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Amtsschimmel - Folge 4 (Fortsetzung 2) - Die Antwort des Ministeriums ist da!

Wie Eis und Schnee derzeit Mecklenburg-Vorpommern befrieden, möchte sich das Justizministerium am Liebsten der Sache geräuschlos entledigen, die ich in der letzten Fortzsetungsfolge der beliebten Reihe #Amtsschimmel angestoßen habe, heute präsentiere ich euch die Antwort des Ministeriums vom 29.11.23. Schauen wir uns an, wie man wieder versucht sich herauszureden!

Immerhin hat man in dem von der Linkspartei geführten Justizministerium die politische Brisanz wohl erkannt. Nicht anders ist es zu erklären, dass Referatsleiter Dietmar Scholz persönlich die Antwort bearbeitet hat. Noch nicht ganz im Ministerium angekommen ist aber die Botschaft, dass die Millionen und über Jahre um ihre von Verfassungs wegen zustehenden Sicherung des Existenzminumum geprellten Bezieher von Grundsicherung diesen Umstand nicht sag- und klaglos über sich ergehen lassen müssen. 

Die diesen Unrechtszustand aufrecht erhaltenen Staatsbediensteten sind dafür richtigerweise zur Rechenschaft zu ziehen! Das bewusste Ignorieren der Verfassungsgerichtsrechtsprechung hat diesem sogenannten Rechtstaat großen Schaden zugefügt! Spätestens, wenn das Bundesverfassungsgericht seine Linie aus 2010 bestätigen und fortschreiben wird, werden Sozialrichter, Staatsanwälte und in Verantwortung stehende Politiker wieder allerorts ganz betroffen gucken und eine große Überraschung über den Urteilsinhalt heucheln, so wie gerade bei der 60-Milliarden-Haushalts-Pleite erlebt. Dagegen hätte man auch gleich das Richtige tun müssen, seit 2010 existieren entsprechende Vorgaben.

Der Sache nach steckt man im Justiuministerium M-V lieber weiter den Kopf in den Schnee:

"[...] Im Übrigen gehen Sie zutreffend davon aus, dass die Justizministerin keine Veranlassung dazu sieht, die Staatsanwaltschaft Schwerin anzuweisen, im Verfahren 185 Js 30793/23 die Ermittlungen aufzunehmen. Zwar trifft es zu, dass das externe Weisungsrecht der Landesjustizverwaltung nach § 147 Ziffer 2 GVG grundsätzlich umfassend ist und sich auf jegliche Aufgabe oder Tätigkeit der Staatsanwaltschaft zu jedem Zeitpunkt bezieht. Weisungen sind nach zutreffender, von der Ministerin in ständiger Selbstbindung praktizierter Rechtsauffassung jedoch lediglich dort möglich, wo die von den Beamten der Staatsanwaltschaft getroffene Entscheidung evident rechtsfehlerhaft, also fachlich und/oder sachlich in keiner Weise gerechtfertigt ist oder ein klarer Fall von Ermessensnicht- oder Fehlgebrauch vorliegt. Ein solcher, absoluter Ausnahmefall ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der von Ihnen zitierten Rechtsprechung des SG Karlsruhe nicht gegeben. [...]"

Da korrigiere ich Sie doch gleich einmal, Herr Scholz

Ihre Einschätzung, dass bei dem angezeigten Sachverhalt der Staatsanwalt Wilhelms kein evident rechtsfehlerhaftes Verhalten vorwerfbar sei und Sie deshalb keiner Veranlassung dazu sehen, von ihrem Weisungsrecht nach § 147 Zif. 2 GVG zu gebrauchen, weise ich aus folgenden Gründen als unvertretbar zurück. 

Wir erinnern uns, Staatsanwalt Wilhelms lehnte in der Sache 185 Js 30793/23 die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab, seine Begründung: "Vorliegend stützen die Richter sich bei ihrer Entscheidung auf ein rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen und schlossen sich der dortigen Rechtsauffassung an. Der von ihnen favorisierten Rechtsauffassung des Sozialgerichts Karlsruhe folgten die Richter nicht. Dass die getroffene Entscheidung nicht Ihrem Begehr entsprochen hat, führt noch nicht dazu, dass die Entscheidung rechtlich falsch oder unvertretbar ist."

Die gegebene Begründung hält evident nicht den Anforderungen an die Prüfung der Voraussetzung zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für die Begehung einer verfolgbaren Straftat stand (§ 152 StPO): Die Staatsanwälte sind verpflichtet jedem, auch einem nur vagen, Hinweis auf eine Straftat nachzugehen. Sie sind ferner verpflichtet ein förmliches Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn sich am Ende des Vorermittlungsverfahrens ein Anfangsverdacht ergibt. Diese Verpflichtung steht gleichwertig zu der Pflicht zur Anklageerhebung. Der Staat hat das Monopol der Strafverfolgung. Denn ohne Ermittlungsverfahren gibt es keine Anklage, ohne Anklage gibt es keine gerichtliche Untersuchung, so steht es in § 151 StPO. Daher ist klar und eindeutig, dass ein mit der Untersuchung beauftragter Staatsanwalt jedenfalls den objektiven Tatbestand der Strafvereitelung im Amt erfüllt, wenn er kein Ermittlungsverfahren eröffnet, obwohl ein Anfangsverdacht besteht. Die Prüfung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, ist Rechtsanwendung und keine Ermessensentscheidung und hat eine rechtliche und erst subsidiär eine tatsächliche Komponente. Bei der strafrechtlichen Beurteilung ist zunächst der objektive Teil und dann der subjekte Teil der Strafvorschrift - hier der Rechtsbeugung nach § 339 StGB - unter die Lupe zu nehmen.

