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Plädoyer für einen stärkeren Staat in der Krise

Mit großem Staunen über die Breite und Tiefe der Maßnahmen ist in juristischen Fachkreisen unter Äußerung immer lauter werdender Kritik die härteste Prüfung des Grundgesetzes in der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik aufgenommen worden.

In diesem Blog wurde etwa an anderer Stelle die Kritik an deren Rechtsgrundlage (§ 32 iVm § 28 Abs. 1 IfSG) angesprochen.

Und bei aller berechtigter Detailkritik an der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit einzelner hierauf gestützter Maßnahmen der Länder, ist im Grundsatz jedoch festzuhalten, dass eine Krise die Stunde der Exekutiven ist. Sie muss zum entschlossenen und vor allem schnellen Durchgreifen in der Lage sein, aber natürlich auf dem Fundament des Rechtsstaats.

Soweit ersichtlich wurden die in der Corona-Krise hervorgetretenen Misstände bei der Beschaffung von medizinischem Material noch nicht in der Rechtswissenschaft diskutiert. Sie lassen aber den Wunsch nach erweiterten Durchgriffsbefugnissen des Staates gegenüber der Wirtschaft aufkommen, um in Krisenzeiten besser an knappe und essentielle Güter zu gelangen ohne hierfür von Händlern und Herstellern zu Lasten des Steuerzahlers über den Tisch gezogen zu werden.

Vielerorts ist die Knappheit an Material zum Schutz des medizinischen Personals und weiterer medizinischer Ausrüstung bemängelt worden. Und dabei waren die Gefahren einer Pandemie dem Staat bereits lange bekannt - das Säumnis einer angemessenen Vorbereitung trifft daher zuallererst die Politik, welche den Mangel einer angemessenen Vorsorge zu verantworten hat. So wirkt es dann auch für die an vorderster Front kämpfenden Mediziner zynisch, wenn man - wie in Nordrhein-Westfalen - über eine Zwangsverpflichtung von Ärzten und Pflegepersonal diskutiert [oder wie in Bayern mit Art. 6 Abs. 1 des Bayrischen Infektionsschutzgesetzes bereits umgesetzt hat und auch auf Bundesebene dies erwogen hatte], von denen man ein Sonderopfer abverlangen möchte sich selbst einem hohen Risiko für ihr Leben auszusetzen, obwohl der Staat selbst zuvor wenig getan hat dieses Risiko so gering wie möglich zu halten. Zuallererst wäre es daher geboten ausreichende Mengen an Schutzausrüstung und Material zur Verfügung zu stellen, damit die Mediziner ohne Angst um das eigene Leben ihren Beruf ausüben können.

Diese Überlegungen knüpfen im Übrigen an die geltende Rechtslage im Katastrophenschutzrecht an (z.B.: § 18 Abs. 1 Landeskatastrophenschutzgesetz MV), dort besteht ein Verweigerungsrecht bei einer erheblichen Eigengefährdung, das erst Recht in der gegegenwärtigen Pandemie greifen dürfte: Die Katastrophenschutzbehörden können, soweit das zur Abwehr einer Katastrophe zwingend geboten ist und die vorhandenen Helfer im Einzelfall nicht ausreichen, Männer und Frauen vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 60. Lebensjahr verpflichten, bei der Bekämpfung von Katastrophen Hilfe zu leisten. Die Hilfeleistung darf nur verweigert werden, wenn sie zu einer erheblichen eigenen Gefährdung oder zur Verletzung anderer wichtiger Pflichten der heranzuziehenden Personen führen würde.

