Die Corona-Krise stellt nicht nur Virologen, Mediziner und Ökonomen in diesen Tagen vor große Herausforderungen schnell belastbare Lösungen entwickeln zu müssen, auch Juristen werden gefordert angesichts die Grundrechte weit einschneidende Maßnahmen möglichst zeitnah tragfähige Antworten auf die gestellten Rechtsfragen zu finden. So entbrannte in diesen Tagen unter Rechtswissenschaftlern der Streit, ob als Ermächtigungsgrundlage die Generalklausel in § 28 Abs. 1 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) (iVm § 32 IfSG) mit ihrem Wortlaut ("so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist") ausreicht, um die auf ihrer Grundlage getroffenen Maßnahmen zu decken. Ebenso käme § 28 Abs. 1 S. 2 HS 2 IfSG als Grundlage in Betracht ("[die zuständige Behörde] kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind"). In diesem Beitrag wird die hierzu ergangene Diskussion einer kritischen Würdigung unterzogen. Selbstredend spielen Fragen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen noch eine gewichtige Rolle, die hier jedoch aus Platzgründen nicht behandelt werden und einem gesonderten Beitrag vorbehalten bleiben.
Einige Vertreter bezweifeln, dass die genannten Normen als Ermächtigungsgrundlage ausreichen (so etwa C. Bäcker, A. Kießling).
So führt etwa Anika Klafki in ihrem auch anderen als Grundlage dienenden Beitrag zur Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG aus:
Dieser Argumentation stehen jedoch gewichtige Einwände entgegen. Zunächst ist der Wortlaut der Norm zu nennen. "Notwendige Schutzmaßnahmen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, deren Verwendung im Verwaltungsrecht üblich ist. Die Formulierung ist zudem denkbar umfassend gewählt, so dass von ihr u.a. auch Kontakt-, Versammlungs- und Betretungsverbote erfasst sein können, sofern sie sich in der konkreten Situation als Schutzmaßnahmen auch eignen. Unter Virologen ist deren Eignung in der gegenwärtigen Situation wohl unstrittig gegeben, denn "Social Distancing" wird eine positive Wirkung auf den Verlauf der Ausbreitung der Viren zugeschrieben, wie aus entsprechenden Simulationen hervor geht. Demnach sei der Verlauf der Entwicklung für die Gesundheitssysteme ein Szenario anzustreben, in dem lediglich 1/5 bis 1/8 der Bevölkerung noch die freie Bewegung gestattet ist. Die Norm ist sich ebenso der weitreichenden Einschränkungen der Grundrechte der Betroffenen bewusst, wie aus § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG hervorgeht, welcher dieser Woche durch die Einschränkung der Freizügigkeit ergänzt wurde und Ausdruck des vom Grundgesetz geforderten Zitiergebots ist (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG). [Exkurs: Da in der Verordnungsermächtigung des § 32 S. 3 IfSG explizit auch die Freizügigkeit als eingeschränktes Recht genannt wurde, dürfte das vorherige Fehlen in § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG unschädlich gewesen sein, da es wohl für die Wahrung des Zitiergebots ausreichen dürfte, dass es jedenfalls in der verordnungsermächtigenden Norm genannt wurde. Denn damit kommt zum Ausdruck vom Gesetzgeber in dem Regelungszusammenhang auch gesehen und beachtet worden zu sein; es liegt daher nahe, dass es sich bei dem bisherigen Fehlen in § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG um ein Redaktionsversehen handelte, welches der Gesetzgeber nun korrigiert hat.].
