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Warum ich für moderne Atomtechnologien eintrete

Seit Jahren setze ich mich in meinem persönlichen und politischen Umkreis für moderne Atomtechnologien ein. Doch war hiervon in diesem Blog kaum die Rede. Der letzte Beitrag - der offene Brief an das Bundesumweltministerium - bedarf daher noch etwas mehr Kontext, den ich gerne an dieser Stelle nachliefere.

Meinem Physiklehrer habe ich einen nüchternen Blick auf die Atomtechnik zu verdanken, der mit uns in der Oberstufe über Strahlung und Kernphysik dozierte. Ganz besonders hatten es mir die Vor- und Nachteile verschiedener Reaktortypen der Kernspaltung als auch der Kernfusion angetan. Ich kam dabei zu der Erkenntnis, dass die Atomtechnik eine Energiequelle mit viel Potential ist, da sie günstig CO2-armen und stabilen Strom erzeugt und je erzeugter Terawattstunde Energie mit Abstand die wenigsten Todesfälle fordert. Sie ist damit der Schlüssel zu einem ökologisch verträglichen Wohlstand und einem besseren Lebensstandard auf der ganzen Welt.

Allerdings war mein zuvor aus den Medien geprägter Blick vor allem auf die Gefahren und Probleme dieser Energieform fokussiert - von den Chancen war - zumindest im deutschsprachigen Raum - so gut wie nie die Rede. So ist der berühmte Aufkleber mit dem Aufdruck "Atomkraft - Nein, danke!" Ausdruck einer Energie-, Klima- und Umweltpolitik Deutschlands geworden, die die letzten 30 Jahre geprägt hat und in der "Energiewende" mündete. Auch wenn ich ausdrücklich das mit ihr verfolgte Ziel der Verdrängung der fossilen Energieträger unterstütze, ist der von Deutschland eingeschlagene Weg - der vor allem auf den Ausbau der Wind- und Solarenergie setzte - meines Erachtens der falsche. Experten aus dem Ausland schütteln schon seit Jahren über diesen deutschen Sonderweg den Kopf. Dass Berlin sich in Brüssel einerseits vehement gegen Atomkraft und für die Erneuerbaren Energien einsetzte, andererseits aber bis zuletzt die eigene Autoindustrie vor allzu strengen CO2-Grenzwerten verteidigte, stieß auch bei unseren europäischen Nachbarn zu Recht auf Unverständnis. Die Kritik muss noch lauter werden, um auch in der deutschen Politik wahrgenommen zu werden, denn es gibt Alternativen!

Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern - einem Bundesland, welches maßgeblich vom Tourismus lebt und weite Teile seit der Energiewende zusehends zu einer Industrielandschaft geworden sind. Gerade Solar- und Windkraft sind Energieformen mit dem größten Flächenverbrauch und stehen damit im Widerspruch zu jenem wirtschaftlich wichtigem Zweig meiner Heimat. Ganz zu Schweigen von dem Verlust an Schönheit und Unberührtheit der Natur.

Doch auch wenn man ganz nüchtern die Ergebnisse der deutschen Energie- und Klimapolitik betrachtet und die Kosten hierfür berücksichtigt, kam ich zu dem Schluss: Weder werden hiermit die selbst gesteckten Klimaziele erreicht, noch halten sich die Kosten in dem versprochenen Rahmen. Das sah im Übrigen der Bundesrechnungshof sehr ähnlich. Die überbordende Zeche hiervon darf der Verbraucher über die EEG-Umlage bezahlen. Die Deutschen zahlen mittlerweile die höchsten Strompreise in Europa. Geradezu grotesk ist das Resultat, dass wir uns mangels Energiespeicher durch den Ausbau  von Solar- und Windkraft noch stärker abhängig von schmutzigem Kohlestrom und - sicherheitspolitisch bedenklich - von russischem Gas machen, um das Stromnetz stabil zu halten. Wollte man nicht eigentlich weg von den fossilen Energieträgern kommen? Jetzt macht man sich von ihnen sogar abhängig, weil man jene Kraftwerke für Schlechtwetterlagen vorhalten muss! Und jenes sind nur ausgewählte Punkte, die kritikwürdig sind. Bislang kaum die Rede war etwa von der Feinstaubbelastung, die maßgeblich von den fossilen Energieträgern verursacht und vom Umweltbundesamt für ca. 45.000 vorzeitige Todesfälle im Jahr verantwortlich gemacht wird. Hierauf stieß ich erst durch eine Erwähnung in der Rede des französischen Präsidenten Macrons im November 2018, der die Reduzierung der Todesfälle durch die Feinstaubbelastung als Verdienst der Atomkraft pries und damit als Argument für deren Unverzichtbarkeit heran zog. Warum nur spricht kein deutscher Politiker davon? Ach ja, wir brauchen ja durch den Atomausstieg die Kohlekraftwerke vorerst noch.