Doch wie man derzeit erleben kann, kommen die Hersteller mit der Produktion der Ausrüstung nicht hinterher und eine weltweit hohe Nachfrage lässt die Preise in die Höhe schießen - ein typischer Fall einer dysfunktionalen Marktsituation, in der das Verhältnis von Angebot und Nachfrage durcheinander geraten ist und man nüchtern feststellen muss, dass der Markt in Krisenzeiten nicht funktioniert. Die Disruption der internationalen Lieferketten und die Abhängigkeit von Waren und Komponenten aus dem Ausland kommen erschwerend hinzu. Aufgrund der Versäumnisse bei der Vorbereitung muss daher nun ad-hoc zu höheren Kosten das Material beschafft werden, dabei könnten die Fixkosten zur Aufrechterhaltung einer strategischen Reserve, sei es bei Personal oder Material, am Ende weit geringer ausfallen, als die unmittelbaren Kosten und vor allem die daraus resultierenden Folgekosten, die in einer Krise entstehen, wie die Bundeswehr-Denkfabrik GIDS in einem Strategiepapier zur Corona-Krise feststellte.

Daneben decke laut GIDS die Corona-Krise immer deutlicher das Fehlen substantieller, eigentlich gesetzlich vorgeschriebener Ressourcen auf der Ebene der Kommunen und der Länder sowie den Mangel an strategischen Reserven bei Personal, Material und Infrastruktur beim Bund auf. Seit Generationen haben sich die Menschen nicht mehr so verwundbar gefühlt. Die Engpässe bei vitalen Gütern im Gesundheitswesen (Medikamente, Schutzausrüstung etc.) zeigen uns auf einmal, wie abhängig wir von globalen Lieferketten sind und dies schon bei Produkten, die für eine weltweit bewunderte Industrienation kein Thema sein sollten. Die Frage, was und nicht zuletzt wer in einer Krise systemrelevant ist, wird vielen Menschen zum ersten Mal bewusst. Plötzlich ist im Gesundheitswesen wieder staatliche Regulierung und Resilienzbildung gefragt, obwohl man noch im vergangenen Jahr die Schließung der Hälfte aller deutschen Kliniken aus Effizienzgründen diskutierte. Um strategische Autonomie zurückzugewinnen, muss laut GIDS in Zukunft mehr auf die Diversität der Zulieferer, auf Vorratshaltung und die Vermeidung von Redundanzen geachtet werden. Die Bewirtschaftung bestimmter Ressourcen, deren Bedeutung oft erst im Verlauf einer Krise deutlich wird, muss frühzeitiger erkannt und zentral gesteuert werden.

In Zeiten einer globalen Pandemie ist - wie bemängelt - eine Beschaffung auf dem Weltmarkt kein Verlass mehr. Dass dem medizinischem Personal als auch ihnen an die Hand gegebenen Instrumente zur erfolgreichen Bekämpfung einer Pandemie eine Schlüsselstellung zukommt, ist zudem unstreitig.

Auch in den USA gab es bereits in den vergangenen 20 Jahren vielerlei Überlegungen, um sich gegenüber einer Pandemie besser zu wappnen. Eine wichtige Komponente sollte dazu die Entwicklung eines Beatmungssystems sein, welches wenig kostest, portabel und einfach zu bedienen ist sowie sich für Notfälle einlagern lässt. In einer Public-Private-Partnership, die alles andere als vorbildlich verlief, wurde in Zusammenarbeit mit Philips der "Trilogy Evo Universal" entwickelt und im September 2019 zugelassen. Das US-Gesundheitsministerium orderte 10.000 Stück zu einem Preis von jeweils 3.280 US-$. Doch gab es bis 30. März 2020 immer noch kein Gerät in der nationalen Reserve. Der Vertrag sah vor, die georderte Stückzahl erst zwei Jahre später - September 2021 - vollständig zu erfüllen. Aufgrund der gegenwärtigen Weltlage priorisierte jedoch der Hersteller die Auslieferung von kostspieligeren Modellen, die auf Grundlage jener Technik entwickelt wurden und befindet sich nunmehr in Verhandlungen mit der US-Regierung um eine zügigere Auslieferung der geschuldeten Modelle.

