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Verfassungsblog: Ein Forum für Pluralistische Debatten oder Verbreitung von Haltungs-Rechtswissenschaft?

Der Verfassungsblog gilt mittlerweile als eine der führenden Plattformen für die Diskussion verfassungsrechtlicher Themen in Deutschland. In meinen Augen ist das höchst problematisch. Der Verfassungsblog beschreibt sich selbst als ein „offenes Forum für Debatten“ im Bereich des Verfassungsrechts und der Politik, das sowohl akademische als auch journalistische Elemente vereint. Es soll eine Schnittstelle zwischen der wissenschaftlichen Fachwelt und der politischen Öffentlichkeit darstellen, in der unterschiedliche Meinungen und Kontroversen ihren Platz finden.

Doch wie offen ist diese Plattform tatsächlich? Ein kritischer Blick zeigt auf, dass das Versprechen eines neutralen und pluralistischen Raumes nur bedingt eingelöst wird. Dies sollten Journalisten und Leser zur Kenntnis nehmen, die sich auf Beiträge aus dem Blog beziehen.

1. Die Autoren – Eine Einseitige Auswahl?

Ein Hauptaspekt, der Zweifel an der Neutralität von Verfassungsblog aufkommen lässt, ist die Auswahl der Autoren. Viele der Beiträge stammen von Akademikern, deren Positionen stark mit einem progressiven oder linksliberalen politischen Spektrum assoziiert werden. Zwar wird auf Verfassungsblog ein breites Themenspektrum abgedeckt, jedoch fällt auf, dass konservative oder rechtsliberale Perspektiven deutlich seltener vorkommen. Dies führt zu einer unausgewogenen Debatte, bei der bestimmte Sichtweisen tendenziell marginalisiert werden.

2. Politische Agenda oder wissenschaftliche Analyse?

Verfassungsblog präsentiert sich als Plattform für wissenschaftliche Analysen und rechtliche Diskussionen. Tatsächlich finden sich auf der Plattform zahlreiche Beiträge von anerkannten Juristen und Wissenschaftlern, die aktuelle Themen des Staatsrechts kommentieren. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass die Bandbreite der vertretenen Meinungen oft beschränkt bleibt. Viele Beiträge neigen dazu, progressive und linksliberale Positionen zu vertreten, während konservative oder wirtschaftsliberale Perspektiven deutlich unterrepräsentiert sind. Die Grenze zwischen wissenschaftlicher Objektivität und politischer Agenda scheint häufig unscharf zu sein. Häufig werden Themen behandelt, die in politisch progressiven Kreisen im Vordergrund stehen – Migration, Antidiskriminierung, Gleichstellung. Themen wie innere Sicherheit, staatliche Souveränität oder wirtschaftliche Freiheit finden hingegen weniger Beachtung und wenn, dann fast ausschließlich unter einem links-progressiven Blickwinkel.

Nun ist es nicht von vornherein verwerflich eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen, diese ideologische Einseitigkeit ist aber dann problematisch, wenn - wie hier durch den Verfassungsblog - gleichzeitig der Anspruch erhoben wird, ein offenes Forum für „juristische und politische Kontroversen und Debatten“ zu sein. Denn eine echte Debatte setzt voraus, dass unterschiedliche und kontroverse Standpunkte nicht nur theoretisch zugelassen, sondern auch tatsächlich gleichberechtigt abgebildet werden. Mein Vorwurf richtet sich auf das Fehlen einer echten, pluralistischen Diskussion. In vielen Beiträgen wird eine politische Agenda durchgesetzt, ohne ernsthaft kontroverse Meinungen zuzulassen oder gleichberechtigt eine alternative Sichtweise darzustellen. Dies mindert nicht nur die wissenschaftliche Qualität, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Plattform als neutrales Forum für verfassungsrechtliche Debatten. Der Blog ist auch rigoros, was das Zulassen von Kommentaren angeht, selbst wenn diese die dort genannten Kriterien einhalten. Wenn diese der eigenen politischen Agenda zuwider laufen, werden diese möglicherweise durch die Moderatoren schlicht nicht veröffentlicht. Auch sachlich formulierte Kritik - wie jüngst auch hier bei Seylaw kritisch angesprochen - wird möglicherweise nicht überall zugelassen.* Der Blog führt mit einem solchen Vorgehen bewusst seine Leser in die Irre, indem er vortäuscht, ein ausgewogenes Diskussionsforum zu sein während sich der Leser tatsächlich auf einer politischen Einbahnstraße bewegt.