Wie Klafki selbst mit Verweis auf die Intention des Gesetzgebers Bezug nimmt, sollten von der Norm ebenso Maßnahmen gegenüber Nichtstörern gedeckt sein. Vom Gesetzgeber nun aber zu verlangen alle erdenklichen Maßnahmen in die Gesetzesbegründung aufzunehmen, - das wäre die Konsequenz von Klafkis Argumentation - ist aber weder verfassungsrechtlich erforderlich, schließlich ist es dem Gesetzgeber schlicht unmöglich alle erdenklichen Szenarien im Gesetzgebungsverfahren vorab zu berücksichtigen, noch kann man aus deren Fehlen ohne weiteres schließen, dass jene Maßnahmen nicht ebenso von der Norm gedeckt sein sollten. Denn aus dem Schweigen des Gesetzgebers lässt sich ohne weitere Anhaltspunkte aus den Gesetzesmaterialien gerade nichts schließen. Es bestätigt sich vielmehr auch in diesem Falle, dass die Normen im Zweifel klüger sind als die vorausgegangenen Überlegungen des Gesetzgebers.
Auch aus der Gesetzessystematik ergeben sich keine Einwände. Zum einen ist bereits die Annahme zweifelhaft, dass es sich bei § 28 Abs. 1 S.1 IfSG zu § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG um zwei nebeneinander stehende Ermächtigungsgrundlagen handelt, die in einem Spezialitätsverhältnis stünden. Vorzugswürdig ist es vielmehr § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG lediglich als eine beispielhafte Konkretisierung von § 28 Abs. 1 S.1 IfSG zu verstehen. Gegen die Annahme eines Spezialiätsverhältnisses spricht zunächst der Wortlaut, der explizit auf § 28 Abs. 1 S.1 IfSG Bezug nimmt ("Unter den Voraussetzungen von Satz 1..."). Zudem sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche für eine rechtliche Unterscheidung zwischen Ausgangssperren und Ansammlungsverboten sprechen würden, denn einerseits greifen beide Maßnahmen gleich tief in verschiedene Grundrechte ein. Zudem sind die beiden Maßnahmen zugrunde liegenden sozialen Verhaltensweisen in gleicher Weise zur Verbreitung der Pandemie auch geeignet, so dass vorzugswürdig ist beide Maßnahmen auch juristisch gleich zu behandeln und im Sinne des § 28 Abs. 1 S.1 IfSG als "notwendige Maßnahmen" zu begreifen, deren Zulässigkeit von der jeweiligen die Gesundheit gefährdenden Situation abhängt.
Die Kritik der mangelnden Bestimmtheit wird regelmäßig gegenüber Generalklauseln erhoben, so auch bei der polizeilichen Generalklausel. Auch wenn immer wieder eigene Tatbestände für besonders einschneidende Maßnahmen im Polizeirecht geschaffen wurden, ist z.T. deren Notwendigkeit umstritten. Die Kritik greift hier jedenfalls nicht durch, da die von der Generalklausel gedeckten "notwendigen Schutzmaßnahmen" unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen - der Virologie und der Medizin - jedenfalls bestimmbar sind. Auch aus der Wesentlichkeitstheorie, nach der wesentliche Entscheidungen vom Parlament getroffen werden müssen und nicht an die Exekutive abgegeben werden dürfen, ergibt sich keine andere Bewertung, zumal § 28 Abs. 1 S.1 IfSG ein Parlamentsgesetz ist. In Krisensituationen muss im besonderen Maße die Flexibilität der Exekutiven gewahrt bleiben, um auf die vielen verschiedenen Szenarien auch adäquat reagieren zu können. Diese Flexibilität würde genommen, wenn man Spezialtatbestände für bestimmte Szenarien entwerfen würde, jede Krise aber andere Nuancen besitzt und sich nicht in ein juristisches Schema pressen lassen. Auch liefe dieser Ansatz Gefahr zu viele Szenarien unberücksichtigt zu lassen, bei der wiederum Rechtsunsicherheit über die Tauglichkeit der Generalklausel entstehen würde. Zudem wäre auch der Sinn und Zweck einer Generalklausel als Auffangtatbestand entwertet, wenn man nicht auch gewillt wäre sie anzuwenden. Dies würde wiederum mit der staatlichen Schutzpflicht das Leben der Bürger zu schützen kollidieren, welche unter dem Schlagwort "Schutz-durch-Eingriff" etwa im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen in der Staatsrechtlehre diskutiert wurde.