Doch gibt der Markt wenig Anreize für den Hersteller ein vergleichsweises günstiges Gerät zu priorisieren, wenn die Nachfrage nach den teureren Geräten deutlich gestiegen ist und der Einsatz der Komponenten bei den teureren Geräten auf dem Markt für den Hersteller einen höheren Profit generiert. Doch auch für das einfache Modell war der Preis nunmehr aufgrund hoher Nachfrage von 3.280 US-$ auf 11.000 US-$ gestiegen. Hätte das US-Gesundheitsministerium den Hersteller angewiesen zunächst die mit Steuergeld finanzierten Geräte zu bauen und zu liefern, hätte man zwischenzeitlich 10.000 Exemplare an Krankenhäuser ausliefern können - das wäre von den Produktionskapazitäten her möglich gewesen, wenn auch zuletzt aufgrund der Schwierigkeiten in der Lieferkette das Beschaffen der Komponenten erschwert wurde.

Um diesem Problem Herr zu werden, gibt es in den USA den Defense Production Act of 1950 (DPA), der zur "nationalen Verteidigung" - unter der auch die Abwehr von Pandemien fällt - zu weit reichenden Eingriffen des Staates in die Wirtschaft ermächtigt und jüngst von US-Präsident Trump gegenüber General Motors eingesetzt wurde.

Some current DPA authorities include, but are not limited to

Title I: Priorities and Allocations, which allows the President to require persons
(including businesses and corporations) to prioritize and accept contracts for
materials and services as necessary to promote the national defense.

Title III: Expansion of Productive Capacity and Supply, which allows the
President to incentivize the domestic industrial base to expand the production and
supply of critical materials and goods. Authorized incentives include loans, loan
guarantees, direct purchases and purchase commitments, and the authority to
procure and install equipment in private industrial facilities.

Title VII: General Provisions, which includes key definitions for the DPA and
several distinct authorities, including the authority to establish voluntary
agreements with private industry; the authority to block proposed or pending
foreign corporate mergers, acquisitions, or takeovers that threaten national
security; and the authority to employ persons of outstanding experience and
ability and to establish a volunteer pool of industry executives who could be
called to government service in the interest of the national defense.

Wäre nicht auch in Deutschland ein resoluteres Vorgehen des Staates gegenüber der Wirtschaft in einem wie derzeit auftretenden Notfall wünschenswert? Vorzugsweise wäre eine vorausschauende Planung mit strategischen Reserven ausreichend, so dass ein solches Instrument nicht angewendet werden müsste. Doch zeigt die gegenwärtige Lage, dass ein Bedürfnis an einer funktional-äquivalenten Regelung zum DPA als ultima ratio besteht, um das oben angesprochene Marktversagen in Krisensituationen aufzulösen. Diese Bedenken und ein Mangel an entsprechender Regelungen hatte nun jüngst auch der Bundesgesetzgeber erkannt, so wurde eine entsprechende Regelung in der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes im März 2020 aufgenommen. So schaffte der Gesetzgeber etwa die Feststellung der "Epidemischen Lage von nationaler Tragweite" durch den Bundestag nach § 5 Abs. 1 S.1 IfSG, an der sich die erweiterten Kompetenzen des Gesundheitsministeriums anschließen.

In § 5 Abs. 2 IfSG ist ein Katalog von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen aufgenommen worden, die in § 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG den hier angesprochenen Themenkreis regeln:

Das Bundesministerium für Gesundheit wird im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln einschließlich Betäubungsmitteln, der Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe dafür, mit Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln, sowie mit Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung und Produkten zur Desinfektion zu treffen und insbesondere

