Die Grünen haben ihre politischen Wurzeln in der Anti-AKW-Bewegung, ein identitätsstiftendes Erbe, welches sie nunmehr besser überwinden sollten. Denn die jüngsten Herausforderungen des Landes dürften eine Kehrtwende unausweichlich werden lassen. Ausschlaggebend hierfür ist der Ukraine-Krieg, welcher in Deutschland die Abhängigkeit von russischen Energieimporten für jedermann offengelegt hat, für explodierende Energie- und Lebensmittelkosten sorgt und politische Optionen blockiert, die aus außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen für mehr Druck auf Russland wünschenswert wären. Auch wird nun offensichtlich, dass trotz erheblicher Milliardeninvestitionen in Solar- und Windkraft diese Achillesferse der deutschen Energieversorgung überhaupt besteht. Warum eigentlich?! So hätte man doch für das investierte Geld genausogut dutzende Atomkraftwerke haben können, mit denen man sich viel leichter von russischen Importen nun hätte lösen können. Das war jedenfalls eine Lehre, die die Franzosen aus der Öl-Krise der 70er-Jahre zogen: Dass man sich unabhängig von den politisch und moralisch unzuverlässigen Lieferstaaten machen muss und auf eine Technik setzt, die sauber und günstigen Strom produziert, sowie gut planbar und verlässlich ist. Das sind Solar- und Windkraft gerade nicht und damit als Grundlage für eine stabile und günstige Energieversorgung bereits vom Ansatz her ungeeignet. Hätte man auf Helmut Schmidt gehört, stünden wir heute besser da und zwar dort, wo Frankreich bereits angekommen ist.
Der mittelfristige Widereinstieg in die Kerntechnik ist jedenfalls auch aus anderen Gründen alternativlos, wenn man eine ökonomische wie ökologische Energiequelle innerhalb des eigenen Landes ohne Abhängigkeiten von anderen Staaten herstellen möchte. Das haben neben Frankreich auch andere Staaten bereits erkannt und treiben den Ausbau der Kernkraft und neuer Technologien weiter voran, denn mit Wind- und Solarkraft alleine wird man die vor uns liegenden Herausforderungen zur Dekarbonisierung unseres Lebens nicht schaffen.
Als erste Grüne Partei der Welt haben nun die Grünen Finlands eine 180 Grad-Wende vollzogen, statt die Atomkraft weiter als Teufelszeug zu diskreditieren, wird sie vielmehr als Grundlage für eine nachhaltige Zukunft gesehen, da sie CO2-arm ist. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, doch in deren Wahrnehmung ist die Dekarbonisierung heute ein wichtigeres Projekt als die Angst vor dem Super-GAU. In Finland gibt es zudem einen hohen Zuspruch zur Kernkraft in der Bevölkerung, so sind 74 % der Bürger nach einer Umfrage in 2021 dafür während es nach Fukushima 2011 nur 42 % waren. Von diesen Werten sind wir in Deutschland zwar noch weit entfernt, doch der Widerstand bröckelt und die Zustimmung wächst, so gibt es auch hierzulande mittlerweile mit 57 % eine solide Mehrheit für die Kernkraft.
Technische Durchbrüche bei der Kernfusion lassen ebenso dieser Tage aufhorchen und verdeutlichen, dass die bekannten Gegenargumente mit neuen Reaktortypen und Technologiezweigen weitgehend obsolet werden. Auch wenn noch größere Hürden zu meistern sind, verliert Deutschland in diesem zukunftsträchtigen Technikbereich mit seiner seit Dekaden anhaltenden negierenden Haltung deutlich den Anschluss. Es bedarf mehr Anstrengungen, um das Know-How wieder aufzubauen, was leider in den Jahrzehnten der Vernachlässigung verloren gegangen ist. Dazu bedarf es aber auch einer Perspektive für den Technologiezweig im Land.
Wie reagieren die Grünen in Deutschland bislang auf die neuen Gegebenheiten? Mit grober Ignoranz in meinen Augen. Und dass sich nun ausgerechnet ein Grüner Minister für den Weiterbetrieb von Öl- und Kohlekraftwerke einsetzt, darunter auch Braunkohlekraftwerke der Marke "Dreckschleuder", dürfte der eigenen Basis wohl kaum vermittelbar sein. Wacht auf, Leute!