Wäre es nach all dem nicht viel sinnvoller für das Klima und der Gesundheit der Bevölkerung die Bundesregierung würde einen Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern vorlegen und umsetzen, wie es Frankreich und Großbritannien getan haben?! Warum klammert sich die deutsche Politik an die Energiewende als ob es keine Alternative zum gegenwärtigen Weg gäbe? Die jetzige Strategie ist gescheitert und wird auch nicht durch das Verändern kleiner Stellschrauben zum Erfolg, da schon die Grundannahmen nicht realistisch umsetzbar sind, wie jüngst etwa Prof. Hans-Werner Sinn in seinem Vortrag "Wie viel Zappelstrom verträgt das Netz?" aufgezeigt hat, den ich auch hier wieder zur weiteren Kenntnisnahme verlinken möchte:

Eine Kernthese von Prof. Sinn lautet, dass die für ein Gelingen der Energiewende zwingend benötigten Energiespeicher schlicht nicht genügend Flächen in Europa zur Verfügung stehen. Was den Zugewinn durch technische Fortschritte angeht: Ungewiss. Trotz hoher Investitionen sind Energiespeicher jedenfalls weder technisch noch wirtschaftlich dort, wo sie für ein Gelingen der Energiewende sein sollten.

Ein Blick auf die interaktive Energiekarte - https://www.electricitymap.org/ - lässt jedenfalls bereits nach einem kurzen Vergleich den Schluss zu, dass Frankreich von den Resultaten her eine deutlich bessere Energie-, Klima- und Umweltpolitik betreibt als wir es tun. Dort schafft man es jedenfalls CO2-armen Strom deutlich günstiger zu produzieren (etwa die Hälfte). Wir sollten uns von der Strategie unseres Nachbarn inspirieren lassen, wenn uns sowohl das Klima als auch der Geldbeutel der Verbraucher ein Anliegen ist! Selbst der SPD sollte man vermitteln können, dass die gegenwärtige Strategie gerade die unteren Einkommensklassen überproportional stark belastet und dies nur mit einem Kurswechsel bezahlbar anders zu haben sei. Hätte die SPD in den 70er-Jahren im Übrigen auf Helmut Schmidt gehört, hätten wir schon längst diesen Weg beschritten, der sich damals für einen Ausbau der Kernenergie einsetzte: "Für den Sozialdemokraten Schmidt gibt es nur ein Schlupfloch, dem globalen Inferno zu entrinnen: "Die Welt braucht Kernenergie", und die verantwortlichen Politiker dürfen sich dabei weder von "Umweltidioten" noch von "Gerichten, die alles kaputtmachen", bremsen lassen: "Deutschland ist nicht geholfen, wenn Herr Eppler und ich mit dem Fahrrad ins Büro fahren."

Leider hörten die Sozialdemokraten damals nicht auf ihn, sondern auf Eppler.

Aber auch von der Union hätte ich mehr Nüchternheit und einem pragmatischen Umgang bei diesem Thema erwartet. Das ist mit Angela Merkel durch ihre politischen Pirouetten in der Atompolitik - von der Laufzeitverlängerung alter Meiler bis zum Atom-Moratorium - nicht mehr denkbar. Ihr Nachfolger im Amt sollte erkennen, dass moderne Atomtechnologien (Flüssigsalzreaktoren, modulare Bauweise, verbesserte Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsaspekte etc.) ein Teil der Strategie sein müssen, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Das haben im Übrigen auch angesehene Wissenschaftler und Umweltschützer aus dem Ausland immer wieder vorgetragen - nur hört man davon in Deutschland leider wenig und vermisse auch einen "Aufstand der Vernünftigen" in unserem Land. In Mecklenburg-Vorpommern wird übrigens in Greifswald erfolgreich und weltweit führend an der Kernfusion mit der Stellerator-Technologie geforscht. Die CDU-MV hat zum Glück den Mut bewiesen dessen Bau gegen politische Widerstände der Grünen fortzuführen. Sogar die regierende SPD im Land hat das Projekt stets unterstützt. Warum gibt es nicht auch im Bund mehr Mut moderne Kerntechnologien und deren Einsatz voran zu treiben? Mir ist bewusst, dass es um die Popularität der Atomkraft in Deutschland nicht zum Besten steht. Doch sehe ich es gerade als Aufgabe der Union gegen die seit Jahrzehnten von Umweltverbänden und Grünen geschürte Angst mit mehr Sachlichkeit voran zu schreiten und denke auch, dass die Bürger die Ergebnisse zu schätzen wüssten - würden Ihnen nur einer davon erzählen.

Das Bundesumweltministerium stieß leider keine solche Sachdebatte an, sondern verteidigte eisern die alte politische Linie, weshalb ich mich auch sehr über den Verstoß der verfassungsrechtlich gebotenen Ausgewogenheit und rechtsstaatlichen Distanz äußerst verärgert zeigte. Man muss es aber ganz klar benennen, die derzeitige Politik der Regierungsparteien und der Grünen ist teuer, unrealistisch, gesundheitsschädigend und umweltschädlich!