Bestes Beispiel für die politische Voreingenommenheit ist die offene Positionierung gegen die AfD. Der Verfassungsblog legte sogar eine eigene Thüringen-Reihe auf, um Fragen der verfassungsrechtlichen Extremistenprävention zu untersuchen. Das Projekt soll nun auch auf andere Bundesländer und dem Bund ausgeweitet werden. Anstatt politisch neutral die aufgeworfenen Rechtsfragen zur Resilienz von Verfassungen vor Extremisten zu behandeln und dabei auch u.a. die Linksextremisten und Islamisten nicht zu vergessen, wird kein Zweifel daran gelassen, auf welcher politischen Seite der Blog steht und wen es da zu bekämpfen gilt. Das ist nichts anderes als Haltungs-Rechtwissenschaft.

3. Finanzierungsstruktur und institutionelle Abhängigkeit

Ein weiterer Punkt, der kritisch hinterfragt werden sollte, ist die Frage nach der Finanzierung und den institutionellen Verbindungen. Die Plattform erhält Unterstützung von verschiedenen Stiftungen und Institutionen, die ebenfalls z.T. klar politisch positioniert sind. Diese finanzielle Abhängigkeit könnte Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung und die Auswahl der publizierten Themen haben.

In einem eigenen Statement zur Finanzierung verteidigt der Blog seine finanzielle Struktur, die auf vier Säulen basiert: institutionelle Unterstützung, projektbezogene Förderung, Crowdfunding und Werbung. Dabei wird betont, dass die redaktionelle Unabhängigkeit in keiner Weise beeinträchtigt werde. Doch ist diese Erklärung wirklich überzeugend? Ein genauerer Blick auf diese Finanzierungsquellen lässt Zweifel an der Neutralität und Unabhängigkeit aufkommen.

a) Institutionelle Unterstützung durch das WZB und das Max-Planck-Institut

Verfassungsblog wird durch das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) unterstützt. Diese renommierten wissenschaftlichen Institutionen sind bekannt für ihre Arbeiten in den Bereichen Global Constitutionalism und internationales Recht. Doch diese finanzielle und institutionelle Verbindung wirft Fragen auf: Wie kann Verfassungsblog behaupten, redaktionell völlig unabhängig zu agieren, wenn es maßgeblich von Institutionen unterstützt wird, die oft in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Organen und international tätigen NGOs stehen?

Das WZB und das MPIL sind nicht neutral, apolitische Akteure, sondern agieren in einem breiteren akademischen und politischen Umfeld, das durch spezifische ideologische Ausrichtungen geprägt ist. Diese Einrichtungen tendieren dazu, liberale und progressive Sichtweisen zu unterstützen, was bedeutet, dass Verfassungsblog unter Umständen nicht vollständig unabhängig von den wissenschaftlichen und politischen Agenden dieser Institutionen agieren kann. Die Frage der ideologischen Homogenität stellt sich hier sehr deutlich.

b) Projektbezogene Finanzierung: Wo liegt die Grenze?

Verfassungsblog erhält auch spezifische Finanzierungen für Symposien und andere Projekte. Solche projektbezogenen Mittel stammen oft aus staatlichen oder quasi-staatlichen Quellen, die bestimmte Agenden fördern. So wird der Blog etwa von der Mercator-Stiftung unterstützt, welche politisch den Grünen nahesteht. Hier stellt sich die Frage: Inwieweit beeinflussen diese Geldgeber die Themenwahl und Ausrichtung der Symposien?

Auch wenn Verfassungsblog betont, redaktionell unabhängig zu sein, liegt der Verdacht nahe, dass projektbezogene Förderung oft an bestimmte inhaltliche Erwartungen gekoppelt ist. Geldgeber haben in der Regel klare Zielsetzungen, die oft mit ihren eigenen politischen und ideologischen Agenden übereinstimmen. Dass Verfassungsblog hier komplett unabhängig agieren soll, erscheint angesichts dieser Dynamiken fragwürdig.

c) Crowdfunding: Ein Heiligenschein der Unabhängigkeit?

Die dritte Säule der Finanzierung von Verfassungsblog ist Crowdfunding, was zunächst als Aushängeschild von Unabhängigkeit betrachtet werden könnte. Doch auch hier stellt sich die Frage, wer diese Spenden gibt. Wenn die Crowdfunding-Basis hauptsächlich aus einer bestimmten politischen oder akademischen Blase stammt – was bei Verfassungsblog aufgrund der dort publizierten Inhalte wahrscheinlich ist –, dann stärkt das nicht die Neutralität, sondern eher die Tendenz, bestimmte politische Narrative weiter zu fördern.

