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Muss der Staat die Wirtschaft an die Leine nehmen?!

Eine Einladung mich vom 19.10. - 22.10 für das "forumWHU" der Otto Beisheim School of Management in Vallendar (WHU Vallendar) zu jenem Themenschwerpunkt zu bewerben, nahm ich dankend an. Die letzten Hausarbeiten waren beendet und der Reiz mal aus Freiburg wieder hinauszukommen und Einblicke in eine private Wirschaftshochschule zu erlangen, waren verlockend genug. Daneben gab es die Chance mit einem selbstverfassten Essay zu wirtschaftspolitischen Themen in jenem Veranstaltungsrahmen hochwertige Preise zu gewinnen, doch dazu an anderer Stelle später mehr.


Die WHU bei Koblenz ist eine private, staatlich anerkannte Wirtschaftsschule in Universitätsrang, mit einer praxisorientierten und international aufgestellten Ausrichtung. Die Studenten wurden bisher durch einen mehrstufiges Auswahlverfahren selektiert und müssen pro Semester 5000€ Studiengebühren zahlen. Dementsprechend hoch die technische Ausstattung der Universität und die Leistungs- und Leidensbereitschaft der Studenten, von denen mir in den vier Tagen vom 19.10. - 22.10. in lockeren Gesprächen viel berichtet wurde. Der thematische Schwerpunkt der Veranstaltung lag bei der Frage, wie weit der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft gehen kann, darf und soll. Dazu wurde für jeden Teilnehmer ein Programm aus insgesamt zehn Vorträgen samt zwei zu wählender Workshops zusammengestellt, die sich alle mit dem Thema Europa, der Globalisierung und der Wechselwirkung von Staat und Politik auseinander setzten.

Nennenswert dabei der Vortrag des Vorstandsvorsitzenden der MLP AG, Dr. Schroeder-Wildberg; des Staatssekretärs im Rheinland-Pfälzischen Wirtschaftsministeriums, Prof. Dr. Siegfried Englert und die Dinner-Speech des Präsidenten der American Chamber of Commerce in Germany, Fred B. Irwin. Der Haupttenor setzte sich damit ausseinander, dass sich Deutschland weiterentwickeln muss, da andere Staaten ebenfalls nicht müde werden sich zu verbessern. Angesichts der Sorgen vieler Menschen und der schwindenden Akzeptanz unserer Wirtschaftsordnung haben Politiker, Wissenschaftler aber auch Unternehmer dafür sorge zu tragen, marktwirtschaftliche Politik zu betreiben, ohne dabei die Menschen auf die sie sich stützt zu vergessen.

Als persönliches Fazit nehme ich mit, dass hierbei Wirtschaft keinesfalls als Selbstzweck zu betrachten ist, sondern als Werkzeug für einen möglichst hohen Wohlstand in der Gesellschaft zu sorgen hat. In diesem Zusammenhang hinterfragte ich kritisch einen Referenten der Deutschen Post AG. Die Post hat zwar mit ihren Paketstationen verschiedene Technikpreise gewonnen, jedoch hat das Management nicht einmal andere Optionen gegenrechnet, ob ein ähnlicher Zweck mit speziellen, länger geöffneten Filialen zu erreichen gewesen wäre.
Die Post, an der der Staat immer noch beteiligt ist, hat im Verhältnis zu ihren Mitarbeitern und Kunden noch eine über das gewöhnliche hinaus gehende Verantwortung, verglichen mit einem normalen Privatunternehmen. Der Referent wischte den Einwand salopp mit dem Begriff Sozialromantik aus dem Weg und verkörperte damit gerade ein Exemplar derjenigen Protagonisten, die erfolgreiches Wirtschaften auf Gewinnmaximierung minimieren.

