Nachschlag zum Fall "Beck vs. Titanic"!
Auf die gestrige schriftliche Anfrage nach der Bewertung des Falles "Beck vs. Titanic" bei Herrn Prof. Thomas Würtenberger folgte in der heutigen Vorlesung nun die Stellungnahme unseres Professors für Staatsrecht.
Zunächst wäre sich demnach die Frage zu stellen, ob das Titelbild in jener dargestellter Form überhaupt ein Kunstwerk im Sinne des Art. 5 Abs. 3 ist. Sofern eine künstlerische Verfremdung erkennbar wäre, ließe sich jenes unbestreitbar bejahen. In jenem Fall ist jedoch nur ein Foto von Kurt Beck samt der Schriftunterlegung dargestellt und daher der Kunstcharakter zu verneinen.
Nach Auffassung des renommierten Freiburger Staatsrechtlers käme lediglich die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 in betracht, die ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 jedoch in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre aufweisen.
Gegen letztere hätte die Titanic mit ihrem Aufruf verstoßen.
Des Weiteren erschließe sich ihm der satirische Grundgehalt oder sonstige politische Bezüge, welche durch das Titelbild zur Diskussion gebracht werden sollen, nicht. Mithin wäre die einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts rechtmäßig ergangen. "Die Titanic hat es einfach schlecht gemacht" waren die Schlussworte. Zudem müsse die Zeitung aller halbe Jahre verboten werden, um eine gewisse Publicity auf sich zu ziehen.
Meines Erachtens ist die Verwehrung des Kunstcharakters des Titelbildes nicht so eindeutig, wie Prof. Würtenberger dargestellt hat. Nicht nur enthält die Kunstfreiheit das Verbot, auf Methoden Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsspielraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben - sondern es greifen vielmehr damit auch nicht die Einschränkungen des Art. 5 Abs. 2 ein, wenn im Ausgangsfall das Titelbild unter den Kunstbegriff falle. So dürfte der Staat auf dessen Verbreitung, beispielsweise in Form des Gerichtsbeschlusses, keinen Einfluss nehmen.
Die akademische Frage, was Kunst sei, wird so zu einem brisanten Problem. Ist das Foto im Kontext mit der Bildunterschrift auch als Collage ansehbar, oder ist gar ein Titelbild als Kunstwerk schlechthin zu bewerten?
Ein im Rahmen der Kunstfreiheit auftretender Konflikt ist nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der einheit dieses Wertesystems durch Verfassungsauslegung zu lösen. Wird das Persönlichkeitsrecht durch ein Kunstwerk in Form einer Beleidigung beeinträchtigt, so bedarf es der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Ließe sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung zweifelsfrei feststellen, so kann sie aber auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden.
Ob in unserem eine schwerwiegende Beeinträchtigung zweifelsfrei festgestellt werden kann, halte ich dagegen für fraglich und würde dies eher verneinen (vgl. Beck vs. Titanic I). Ob die Titanic weitere juristische Schritte gegen die Verfügung des LG Hamburg einleiten wird, ist bisher noch nicht bekannt.
Grundlagen dieser Argumentation in:
Dieter Hesselberger, Grundgesetz - Kommentar, Art. 5 Rn. 12f.
Auf die gestrige schriftliche Anfrage nach der Bewertung des Falles "Beck vs. Titanic" bei Herrn Prof. Thomas Würtenberger folgte in der heutigen Vorlesung nun die Stellungnahme unseres Professors für Staatsrecht.
Zunächst wäre sich demnach die Frage zu stellen, ob das Titelbild in jener dargestellter Form überhaupt ein Kunstwerk im Sinne des Art. 5 Abs. 3 ist. Sofern eine künstlerische Verfremdung erkennbar wäre, ließe sich jenes unbestreitbar bejahen. In jenem Fall ist jedoch nur ein Foto von Kurt Beck samt der Schriftunterlegung dargestellt und daher der Kunstcharakter zu verneinen.
Nach Auffassung des renommierten Freiburger Staatsrechtlers käme lediglich die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 in betracht, die ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 jedoch in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre aufweisen.
Gegen letztere hätte die Titanic mit ihrem Aufruf verstoßen.
Des Weiteren erschließe sich ihm der satirische Grundgehalt oder sonstige politische Bezüge, welche durch das Titelbild zur Diskussion gebracht werden sollen, nicht. Mithin wäre die einstweilige Verfügung des Hamburger Landgerichts rechtmäßig ergangen. "Die Titanic hat es einfach schlecht gemacht" waren die Schlussworte. Zudem müsse die Zeitung aller halbe Jahre verboten werden, um eine gewisse Publicity auf sich zu ziehen.
Meines Erachtens ist die Verwehrung des Kunstcharakters des Titelbildes nicht so eindeutig, wie Prof. Würtenberger dargestellt hat. Nicht nur enthält die Kunstfreiheit das Verbot, auf Methoden Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsspielraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben - sondern es greifen vielmehr damit auch nicht die Einschränkungen des Art. 5 Abs. 2 ein, wenn im Ausgangsfall das Titelbild unter den Kunstbegriff falle. So dürfte der Staat auf dessen Verbreitung, beispielsweise in Form des Gerichtsbeschlusses, keinen Einfluss nehmen.
Die akademische Frage, was Kunst sei, wird so zu einem brisanten Problem. Ist das Foto im Kontext mit der Bildunterschrift auch als Collage ansehbar, oder ist gar ein Titelbild als Kunstwerk schlechthin zu bewerten?
Ein im Rahmen der Kunstfreiheit auftretender Konflikt ist nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der einheit dieses Wertesystems durch Verfassungsauslegung zu lösen. Wird das Persönlichkeitsrecht durch ein Kunstwerk in Form einer Beleidigung beeinträchtigt, so bedarf es der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Ließe sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung zweifelsfrei feststellen, so kann sie aber auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden.
Ob in unserem eine schwerwiegende Beeinträchtigung zweifelsfrei festgestellt werden kann, halte ich dagegen für fraglich und würde dies eher verneinen (vgl. Beck vs. Titanic I). Ob die Titanic weitere juristische Schritte gegen die Verfügung des LG Hamburg einleiten wird, ist bisher noch nicht bekannt.
Grundlagen dieser Argumentation in:
Dieter Hesselberger, Grundgesetz - Kommentar, Art. 5 Rn. 12f.