warum der AfD-Verbotsantrag eine schlechte Idee ist

Die Debatte um ein mögliches Parteiverbot der AfD hat zuletzt zunehmend an Brisanz gewonnen. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen und der Rhetorik der Partei fordern nunmehr fraktionsübergreifend manche Politiker ein Verbot der AfD. Dieser Beitrag analysiert die rechtlichen Hürden eines solchen Verbotsantrags unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Fall der NPD (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13).

1. Das Parteienverbot im Grundgesetz

Gemäß Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (GG) kann eine Partei dann verboten werden, wenn ihre Ziele oder das Verhalten ihrer Anhänger darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Das Parteienverbot stellt eines der schärfsten Mittel im deutschen Verfassungsrecht dar, um gegen verfassungsfeindliche Parteien vorzugehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in seiner Rechtsprechung zum NPD-Urteil betont, dass das Parteienverbot äußerst restriktiv anzuwenden ist. Eine bloße Verfassungsfeindlichkeit reicht nicht aus. Vielmehr muss von der Partei eine „konkrete Gefahr“ für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehen. Diese Konkretisierung des Gefährdungsprinzips ist der zentrale Punkt, an dem sich die Diskussion um das Verbot der AfD orientieren muss.

2. Das NPD-Urteil: Die Einführung der „potenziellen Erreichbarkeit“

Im NPD-Urteil entschied das BVerfG, dass die NPD zwar verfassungsfeindliche Ziele verfolge, diese aber derzeit nicht in der Lage sei, diese auch tatsächlich umzusetzen. Es fehlte also an der „konkreten Gefahr“, die ein Verbot rechtfertigen würde. Das Gericht führte in diesem Zusammenhang den Begriff der „potenziellen Erreichbarkeit“ ein. Eine Partei kann nur dann verboten werden, wenn sie eine gewisse Chance hat, ihre verfassungsfeindlichen Ziele auch zu verwirklichen. Die bloße Möglichkeit oder der Wunsch, das politische System umzustürzen, reicht nicht aus. Damit setzte das BVerfG eine hohe Schwelle für Parteiverbote.

3. Übertragung auf die AfD

Um die Frage zu beantworten, ob die AfD unter den Maßstäben des NPD-Urteils verboten werden könnte, muss man sich ihre politischen Ziele und das Verhalten ihrer Mitglieder genauer ansehen. Die AfD ist zwar in weiten Teilen rechtsnational und vertritt Positionen, die sich am Rande des demokratischen Konsenses bewegen, doch ein Verbot müsste die Kriterien des BVerfG erfüllen.

a) Verfassungsfeindliche Ziele der AfD?

Die Befürworter eines Verbotes meinen Belege dafür vorgebracht zu haben, dass einzelne Mitglieder und Funktionäre der AfD verfassungsfeindliche oder extremistische Positionen vertreten. Dies umfasst insbesondere angebliche Positionen zur Abschaffung der pluralistischen Demokratie, eine Relativierung von Menschenrechten und die Förderung von ethnonationalistischen Ideologien. 

Feststellungen weisungsgebundener Verfassungsschutzbehörden, Aussagen von Ex-Parteimitgliedern und das Stützen auf Aussagen weniger Parteifunktionäre, die auch auf Bundesebene keinen dominierenden Einfluss haben, sind hierbei hoch problematisch. Denn es wäre erforderlich, nachzuweisen, dass diese Positionen tatsächlich von der Gesamtpartei vertreten werden. Zudem müsste bewiesen werden, dass die AfD diese Ziele mit dem konkreten Plan verfolgt, die bestehende Ordnung zu beseitigen oder zu beeinträchtigen. Diese hohen Hürden dürften die bislang vorgebrachten "Belege" nicht überschreiten - reine Behauptungen reichen zudem erst Recht nicht aus.

b) Konkrete Gefahr und Erreichbarkeit

Der weitaus schwierigere Teil eines möglichen Verbotsantrags wäre zudem der Nachweis der „konkreten Gefahr“. Nach dem NPD-Urteil reicht es nicht aus, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Es muss eine realistische Möglichkeit bestehen, dass sie diese Ziele auch umsetzen kann. Die AfD ist in den Parlamenten vertreten, hat aber bislang keine Machtposition erreicht, die es ihr ermöglichen würde, die freiheitlich-demokratische Grundordnung substanziell zu gefährden. Solange die Partei in einer Minderheitenposition bleibt, ist es schwer, eine unmittelbare Gefährdung nachzuweisen.

4. Der politische Kontext: Ein gesellschaftlich gespaltenes Deutschland

Die AfD agiert in einem politischen Klima, das stark polarisiert ist. Ein Parteiverbot wäre nicht nur eine rechtliche Entscheidung, sondern hätte auch massive politische Auswirkungen. Die AfD würde in einer verbotsbedingten Märtyrerrolle gestärkt werden. Deren Wähler könnten sich weiter radikalisieren, da sie sich von der politischen Teilhabe ausgeschlossen fühlt. Zudem stellt sich die Frage, ob ein solches Verbot die politischen Probleme, welche von der AfD thematisiert werden, tatsächlich löst oder ob es lediglich die Symptome bekämpft.

5. Fazit: Die hohen Hürden des BVerfG

Ein Verbotsantrag gegen die AfD ist unter den Maßstäben des NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine äußerst schwierige Aufgabe und mit bloßen Behauptungen nicht mit Erfolg zu führen. Die Anforderungen an den Nachweis der verfassungsfeindlichen Ziele und einer „konkreten Gefahr“ sind hoch, und es ist höchst fraglich, ob diese für die AfD derzeit erfüllt werden können. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur NPD hat zu Recht die Latte für Parteiverbote aufgrund der hohen Brisanz eines Parteiverbotes in einer liberalen Demokratie so hoch gelegt, dass die bloße Verfassungsfeindlichkeit einer Partei nicht ausreicht. Solange der AfD allein verfassungsfeindliche Ziele unterstellt werden ohne hierfür substanzielle Nachweise zu erbringen und solange sie keine reale Möglichkeit hat, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stürzen, dürfte ein Verbotsantrag rechtlich zum Scheitern verurteilt sein. Zudem muss stets die Gefahr einer politischen Gegenreaktion bedacht werden, die ein Verbot für die demokratische Kultur des Landes haben könnte. 

Zu Recht kann die AfD hierbei anführen, dass mit Hilfe von weisungsgebundenen Behörden mit ideologischer Schlagseite "politische Wettbewerbsverzerrung" betrieben wird, um diese zu diskreditieren. Nicht umsonst kritisierte etwa der Ex-Finanzminister von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Mitglied, Mathias Brodkorb, in seinem Buch "Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?" die Machenschaften des Verfassungsschutzes scharf und nennt andere Beispiele, in dem dieser als Erfüllungsgehilfe der Politik tätig wurde. Man bekommt gerade im Kontext des AfD-Verbotsverfahrens den Eindruck, dass der Staat von Partei-Apperatschicks durchsetzt ist, die allein am Erhalt ihrer eigenen Macht interessiert sind und auch zu höchst fragwürdigen Mitteln greifen, um diese gegen die politische Konkurrenz abzusichern. Deren Handeln beschädigt diesen Staat mitunter weitaus mehr als die AfD.


Update vom 04.11.2024: Prof. Boehme-Neßler hat sich zum gleichen Thema ähnlich geäußert.


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