a)
Ausnahmen von den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Apothekengesetzes, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, des Transfusionsgesetzes sowie der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen, der medizinprodukterechtlichen Vorschriften und der die persönliche Schutzausrüstung betreffenden Vorschriften zum Arbeitsschutz, die die Herstellung, Kennzeichnung, Zulassung, klinische Prüfung, Anwendung, Verschreibung und Abgabe, Ein- und Ausfuhr, das Verbringen und die Haftung, sowie den Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz regeln, zuzulassen,
b)
die zuständigen Behörden zu ermächtigen, im Einzelfall Ausnahmen von den in Buchstabe a genannten Vorschriften zu gestatten, insbesondere Ausnahmen von den Vorschriften zur Herstellung, Kennzeichnung, Anwendung, Verschreibung und Abgabe, zur Ein- und Ausfuhr und zum Verbringen sowie zum Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz zuzulassen,
c)
Maßnahmen zum Bezug, zur Beschaffung, Bevorratung, Verteilung und Abgabe solcher Produkte durch den Bund zu treffen sowie Regelungen zu Melde- und Anzeigepflichten vorzusehen,
d)
Regelungen zur Sicherstellung und Verwendung der genannten Produkte sowie bei enteignender Wirkung Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen,
e)
ein Verbot, diese Produkte zu verkaufen, sich anderweitig zur Überlassung zu verpflichten oder bereits eingegangene Verpflichtungen zur Überlassung zu erfüllen sowie Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen,
f)
Regelungen zur Abgabe, Preisbildung, Erstattung sowie Vergütung vorzusehen,
g)
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Produktionsstätten oder einzelnen Betriebsstätten von Unternehmen, die solche Produkte produzieren sowie Regelungen über eine angemessene Entschädigung hierfür vorzusehen;

Bayern hatte sich in seinem eigenen Landesinfektionsschutzgesetz eben solche Befugnisse eingeräumt, so dass die Frage nach den Gesetzgebungskompetenzen aufkam. Das IfSG stützt sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, danach besteht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen“. Die Kompetenz umfasst Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung dieser Krankheiten. Es ist nunmehr umstritten, ob die Regelungen des § 5 Abs. 4 Nr. 2 IfSG eine Sperrwirkung zukommt. Die Wissenschaftlichen Dienste gehen von einer solchen hier aus: "Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. In dem Umfang, in dem der Bundesgesetzgeber tätig geworden ist, tritt eine Sperrwirkung für eine gesetzgeberische Tätigkeit der Länder ein. Landesrecht, das trotz Sperrwirkung erlassen wurde, ist nichtig. Dies gilt nicht nur, wenn das Landesrecht vom Bundesrecht abweicht, sondern auch dann, wenn es dem Bundesrecht entspricht. Voraussetzung der Sperrwirkung ist, dass der Bund eine erschöpfende und damit abschließende Regelung erlassen hat. [...] In Art. 2 Abs. 1 sieht das Bayerische Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit vor, medizinisches, pflegerisches oder sanitäres Material zu beschlagnahmen, soweit dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich ist. Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes enthält zudem die Möglichkeit zum Erlass eines Verkaufsverbots. Ähnliche Regelungen sieht [§ 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG] vor. " (Gutachten des WD 3 - 81/20, S. 3 ff.)

In Bayern sah man das aber anders: Da das IfSG von dieser Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht habe, durften die Regelungen des Bayerischen Infektionsschutzgesetzes auf dieser Grundlage erlassen werden.

Und in der Tat, der Bund hatte die neuen Regelungen mit der Novellierung des IfSG erst am 27. März 2020 beschlossen, während das Bayrische Infektionsschutzgesetz zwei Tage zuvor, am 25. März 2020 beschlossen wurde, als der Bund diesen Bereich noch nicht geregelt hatte. Doch was gilt nun? Das wird im Streitfall wohl noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen dürfen, in der Literatur wird zum Teil von einer generellen abschließenden Wirkung des IfSG ausgegangen, so dass den Ländern kein Raum zur Ausübung eigener Kompetenzen gelassen wäre. Es wäre aber zumindest denkbar auch von einer verbleibenden Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern auszugehen soweit der Bund die Materie im IfSG nicht selbst bereits abschließend geregelt hat. Dafür spricht jedenfalls die Existenz einer Verordnungsermächtigung der Länder in § 32 iVm § 28 Abs. 1 IfSG, denn die danach an die Länder übertragenen Befugnis "notwendige Schutzmaßnahmen" zu treffen ließen durchaus eine weite Auslegung zu, die nunmehr in § 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG konkret genannt werden.