Crowdfunding kann also eine doppelte Klinge sein: Auf der einen Seite ermöglicht es eine Finanzierung durch die Leser selbst, auf der anderen Seite verfestigt es die ideologische Homogenität der Plattform, wenn die Geldgeber in ihrem politischen oder ideologischen Spektrum eng gefasst sind.

d) Werbung und redaktionelle Unabhängigkeit – eine fragwürdige Trennung?

Die vierte Säule, Werbung, mag auf den ersten Blick weniger problematisch erscheinen. Doch Werbung bedeutet in der Regel auch Abhängigkeit von Einnahmequellen, die nicht völlig getrennt von redaktionellen Entscheidungen betrachtet werden können. Wenn bestimmte Unternehmen, Institutionen oder sogar Regierungsorganisationen auf Verfassungsblog werben, besteht immer die Gefahr, dass diese Einfluss auf die publizierten Inhalte nehmen könnten, sei es bewusst oder unbewusst. Die Verbindung zwischen kommerziellen Interessen und redaktioneller Freiheit ist oft komplexer, als es in der offiziellen Darstellung erscheint.

e) Die Glaubwürdigkeit der Unabhängigkeit – ein fragiles Konstrukt

Während Verfassungsblog behauptet, völlig unabhängig in seinen redaktionellen Entscheidungen zu sein, ist diese Unabhängigkeit in der Realität schwer zu garantieren, wenn institutionelle, projektbezogene und finanzielle Abhängigkeiten bestehen. Jeder Finanzierungsstrom, sei es von akademischen Institutionen, staatlichen Organisationen oder privaten Spendern, trägt das Risiko, dass die redaktionelle Ausrichtung subtil oder direkt beeinflusst wird.

Die Vorstellung, dass diese vier Säulen der Finanzierung in keinerlei Weise die redaktionellen Entscheidungen beeinflussen, erscheint nicht realistisch. Insbesondere in einem Umfeld, in dem Institutionen wie das WZB oder das MPIL oder die Mercator-Stiftung, die für bestimmte politische und wissenschaftliche Ausrichtungen bekannt sind, eine wichtige Rolle spielen, ist es naiv zu glauben, dass Verfassungsblog tatsächlich völlig unabhängig agieren kann.

Fazit: Ein kritisch reflektiertes Forum oder ein Sprachrohr für eine bestimmte politische Agenda?

Der Verfassungsblog hat ohne Zweifel einen gewissen Stellenwert in der verfassungsrechtlichen Debatte in Deutschland erlangt. Doch bei einer genaueren Betrachtung zeigen sich erhebliche Zweifel an der politischen Offenheit der Plattform. Die einseitige Auswahl der Autoren, die unausgewogene Themenauswahl und die fehlende pluralistische Diskussion werfen die Frage auf, ob der Verfassungsblog wirklich ein offenes Forum für alle verfassungsrechtlichen Perspektiven bietet oder ob es vor allem als Sprachrohr einer spezifischen politischen Agenda fungiert. Nach meiner Analyse und Bewertung nimmt der Blog eine ähnliche Rolle für das Rechtswesen ein, wie Correctiv oder Volksverpetzer in der politischen Debatte. Der Verfassungsblog betreibt vor allem Haltungs-Rechtswissenschaft für eine links-grüne Agenda. Leser sollten die hier angesprochenen Punkte stets im Hinterkopf behalten, wenn sie sich auf der Plattform informieren oder sich auf deren Beiträge stützen.

In meinen Augen wäre es an der Zeit ein liberal-konservatives Gegenprojekt im Staatsrecht zu starten. Im Unterschied zur subversiven Verschleierung des Verfassungsblog sollte die politische Ausrichtung aber offenkundig sein. Ich halte es jedenfalls für ein großes Versäumnis der bürgerlichen Kräfte in der Rechtswissenschaft, nicht systematischer dem links-grünen Zeitgeist aktiv entgegen zu wirken. Hierfür braucht es auch ein offenes Medium als Forum, da nur ein solches eine große Reichweite über den akademischen Tellerrand hinaus erreicht. Auf Seylaw weiß der Leser jedenfalls, woran er ist.

* Nachtrag vom 29.9.24: Mit einiger Verzögerung ist mein sachlich-kritischer Kommentar zu dem gestern besprochenen Beitrag im Verfassungsblog nunmehr veröffentlicht worden. Mir fehlen die näheren Einsichten, was die dortigen Moderatoren anderswo durchgehen lassen und was abgewiesen wird und warum die Moderation im mich betreffenden Fall etwas länger gedauert hat und ich zunächst davon ausging, dass meine Kommentare abgewiesen wurden - die Formulierung des Satzes habe ich entsprechend angepasst.

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