Ich zitiere aus dem Urteil des BGH, Urt. v. 22.01.2014 - 2 StR 479/13: „Wegen Rechtsbeugung macht sich ein Richter strafbar, wenn er bei der Entscheidung einer Rechtssache vorsätzlich das Recht falsch anwendet und dadurch einem Verfahrensbeteiligten zu Unrecht einen Vor- oder Nachteil verschafft...

Tathandlung im Sinne von § 339 StGB ist eine Verletzung von Recht und Gesetz. Dies setzt eine Rechtsanwendung voraus, die im Ergebnis nicht vertretbar ist...

Einerseits heißt es (BGH, a.a.O., Rn. 9): „Der Tatbestand der Rechtsbeugung bedarf darüber hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit einer Einschränkung, als eine "Beugung des Rechts" nicht schon durch jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung verwirklicht wird. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass der Richter sich bewusst in schwer wiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt". 

Andererseits wird durch den BGH deutlich herausgehoben: „Die konkrete Bedeutung der im Einzelfall verletzten Rechtsnorm hat auch indizielle Bedeutung für die Kenntnis des Richters von der Schwere des Rechtsverstoßes“.

Daher muss der Staatsanwalt einen Blick in die Entscheidungsgründe der jeweiligen in Bezug genommenen Entscheidungen werfen (SG Schwerin, Urt. v. 19.7.23 - S 11 AS 101/21; LSG NRW, Urt. v. 10.2.22, L 19 AS 1236/21 einerseits und andererseits: BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09; SG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.23, S 12 AS 2208/22) und eine eigenständige materiellrechtliche Bewertung anstellen, um dabei zu einer Gesamtschau zu gelangen. Eine solche ist hier in der Sache 185 Js 30793/23 gerade nicht erfolgt und auch von mir Ihnen gegenüber ausdrücklich gerügt worden. Der Staatsanwalt muss wegen der Bindung an das Grundgesetz über Art. 1 Abs. 3 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG auch bei seiner Gesamtschau zwingendes Verfassungsrecht beachten (hier: BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09) und dieses seinen Wertungen zugrunde legen. 

Hierzu ist jeder Landesbeamte nach dem in § 48 Abs.  1 Landesbeamtengesetz - LBG M-V geleisteten Diensteid verpflichtet, der lautet: „Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“ - weshalb auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegenüber jenen Landesbeamten begründet ist. Den Bedeutungsgehalt der maßgeblichen verfassungsrechtlichen Entscheidung ist hier sowohl von den beschuldigten Sozialrichtern, wie auch dem beschuldigten Staatsanwalt vorsätzlich verkannt worden - auch Herr Scholz weigert sich nunmehr, trotz der im Justizministerium vorgehaltenen staatsrechtlichen Expertise, auf das maßgebliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2010 einzugehen (BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09) und die dort in den Randnummern 137 - 144 dargelegten Maßstäbe zu berücksichtigen. Diese sind auch für das von mir angestrengte strafrechtliche Vorgehen maßgeblich von Bedeutung, da sie den materiellrechtlichen Hintergrund bilden, vor dem sich die Rechtsbeugung abgespielt hat. Das Verschließen dieser Einsichten ist wiederum selbst als Rechtsbeugung (§ 339 StGB) und Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) zu qualifizieren und auch entsprechend zu verfolgen. Ich behalte mir daher ausdrücklich eine Anzeige von Herrn Scholz und von Justizministerin Bernhardt vor, sofern das Justizministerium bei seiner gegenwärtigen Position verbleibt.

Richtigerweise wäre nach der dargelegten Verwaltungspraxis die Ministerin dazu gehalten, aufgrund der evidenten Verkennung jener strafrechtlichen sowie verfassungsrechtlichen Maßstäbe einzuschreiten, um auf die Eröffnung entsprechender Ermittlungsverfahren hinzuwirken.

Vielleicht sollte ich die Ministerin einmal an ihre parteipolitischen Wurzeln erinnern. Es ist jedenfalls an Verlogenheit nicht zu überbieten, dass die bald nicht mehr bestehende Bundestagsfraktion der Linkspartei in bester Oppositionsmanier bei solcherlei Vorhaben sich auf die Seite der Betroffenen stellt. Doch wenn sie, wie hier in Person von Justizministerin Bernhardt, in politischer Verantwortung stehen, ganz schnell die eigenen Ideale über Bord werfen und sich außer Stande zum Handeln sehen - Hauptsache, die eigenen Bezüge stimmen.

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