Es bleibt daher festzuhalten, dass entgegen der Annahme von Teilen der Literatur in der gegenwärtigen Situation sehr wohl § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine taugliche Ermächtigungsgrundlage darstellt, um weitreichende Maßnahmen (wie etwa die beschlossenen Versammlungs-, Kontakt- und Ausgangsverbote) zu beschließen.
Zu § 28 Abs. 1 S. 2 HS 2 IfSG äußert sich Klafki folgendermaßen:
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Der Autor war bis Januar 2020 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. deutsches und europäisches Verwaltungsrecht von Prof. Ulrich Stelkens an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer tätig. Er promoviert gegenwärtig zu einem staatsrechtlichen Thema unter Betreuung von Prof. Stelkens.
Einige Vertreter bezweifeln, dass die genannten Normen als Ermächtigungsgrundlage ausreichen (so etwa C. Bäcker, A. Kießling).
So führt etwa Anika Klafki in ihrem auch anderen als Grundlage dienenden Beitrag zur Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG aus:
Ausweislich der Gesetzesbegründung zur Vorgängervorschrift in § 34 BSeuchG (BT-Drs. 8/2468, S. 24) wollte der Gesetzgeber damit auch zu Maßnahmen gegenüber Nichtstörern ermächtigen. Aber umfasst die Generalklausel auch den Erlass allgemeiner Ausgangssperren? Durchforstet man die Gesetzesmaterialien des BSeuchG und des IfSG (s. insbes. BT-Drs. 3/1888, 8/2468, 14/2530), deutet nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der Generalklausel den Erlass von allgemeinen Ausgangssperren im Blick hatte. Als Beispiel für Maßnahmen gegen Nichtstörer wird dort lediglich der Erlass eines Verbots, Kranke aufzusuchen, genannt. Auch gesetzessystematisch wäre es seltsam, das Verbot von Ansammlungen spezialgesetzlich in § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG zu regeln, für die Ausgangssperre aber die Generalklausel genügen zu lassen. Schließlich spricht entscheidend gegen die Heranziehung der Generalklausel, dass die Verhängung einer Ausgangssperre sehr eingriffsintensiv ist. Es handelt sich um eine Freiheitsbeschränkung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 GG, für die es einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage bedarf. Der Verweis auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ wird dem nicht gerecht. Der Gesetzgeber muss hierfür eine spezialgesetzliche Befugnisnorm schaffen.
Dieser Argumentation stehen jedoch gewichtige Einwände entgegen. Zunächst ist der Wortlaut der Norm zu nennen. "Notwendige Schutzmaßnahmen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, deren Verwendung im Verwaltungsrecht üblich ist. Die Formulierung ist zudem denkbar umfassend gewählt, so dass von ihr u.a. auch Kontakt-, Versammlungs- und Betretungsverbote erfasst sein können, sofern sie sich in der konkreten Situation als Schutzmaßnahmen auch eignen. Unter Virologen ist deren Eignung in der gegenwärtigen Situation wohl unstrittig gegeben, denn "Social Distancing" wird eine positive Wirkung auf den Verlauf der Ausbreitung der Viren zugeschrieben, wie aus entsprechenden Simulationen hervor geht. Demnach sei der Verlauf der Entwicklung für die Gesundheitssysteme ein Szenario anzustreben, in dem lediglich 1/5 bis 1/8 der Bevölkerung noch die freie Bewegung gestattet ist. Die Norm ist sich ebenso der weitreichenden Einschränkungen der Grundrechte der Betroffenen bewusst, wie aus § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG hervorgeht, welcher dieser Woche durch die Einschränkung der Freizügigkeit ergänzt wurde und Ausdruck des vom Grundgesetz geforderten Zitiergebots ist (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG). [Exkurs: Da in der Verordnungsermächtigung des § 32 S. 3 IfSG explizit auch die Freizügigkeit als eingeschränktes Recht genannt wurde, dürfte das vorherige Fehlen in § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG unschädlich gewesen sein, da es wohl für die Wahrung des Zitiergebots ausreichen dürfte, dass es jedenfalls in der verordnungsermächtigenden Norm genannt wurde. Denn damit kommt zum Ausdruck vom Gesetzgeber in dem Regelungszusammenhang auch gesehen und beachtet worden zu sein; es liegt daher nahe, dass es sich bei dem bisherigen Fehlen in § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG um ein Redaktionsversehen handelte, welches der Gesetzgeber nun korrigiert hat.].