Was ist nun aber mit den Nachteilen der Kerntechnik? Wie in der Autowelt ist der Sicherheitsstandard eines Produkts der 60er-Jahre nicht mit einem heutigen vergleichbar. Die Atomkraft-Debatte in Deutschland ist jedoch in den 80er-Jahren stehen geblieben und drehte sich allein um die Nachteile der alten Generation-II-Reaktoren, vornehmlich Druckwasserreaktoren mit Uran als Brennstoff. Dessen Nachteile sind aber überwiegend nicht auf neuere Konzepte, wie etwa dem Flüssigsalzreaktor der Generation-IV übertragbar, da diese ganz anders konzipiert sind und auch mit Thorium betrieben werden können. Eine Herausforderung dort ist es etwa Metalllegierungen zu entwickeln, die gegen die starke Korrosion der Salze immun sind. Eine Wasserstoffexplosion, wie in Fukushima, ist bei diesem Reaktortyp konstruktionsbedingt jedoch gar nicht möglich. Auch ist kein aktives Eingreifen zum Beenden der Kettenreaktion notwendig - nach einem Defekt oder Unfall hört diese von alleine auf.

Ein anderer immer wieder vorgebrachter Punkt - "der langlebige Atommüll" - ist technisch beeinflussbar und in den Griff zu bekommen. Dabei handelt es sich um größtenteils unverbranntem Uran, welches sich in speziellen Reaktoren weiter nutzen bzw. in andere Spaltprodukte durch Transmutation umwandeln lässt. So produziert Russland etwa mit dem BN-800 hieraus Strom und verbrennt insbesondere die langlebigen Actinide.

Die in der Vergangenheit auch in Deutschland verfolgte Idee den Brennstoffkreislauf zu schließen sollte daher mit modernen Brutreaktoren wieder aufgenommen werden und würde damit auch die deutsche Endlager-Debatte überwinden. Die Speicherung von Atommüll für 300 Jahre ist jedenfalls viel leichter handhabbar und verantwortbar als eine für 1000 oder gar 100.000 Jahre. Im Übrigen bestehen ähnliche Entsorgungsprobleme mit toxischem Sondermüll der Chemieindustrie. Es ist also nicht so, dass sich solche nur bei der Kerntechnik stellen würden. Als Kehrseite einer Industriegesellschaft sind die Nachteile der Kernenergie wohl das geringere Übel als das Verfehlen der Klimaziele. Sicher wäre eine Energieerzeugungsform ganz ohne nennenswerte Nachteile wünschenswert, aber bleiben solche wohl noch längere Zeit unerreichbar. Bei all dem muss selbstverständlich sichergestellt bleiben, dass der Betrieb und die Entsorgung sicher und verantwortbar für die nächsten Generationen gewährleistet ist.

Wer denkt, die Erneuerbaren Energien seien "moralisch sauber", ignoriert deren Nachteile, beispielsweise die Arbeitsbedingungen zum Abbau von Cobalt in Afrika für die vielen benötigten Batterien und profitiert mithin von Kinderarbeit. Bereits angesprochen wurde auch der hohe Flächenverbrauch zur Erzeugung des Stroms, es darf dabei keinen Unterschied zwischen einer "guten" Rohdung von Wäldern für Solar- und Windkraft und einer "schlechten" wie beim Hambacher Forst geben. Wer dies doch tut, misst mit zweierlei Maß.

Mit dem Aufkommen der Nuclear Pride Bewegung, den Protesten gegen hohe Energiepreise, den Protesten am Hambacher Forst und gegen die Kohlekraft, hat das Jahr 2018 gezeigt, dass auch in der deutschen Bevölkerung der Punkt erreicht ist, dass sich viele Bürger eine Alternative zur gegenwärtigen Energie- und Klimapolitik wünschen. Dies bedarf freilich couragierter Politiker, die nicht nur die Interessen der Wind- und Solarindustrie im Blick haben, sondern das große Ganze und die beste Lösung - ohne Scheuklappen - für die zugrunde liegenden Sachprobleme anstreben. Die gegenwärtige Strategie und das Herumbasteln im Klein-Klein ist das mit Sicherheit nicht!

Ist der Zug für das Weltklima nun abgefahren? Nein! Töricht wäre es aber erkannte Fehler nicht alsbald zu korrigieren. Frankreich hat nach der Ölkrise gezeigt, dass mit einem beherzten politischen Willen innerhalb von 20 - 25 Jahren ein Umbau des Energiesektors durchführbar ist. Eine weit reichende europäische Initiative für die Entwicklung moderner Atomtechnologien, die im Neubau von Kernkraftwerke der nächsten Generation mündet, ist daher schnellstmöglich geboten. Die Entwicklungen von Demonstrator-Projekten in China und den USA haben jedenfalls gezeigt, dass der Flüssigsalzreaktor nach stiefmütterlicher Vernachlässigung aufgrund anderer politischer Prioritäten mittlerweile international an Unterstützer gewonnen hat, die dessen Potential für die Energiegewinnung der Zukunft erkannt haben und die Kostenreduktion durch innovative neue Ansätze für den Schlüssel für deren Durchsetzung halten.

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