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Cum-Cum-Skandal: Ein Staatsversagen auf ganzer Linie

Mit den Cum-Cum-Geschäften raubten Banken und Investoren bis zu 28,5 Milliarden Euro aus der deutschen Staatskasse – und der Staat lässt es zu. Während die Aufklärung des Cum-Ex-Skandals bereits mühsam in Gang gekommen ist, steckt die juristische Aufarbeitung der Cum-Cum-Deals noch in den Kinderschuhen. Noch gravierender: Anstatt den Aufklärungsprozess zu unterstützen, scheint die Politik den Tätern jetzt sogar zu helfen, ihre Spuren zu verwischen.

Die geplante Vernichtung von Beweismaterial

Am 26. September 2024 hat der Bundestag das sogenannte 4. Bürokratieentlastungsgesetz angenommen. Was auf den ersten Blick wie ein harmloser Vorstoß zur Reduzierung von Bürokratie wirkt, birgt eine dramatische Gefahr für die Aufarbeitung des größten Steuerskandals der deutschen Geschichte. Ein unscheinbarer Passus im Gesetzentwurf sieht vor, die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre zu verkürzen. Was wie eine Erleichterung für Unternehmen erscheinen mag, könnte in Wahrheit dazu führen, dass Millionen von Beweisdokumenten über die Cum-Cum-Deals vernichtet werden.

In den Archiven deutscher Banken lagern weiterhin wichtige Dokumente, die die Beteiligung zahlreicher Finanzinstitute an den kriminellen Cum-Cum-Transaktionen belegen könnten. Diese Unterlagen wären essenziell, um die Drahtzieher zur Verantwortung zu ziehen. Doch sobald die Fristen verkürzt sind, könnten diese Beweise unwiederbringlich zerstört werden – legal.

Cum-Cum: Der "große Bruder" der Cum-Ex-Deals

Während Cum-Ex bereits hohe Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen hat, bleibt der Cum-Cum-Skandal vergleichsweise unbeachtet. Dabei handelt es sich um eine noch größere Masche. Hier wurden Aktien kurzfristig auf dem Papier von ausländischen Investoren an deutsche Banken übertragen, um sich die auf Dividenden gezahlte Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen – obwohl den Besitzern der Aktien keinerlei Ansprüche zustanden. So flossen über Jahre hinweg Milliarden aus der Staatskasse ins Ausland, ohne dass die Finanzbehörden dies unterbunden hätten.

Staatliche Untätigkeit – und jetzt noch Beihilfe?

Seit Jahren gibt es keine einzige Anklage wegen der Cum-Cum-Geschäfte, obwohl der Bundesfinanzhof bereits 2015 deren Illegalität feststellte. Banken konnten bisher nur wenige hundert Millionen Euro zurückzahlen – ein Bruchteil der 28,5 Milliarden Euro, die durch Cum-Cum-Deals verloren gingen. Nun droht das neue Gesetz, die Aufklärung endgültig zu verhindern.

Laut Anne Brorhilker, ehemalige Staatsanwältin und heute Geschäftsführerin der Bürgerbewegung Finanzwende, könnte dieses Gesetz zur „staatlichen Beihilfe für Betrüger“ werden. Sie befürchtet, dass die Banken nach Verabschiedung des Gesetzes sofort beginnen werden, belastende Dokumente zu schreddern. "Die Täter wissen genau, welchen juristischen Sprengstoff sie in ihren Kellern haben", warnt Brorhilker. Eine Petition von Finanzwende soll das Gesetz noch verhindern – doch die Zeit läuft.

Politische Verantwortung: Wer schützt die Täter?

Es ist bemerkenswert, dass das Bundesfinanzministerium, unter der Leitung von Christian Lindner, keine Anstrengungen unternimmt, um die Milliarden zurückzuholen, die den deutschen Steuerzahlern zustehen. Im Gegenteil: Durch die geplante Verkürzung der Aufbewahrungsfristen wird den Ermittlungen ein „Knüppel zwischen die Beine“ geworfen, wie Finanzwende-Gründer Gerhard Schick kritisiert.

Dabei ist die Lage des deutschen Haushalts angespannt, und gerade die Rückforderung solcher Gelder könnte dringend benötigte Mittel bringen. Stattdessen konzentriert sich die Regierung auf vermeintliche Bürokratieentlastung – auf Kosten der Steuerzahler.

Ein Rennen gegen die Zeit

Die Staatsanwaltschaft und Steuerbehörden sind jetzt in einem Rennen gegen die Zeit. Sollten die Fristen verkürzt werden, bleiben ihnen nur noch wenige Monate, um die Täter zu ermitteln. Ein fast aussichtsloses Unterfangen, angesichts der Menge an unaufgeklärten Fällen und der chronischen Unterbesetzung der Behörden. Selbst Justizminister Marco Buschmann räumt ein, dass dem Staat jährlich 200 Millionen Euro verloren gehen könnten, wenn die Belege zu früh vernichtet werden.

Fazit: Ein Skandal wird vertuscht

Es scheint, als würde der Staat den Cum-Cum-Skandal nicht nur verschlafen, sondern aktiv vertuschen. Die Täter könnten ungeschoren davonkommen, während Milliarden von Euro unwiederbringlich verloren gehen. Der Cum-Cum-Skandal ist ein weiterer Beweis dafür, wie systematisch kriminelle Machenschaften in der Finanzwirtschaft geduldet und durch politische Entscheidungen sogar begünstigt werden.

Der deutsche Staat hat hier versagt – und die Leidtragenden sind die Steuerzahler. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag und der Bundesrat sich ihrer Verantwortung für das Volk bewusst werden und die geplante Gesetzesänderung noch stoppen, bevor es zu spät ist. Mehr zur Petition, die bereits über 100.000 Unterstützer hat, finden sie hinter diesem Link.

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