Nachdem der Bund aber nun wieder die Materie geregelt hat, wäre eine Derogation denkbar, so dass das Landesgesetz an jener Stelle nicht mehr gilt und von der späteren Regelung des Bundes überlagert wird.

Doch zurück zum Blick auf die Durchgriffskompetenzen gegenüber der Wirtschaft im Allgemeinen, die Katastrophenschutzgesetze der Länder geben eine solche jedenfalls - soweit ersichtlich - bislang nicht her (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 19 Abs. 4 und 5 [Duldungspflicht für das Betreten und die Benutzung von Grundstücken und von Geräten und Einrichtungen] Landeskatastrophenschutzgesetz MV). Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Katastrophenfällen ist aber ebenso alles andere als eindeutig (vgl. Gutachten des WD 3 - 423/07, S. 11 ff.).

Die Anknüpfung im Infektionsschutzgesetz ist zwar für das gegenwärtige Szenario passend gewählt, aber bei anderen Szenarien ohne Bezug zum Infektionsschutz fehlen bislang solche weitgehenden Durchgriffsbefugnisse (etwa bei einer Umweltkatastrophe von nationaler Tragweite). Erweiterte Befugnisse sollten in einem solchen Falle dem jeweiligen Fachministerium zukommen, in deren Geschäftsbereich die erforderliche Maßnahmen fallen. Es wäre daher zu überlegen, ob man nicht besser ein abstrakteres und generischeres Notstandsrecht schafft, dass auch in anderen Eintrittsszenarien greifen würde.

UPDATE vom 16. April 2020: Gegenüber der ursprünglichen Fassung des Beitrags sind einige maßgebliche inhaltliche Erweiterungen und Korrekturen eingeflossen, insbesondere der  § 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG und Fragen zu den Gesetzgebungskompetenzen und einer möglichen Sperrwirkung. An der Grundaussage des Beitrags hat sich dadurch aber wenig verändert.

UPDATE 2 vom 20. Februar 2024: Dank mittlerweile verfügbarer KI-Tools, kam ich dazu einmal ein allgemeineres Notstandsrecht für das Grundgesetz zu entwickeln:

Artikel 53b - Notstandsrecht

(1) Wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet oder in einem Teil des Bundesgebietes durch Naturkatastrophen, Epidemien, Aufruhr, innere Unruhen oder einen Angriff von außen gefährdet oder gestört werden und die zuständigen Behörden der Länder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwehren, kann der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates oder der Gemeinsame Ausschuss den Notstand ausrufen.

(2) Im Falle des Notstandes kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates oder des Gemeinsamen Ausschusses die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treffen, insbesondere die Grundrechte gemäß Artikel 1 bis 19 des Grundgesetzes vorübergehend einschränken. Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und das Ziel haben, die Gefahr abzuwehren und die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen.

(3) Die Maßnahmen der Bundesregierung sind unverzüglich dem Bundestag und dem Bundesrat oder dem Gemeinsamen Ausschuss mitzuteilen. Der Bundestag und der Bundesrat sowie der Gemeinsame Ausschuss können jederzeit die Aufhebung des Notstandes verlangen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen.

(4) Der Notstand ist spätestens nach sechs Monaten außer Kraft zu setzen, es sei denn, der Bundestag beschließt mit Zustimmung des Bundesrates seine Verlängerung. Sollte der Bundestag oder Bundesrat aufgrund der Notlage nicht in der Lage sein zusammenzutreten, tritt an deren Stelle der Gemeinsame Ausschuss.

(5) Die Grundrechte dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden. Die Einschränkungen der Grundrechte sind sofort aufzuheben, sobald die Gefahr abgewendet ist.

(6) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

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