Meine Daten, Meine Rechte? Nichts da! VG Karlsruhe verweigert mir Auskunft gegen das Bundesverfassungsgericht
Als Bürger, der seine Datenschutzrechte ernst nimmt, stehe ich vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, die mich nicht nur persönlich betrifft, sondern auch grundlegende Fragen über die Effektivität des Datenschutzes in Deutschland aufwirft. Mit Beschluss vom 25. April 2025 (Az. 3 K 506/25) hat das Gericht meinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverfassungsgericht, zurückgewiesen. Ich hatte beantragt, mir vorläufig Kopien meiner personenbezogenen Daten aus zahlreichen Verfahren zugänglich zu machen, die ich seit 2011 vor dem Bundesverfassungsgericht geführt habe – ein Anspruch, der sich klar aus Artikel 15 Absatz 3 der Datenschutz-Grundverordnung ergibt. Die Begründung des Gerichts, mit der mein Antrag und auch die Prozesskostenhilfe abgelehnt wurden, basiert jedoch auf einer Rechtsauffassung, die ich für grundlegend fehlerhaft halte und die im klaren Widerspruch zur bindenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Reichweite des Rechts auf eine Kopie der eigenen Daten. Das Verwaltungsgericht reduziert diesen Anspruch in seiner Entscheidung auf eine bloße „Modalität“ des allgemeinen Auskunftsrechts nach Artikel 15 Absatz 1 DSGVO. Es folgt damit der Argumentation des Bundesverfassungsgerichtsverwaltung und meint, die Übermittlung eines einfachen „Vorstücks“ mit einigen Metadaten sei ausreichend. Damit ignoriert das Gericht jedoch völlig die wegweisenden Klarstellungen des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2023. Insbesondere im Urteil C-487/21 (Österreichische Datenschutzbehörde) hat der EuGH unmissverständlich festgestellt, dass Artikel 15 Absatz 3 DSGVO ein eigenständiges Recht auf eine „originalgetreue und verständliche Reproduktion“ der Daten selbst verleiht. Ziel dieses Rechts ist es, mir als Betroffenem zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Verarbeitung meiner Daten effektiv zu überprüfen und meine weiteren Rechte (wie Berichtigung, Löschung oder Schadensersatz nach Art. 16, 17, 82 DSGVO) wahrnehmen zu können. Das Verwaltungsgericht behauptet auf Seite 3 seines Beschlusses sogar das Gegenteil, nämlich dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit nicht vom Auskunftsrecht umfasst sei – eine Aussage, die der Intention des EuGH und dem Zweck des Auskunftsrechts fundamental widerspricht. Wie soll ich meine Rechte wahrnehmen, ohne Zugang zu den Daten selbst zu haben?
Besonders problematisch ist die Argumentation des Gerichts bezüglich des Verhältnisses von Unionsrecht und nationalem Recht. Das Verwaltungsgericht gibt § 35b des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes einen faktischen Vorrang vor der unmittelbar geltenden DSGVO und behandelt ihn als eine Art lex specialis. Dies ist ein klarer Verstoß gegen den Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Nationales Recht kann die DSGVO nicht einfach verdrängen. Einschränkungen meiner Rechte wären allenfalls unter den strengen Voraussetzungen des Artikels 23 DSGVO zulässig, doch das Gericht unterlässt jede Prüfung, ob § 35b BVerfGG diesen Anforderungen an Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit überhaupt genügt. Die pauschale Verweisung auf ein nationales Akteneinsichtsrecht, das für mich als mittellose Person durch Kostenpflicht und die Hürde der Darlegung eines besonderen Interesses faktisch unzugänglich ist, konterkariert das Ziel der DSGVO, einen einfachen und kostenfreien Zugang zu gewährleisten.
Auch die Dringlichkeit meines Anliegens, den Anordnungsgrund, hat das Gericht meines Erachtens verkannt. Die unstreitige und massive Verletzung durch das Bundesverfassungsgericht der für die Auskunft geltenden Monatsfrist des Artikels 12 Absatz 3 DSGVO wird als nicht ausreichend für eine Eilbedürftigkeit gewertet. Dabei ignoriert das Gericht den fortdauernden Kontrollverlust, den ich über meine seit über einem Jahrzehnt verarbeiteten Daten erleide. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner jüngsten Rechtsprechung zu Artikel 82 DSGVO (vgl. C-300/21, C-200/23, C-590/22) wiederholt bestätigt, dass gerade der „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten einen relevanten immateriellen Schaden darstellen kann, für den keine Bagatellgrenze gilt. Wenn aber der Kontrollverlust bereits einen relevanten Nachteil begründet, erscheint es mir unverständlich, wie das Gericht die Notwendigkeit einer sofortigen Abhilfe zur Beendigung dieses Zustands verneinen kann.
Die logische, aber für mich bittere Konsequenz dieser fehlerhaften Rechtsanwendung ist die Ablehnung der Prozesskostenhilfe. Als Bürger, der auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, wird mir damit der Zugang zum effektiven Rechtsschutz in einer Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung verwehrt. Dies steht im Widerspruch zum Gebot der Rechtsschutzgleichheit.
Es ist für mich zutiefst besorgniserregend, dass ein deutsches Verwaltungsgericht die klare Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum zentralen Auskunftsrecht der DSGVO ignoriert und nationalen Verfahrensregelungen, die zudem die Interessen des als Antragsgegner auftretenden Bundesverfassungsgerichts schützen, Vorrang vor europäischen Grundrechten einräumt. Diese Entscheidung ist ein fatales Signal für die Durchsetzung des Datenschutzes in Deutschland. Ich hoffe nun auf den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass er im Beschwerdeverfahren die notwendigen Korrekturen vornimmt und dem Unionsrecht zu seiner vollen Geltung verhilft. Mein Recht auf Schutz meiner persönlichen Daten darf nicht an der Pforte des Gerichts enden – erst recht nicht, wenn mein Gegner der oberste Hüter unserer Verfassung ist und europäisches Recht verletzt.