Wie Klafki selbst mit Verweis auf die Intention des Gesetzgebers Bezug nimmt, sollten von der Norm ebenso Maßnahmen gegenüber Nichtstörern gedeckt sein. Vom Gesetzgeber nun aber zu verlangen alle erdenklichen Maßnahmen in die Gesetzesbegründung aufzunehmen, - das wäre die Konsequenz von Klafkis Argumentation - ist aber weder verfassungsrechtlich erforderlich, schließlich ist es dem Gesetzgeber schlicht unmöglich alle erdenklichen Szenarien im Gesetzgebungsverfahren vorab zu berücksichtigen, noch kann man aus deren Fehlen ohne weiteres schließen, dass jene Maßnahmen nicht ebenso von der Norm gedeckt sein sollten. Denn aus dem Schweigen des Gesetzgebers lässt sich ohne weitere Anhaltspunkte aus den Gesetzesmaterialien gerade nichts schließen. Es bestätigt sich vielmehr auch in diesem Falle, dass die Normen im Zweifel klüger sind als die vorausgegangenen Überlegungen des Gesetzgebers.
Auch aus der Gesetzessystematik ergeben sich keine Einwände. Zum einen ist bereits die Annahme zweifelhaft, dass es sich bei § 28 Abs. 1 S.1 IfSG zu § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG um zwei nebeneinander stehende Ermächtigungsgrundlagen handelt, die in einem Spezialitätsverhältnis stünden. Vorzugswürdig ist es vielmehr § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG lediglich als eine beispielhafte Konkretisierung von § 28 Abs. 1 S.1 IfSG zu verstehen. Gegen die Annahme eines Spezialiätsverhältnisses spricht zunächst der Wortlaut, der explizit auf § 28 Abs. 1 S.1 IfSG Bezug nimmt ("Unter den Voraussetzungen von Satz 1..."). Zudem sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche für eine rechtliche Unterscheidung zwischen Ausgangssperren und Ansammlungsverboten sprechen würden, denn einerseits greifen beide Maßnahmen gleich tief in verschiedene Grundrechte ein. Zudem sind die beiden Maßnahmen zugrunde liegenden sozialen Verhaltensweisen in gleicher Weise zur Verbreitung der Pandemie auch geeignet, so dass vorzugswürdig ist beide Maßnahmen auch juristisch gleich zu behandeln und im Sinne des § 28 Abs. 1 S.1 IfSG als "notwendige Maßnahmen" zu begreifen, deren Zulässigkeit von der jeweiligen die Gesundheit gefährdenden Situation abhängt.
