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Kampf um freundlicheres Urheberrecht verloren

Die letzte Schlacht ist geschlagen, und es ist leider nicht zu gunsten eines bildungs- und wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts entschieden worden.

Trotzdem an dieser Stelle noch einmal der an die zuständigen Bundestagsabgeordneten geschickte Appell unmittelbar vor der Abstimmung:

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags,


am 5. Juli soll in 2. und 3. Lesung die neuerliche Anpassung des Urheberrechtsgesetzes beraten und verabschiedet werden. Soweit mir die Gesetzesvorlage bekannt geworden ist, ist für mich offensichtlich, dass mit diesem Gesetz die Bundesregierung ihr selbst erklärtes Ziel, nämlich ein „bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht“ zu schaffen, vollständig verfehlt hat und dass offensichtlich auch der Bundestag bislang sich nicht in der Lage gesehen hat, diese für Bildung und Wissenschaft fatale Entwicklung zu korrigieren


Ich möchte daher sozusagen in letzter Minute an Sie appellieren, nicht einem Gesetz Ihre Zustimmung zu geben, das den Bedürfnissen und dem aktuellen Informationsverhalten von Wissenschaftlern, (Hochschul-)Lehrern, Studierenden und Schülern nicht gerecht wird. Mir scheint, dass die politische Dimension, Rahmenbedingungen für eine Informationsgesellschaft zu schaffen, die auch und vor allem bezüglich Bildung und Wissenschaft diesen Namen verdient und die diese in die Lage versetzt, kreativ und auch international kompetitiv zu agieren, weitgehend ausgeklammert blieb.


Es ist jetzt nicht mehr an der Zeit, auf die konkreten Defizite der Gesetzesnovelle - vor allem bezüglich der §§ 31, 52b, 53a, aber auch noch die §§ aus der vorigen Reformen 52a und 95b - einzugehen. Besonders erwähnt werden sollte jedoch die aus unserer Sicht verhängnisvolle Weigerung, auf den Vorschlag des Bundesrates einzugehen, der durch eine Änderung des § 38 UrhG Wissenschaftlern den notwendigen Freiraum geben wollte, die von der EU und allen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland geforderten und geförderten Open-Access-Publikationsformen umfassend zu nutzen.


Da das Paket des Zweiten Korbes jetzt vermutlich nicht mehr mit einzelnen Änderungen aufgeschnürt werden kann, bitte ich zu überlegen, ob diese Vorlage nicht ganz zurückgenommen werden kann. Deutschland hat mit dem Ersten Korb in ausreichender Weise auf die Vorgaben aus der EU reagiert. Es kann nicht sein, dass digitale Bildungs- und Wissenschaftsinhalte in gleicher Weise behandelt werden wie Inhalte der Unterhaltungsindustrie.


Selbst wenn dieser Zweite Korb nun doch den Bundestag passieren sollte, ist es erforderlich, dass Parlament und Bundesregierung einen neuen Anlauf machen, um eine Regulierung für den Umgang mit Wissen und Information zu erreichen, die den Potenzialen der Informationsgesellschaft gerecht werden kann. Bitte ebnen Sie daher den Weg zu einem schon jetzt so genannten Dritten Korb, bei dem die jetzigen Schäden für Bildung und Wissenschaft repariert und die jetzt ausgeklammerten Probleme behandelt werden.


Als Jurastudent bin ich auf den möglichst schnellen Zugang zu einer Vielzahl an juristischer Fachliteratur angewiesen. Als an der Universität Freiburg i. Br. kurzzeitig die Verlage mutwillig den Online-Zugang zu den Datenbanken sperren ließen, war ich einer der studentischen Initiatoren des Protestes, der letztlich dazu führte, dass jene Datenbanken wieder zugänglich gemacht wurden.



Deutschland braucht ein Urheberrecht welches fit für das 21. Jahrhundert ist. Ich befürchte allerdings, dass die Universitätsbibliotheken aufgrund der Urheberrechtsbestimmungen an Maßnahmen des Analogzeitalters gefesselt bleiben. Bitte sorgen Sie dafür, dass das Urheberrecht bildungs- und wissenschaftsfreundlich bleibt.

Mehr zum Thema findet sich auf heise online.

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