Dahingehend sind auch die kommenden Wirtschaftsführer einmal zu messen, die u.a. auch an der WHU ausgebildet werden. In persönlichen Gesprächen versuchte ich einen tiefer gehenden Blick auf die verschiedenen (nach außen als auch nach innen kommunizierten) Institutionen der Universität und die Studenten selbst zu gewinnen. Schon am Ankunftstag wurde ich zu einer Studentenversammlung von meinen Gastgeberinnen mitgenommen, auf der einige Überraschungen zu erleben waren. Die Privatunis rühmen sich ja allesamt mit ihrer mit bedacht vermarkteten Aussage des Sozialengagements ihrer Studenten. Auch wenn das meines Erachtens heuchlerisch ist, da die Studenten mit sanftem Druck dazu angehalten sind sich in verschiedensten Projekten zu beteiligen (und eben nicht aus innerster Überzeugung heraus), ist es vom Angebot her das krasse Gegenteil zu den Möglichkeiten am Friedrich-Franz-Gymnasium oder an staatlichen Universitäten, was man an Mitwirkungsmöglichkeiten geboten bekommt. Da gibt es ein Partykommitee, eine studentische Unternehmensberatung, eine PR-Gruppe, die Präsentationen der WHU an ihren Heimatschulen abhalten; Blutspendenaktionen und weitere karitative Veranstaltungen etc.
Auf jener Versammlung wurden diese Gremien also gewählt. Das dauerte knapp zwei Stunden, untermauerte jedoch einige bisher gehegten persönliche Theorien zum Wahlverhalten. Für die repräsentativ wichtigen Posten gab es entsprechend viele Bewerber. Da melden sich immer zunächst auch lautstark die Hampelmänner, die mit viel Gestik, Pomp und Getöse auf sich aufmerksam machen. In einem Akt kollektiver Weisheit werden die zum Glück nicht gewählt. Sondern - Gott sei dank - die seriösen, glaubwürdigen Typen, denen man auch zutraut den Jahrgang mit gewissen Fleiß und Hingabe zu vertreten.

Die Studenten - 85 derzeit pro Jahrgang - kennen sich nicht nur allesamt per Namen, sondern haben auch eine uni-interne Datenbank mit Informationen über jeden verinnerlicht, sodass man recht schnell über andere Kommilitonen im Bilde ist. Vallendar mit seinen recht übersichtlichen Straßennetz und kleinstädtischem Flair verstärkt die Bindung der Studenten untereinander noch. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird von der Uni auch dahingehend institutionalisiert, dass es ältere "Paten" für jeden Erstsemester gibt, die die ersten Ansprechpartner für Hilfe bei der Bewältigung des Alltags darstellen.

Auch hier prallen natürlich die verschiedensten Charaktere aufeinander. Die Hedonisten sind mit etwas mehr Geld ausgestattet, doch genauso zahlreich wie überall sonst vorzufinden. Ein gängiges Vorurteil über Privatunis lästert von versnobbten Luxusludern und sozialarmen Karrieristen; doch ist deren Anteil weit nicht so hoch, wie vielleicht vermutet. Sicher verleitet die enge Umgebung (und leicht zu bekommenden Praktika) zu Investmentbanken, Versicherungen und andere Großunternehmen zu einem ungesunden Schuss Größenwahn, und doch liegt es letztlich an jedem selbst den Boden unter den Füßen zu behalten und dem puderzuckerartigen Süßholzgeraspel, wie bspw. "ihr seid die zukünftige Elite Deutschlands", zu widerstehen. Der Anteil von "sozial unbrauchbarem Menschenmaterial" wurde auf 11 von 85 bei den jetzigen Erstsemestern geschätzt - ist also in der Höhe noch vertretbar.

In einer in das Unigebäude integrierten Kapelle finden diejenigen sich dann hoffentlich einmal im Büßerhemd wieder! Doch versprühte jene Kapelle in dem Zusammenhang auch etwas mystisches. Wie das Herz eines Wirtschaftstempels. Nur der anzubetende Schrein des Shareholder-Value fehlte noch. :)

In jener Kapelle fand im Vorfeld einer Podiumsdiskussion noch die Siegerehrung im Essay-Wettbewerb statt. Zum Wettbewerb hatte ich ein "Plädoyer die Entbürokratisierung für einen schlankeren und durchsetzungsfähigeren Staat voranzutreiben" eingereicht und dafür den dritten Platz verliehen bekommen. Als Preis wurde ein hochwertiger Drucker von HP bereitgestellt und genoss die sich der kleinen Dankesrede anschließenden Aufmerksamkeit.
Den Drucker konnte ich gerade rechtzeitig zum Start des Semesters gut gebrauchen - nur war es etwas kompliziert ihn auch mit der Bahn im Handgepäck nach Freiburg zu transportieren. Mit tatkräftiger Unterstützung liebenswürdiger Personen, erwähnt seien an dieser Stelle Johanna Foernzler, Philipp Offer und Julian Doppler, ging es dann irgendwie schon.

Alles in allem eine organisatorisch, wie inhaltlich sehr gelungene Veranstaltung mit vielen neuen Kontakten zu sympathischen und hoch motivierten "High Potentials". Gibt es einen noch größeren Ansporn für das gerade begonnene Semester?

Update:


Der Essay ist nunmehr in diesem Blog veröffentlicht, siehe den unteren Post.

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