Die Kritik der mangelnden Bestimmtheit wird regelmäßig gegenüber Generalklauseln erhoben, so auch bei der polizeilichen Generalklausel. Auch wenn immer wieder eigene Tatbestände für besonders einschneidende Maßnahmen im Polizeirecht geschaffen wurden, ist z.T. deren Notwendigkeit umstritten. Die Kritik greift hier jedenfalls nicht durch, da die von der Generalklausel gedeckten "notwendigen Schutzmaßnahmen" unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen - der Virologie und der Medizin - jedenfalls bestimmbar sind. Auch aus der Wesentlichkeitstheorie, nach der wesentliche Entscheidungen vom Parlament getroffen werden müssen und nicht an die Exekutive abgegeben werden dürfen, ergibt sich keine andere Bewertung, zumal § 28 Abs. 1 S.1 IfSG ein Parlamentsgesetz ist. In Krisensituationen muss im besonderen Maße die Flexibilität der Exekutiven gewahrt bleiben, um auf die vielen verschiedenen Szenarien auch adäquat reagieren zu können. Diese Flexibilität würde genommen, wenn man Spezialtatbestände für bestimmte Szenarien entwerfen würde, jede Krise aber andere Nuancen besitzt und sich nicht in ein juristisches Schema pressen lassen. Auch liefe dieser Ansatz Gefahr zu viele Szenarien unberücksichtigt zu lassen, bei der wiederum Rechtsunsicherheit über die Tauglichkeit der Generalklausel entstehen würde. Zudem wäre auch der Sinn und Zweck einer Generalklausel als Auffangtatbestand entwertet, wenn man nicht auch gewillt wäre sie anzuwenden. Dies würde wiederum mit der staatlichen Schutzpflicht das Leben der Bürger zu schützen kollidieren, welche unter dem Schlagwort "Schutz-durch-Eingriff" etwa im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen in der Staatsrechtlehre diskutiert wurde.
Es bleibt daher festzuhalten, dass entgegen der Annahme von Teilen der Literatur in der gegenwärtigen Situation sehr wohl § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine taugliche Ermächtigungsgrundlage darstellt, um weitreichende Maßnahmen (wie etwa die beschlossenen Versammlungs-, Kontakt- und Ausgangsverbote) zu beschließen.
Zu § 28 Abs. 1 S. 2 HS 2 IfSG äußert sich Klafki folgendermaßen:
Man könnte weiter darüber nachdenken, die Verhängung einer Ausgangssperre auf § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG zu stützen. Diese Vorschrift ermächtigt zu Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit. Ansammlungen können danach verboten, Gemeinschaftseinrichtungen i.S.d. § 33 IfSG geschlossen werden. Interessant ist insbesondere der zweite Halbsatz des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG, wonach die Behörde „Personen verpflichten [kann], den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. Die Ausgangssperre ist eine Anordnung, das eigene zu Hause nicht zu verlassen. Allerdings betrifft die Vorschrift lediglich vorübergehende Fälle, wie etwa die Anordnung, ein Flugzeug oder ein Passagierschiff nicht zu verlassen, bis notwendige Vorkehrungen getroffen wurden, um ansteckungsverdächtige Personen zu isolieren. Darauf deutet schon die Formulierung „bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“ hin. Eine allgemeine Ausgangssperre geht über eine solche vorübergehende Maßnahme, um andere Vorkehrungen treffen zu können, weit hinaus. Auch § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 IfSG ist mithin keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Anordnung einer allgemeinen Ausgangssperre.Wie bereits ausgeführt, ist § 28 Abs. 1 S. 2 HS 2 IfSG kein gesonderter Spezialtatbestand, sondern lediglich ein Ausfluss der Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG. Zudem hat der Bundestag diese Woche beschlossen den Halbsatz "bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind" zu streichen - wohl um Klarheit zu schaffen und Missverständnisse auszuschließen. Das Beispiel belegt zudem gut, wie gut es ist einen Auffangtatbestand und wie schädlich es sein kann ein Parlamentsgesetz zu haben, welches an einem zu engen Eintrittsszenario entlang konstruiert wurde. Denn wäre die Pandemie weiter fortgeschritten und eine Änderung durch das Parlament nicht länger möglich gewesen, hätte man womöglich die Rechtssicherheit der getroffenen Maßnahmen und mithin die Handlungsfähigkeit des Staates aufs Spiel gesetzt.
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Der Autor war bis Januar 2020 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insb. deutsches und europäisches Verwaltungsrecht von Prof. Ulrich Stelkens an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer tätig. Er promoviert gegenwärtig zu einem staatsrechtlichen Thema unter Betreuung von Prof. Stelkens.