Die Landesregierung bekommt auch Tage nach dem Vorfall am Richard-Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten die Lage einfach nicht unter Kontrolle. Sie befeuert mit ihrem dilettantischen Krisenmanagement vielmehr die Kritik an den Zuständen im Land weiter. Und dass trotz aller verzweifelten Versuche den Vorfall kleinzureden und über staatsaffine Medien (NDR, ähnlich auch die SVZ) oder Berufsverbände (GEW) kritische Stimmen als Teil einer "öffentlichen Hetzkampagne" zu diskreditieren. Allein die Art und Weise die Kritik vor den Europa- und Kommunalwahlen im Keim ersticken zu wollen, lässt bereits am Demokratieverständnis zweifeln, welcher vom Diskurs lebt. Dieser ist ganz offensichtlich in Mecklenburg-Vorpommerns Amtsstuben und Medienhäusern bei dem Thema unerwünscht. Stammleser des Blogs, die meine Reihe Amtsschimmel kennen, dürften von diesen Zuständen in Mecklenburg-Vorpommern nicht länger überrascht sein. Zur Versachlichung der Debatte trugen jedenfalls bislang weder die Landesregierung noch die staatsaffinen Medien bei.
In diesem Beitrag würdige ich einmal konkret die Beiträge von NDR und GEW. Es fällt nicht schwer diese als das, was sie sind, zu entlarven: höchst defizitär.
Meine Kritik liegt darin begründet, dass sowohl der NDR als auch die GEW in ihren Statements den Vorfall einseitig aus Sicht der Behörden darstellen und die Perspektive der Schülerin und ihrer Unterstützer weitgehend auslassen. In dem NDR-Beitrag werden zwar die Vorwürfe der AfD erwähnt, aber nicht näher beleuchtet, ob an ihnen etwas dran sein könnte. Stattdessen liest sich der Beitrag stellenweise wie eine Verteidigungsschrift für das Vorgehen von Schule und Polizei.
Selbst wenn die AfD den Fall möglicherweise für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert, wäre eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Vorgehen der Behörden angebracht gewesen. Immerhin wurde eine Schülerin wegen mehrerer Social-Media-Posts mit Polizeibeamten konfrontiert. Hier stellen sich Fragen des pädagogischen Gespürs und der Verhältnismäßigkeit, gerade weil vorab eine Prüfung erbrachte, dass kein Anfangsverdacht für eine Straftat vorlag.
Der Beitrag lässt eine tiefergehende Diskussion vermissen, wo die Grenzen für ein Einschreiten der Polizei bei möglicherweise problematischen Äußerungen liegen. Ebenso fehlt eine Thematisierung, ob Schulen wirklich schon bei vagen Verdachtsmomenten die Polizei einschalten sollten. Hier wäre eine Abwägung mit mehreren Grundrechten der Schüler nötig.
Auch die unkritische Wiedergabe der Aussagen des Innenministers ist zu bemängeln. Dessen Satz "Wenn die Polizei gerufen wird, kommt sie" zeugt nicht gerade von Problembewusstsein. Dass die CDU hier eine parlamentarische Aufarbeitung fordert, wird nur am Rande erwähnt. Insgesamt entsteht so der Eindruck eines eher einseitigen, unkritischen Beitrags, der amtliches Handeln nicht ausreichend hinterfragt. Eine ausgewogenere Darstellung, die auch die berechtigten Fragen zu dem Vorfall stärker thematisiert, wäre aus Sicht eines unvoreingenommenen Bürgers wünschenswert gewesen. Somit verkommt diese derart einseitig aufgeladene Berichterstattung aber zu einem Negativbeispiel dessen, was unabhängiger Journalismus gerade nicht sein sollte, denn sie erweist sich als staatshörig und unkritisch.
Auch an dem Statement der GEW gibt es einiges zu kritisieren. Die GEW stellt sich einseitig und vorbehaltlos hinter den Schulleiter, ohne das konkrete Vorgehen im Fall differenziert zu hinterfragen. Dass bei vagen Verdachtsmomenten sofort die Polizei eingeschaltet wird, ist aus Sicht des Bürgers diskussionswürdig. Hier wären Fragen der Verhältnismäßigkeit und der Persönlichkeitsrechte der Schülerin zumindest zu thematisieren gewesen, die auch die GEW nicht zu interessieren scheinen.
Die pauschale Verurteilung jeglicher Kritik am Vorgehen des Schulleiters als "von rechts orchestrierte Kampagne" zeugt von mangelnder Differenzierung. Auch wenn die AfD den Fall für sich zu nutzen versucht, kann es dennoch berechtigte Fragen zu dem Vorfall geben. Die Kritik an dem Vorgehen hat auch nicht nur in extremen Kreisen sondern in breiten Schichten der Bevölkerung Kritik hervorgerufen. Diese reflexhaft als "Hetzkampagne" abzutun, wird der Komplexität der Sache nicht gerecht und diskreditiert pauschal auf unsachliche Art und Weise sämtliche Kritiker.
Bedenklich erscheint aus Sicht des Bürgers auch die implizite Forderung nach einem Eingreifen der Bildungsministerin zugunsten des Schulleiters. Damit maßt sich die Gewerkschaft eine Deutungshoheit über den Fall an und setzt die Ministerin unter Druck. Eine unabhängige Untersuchung und Bewertung des Vorfalls, wie von der CDU gefordert, wäre hier der bessere Weg.
Richtig ist sicher, dass Lehrkräfte sich nicht einschüchtern lassen dürfen und weiter klar gegen Extremismus Position beziehen müssen. Dies war aber in diesem Fall gerade nicht angezeigt, vielmehr handelte es sich bei den Fall in Ribnitz-Damgarten allein um "Schein"-Extremismus, diskussionswürdig ist damit gerade das fehlende Gespür der Staatsbediensteten angemessen - und nicht überschießend - damit umzugehen.
Ebenso unstrittig ist, dass die Sicherheit aller Beteiligten gewahrt bleiben muss. Ob dafür aber wirklich "alle Verfahrensabläufe" auf den Prüfstand müssen, erscheint fraglich. Was soll das auch konkret heißen? Will man bei der GEW etwa amerikanische Zustände an Schulen haben beziehungsweise jenen vorbeugen? Entscheidend wäre vielmehr eine sorgfältige Einzelfallprüfung. Insgesamt liest sich das GEW-Statement wie eine einseitige Solidaritätsadresse an den Schulleiter, die wenig zur Versachlichung und Aufklärung des konkreten Falls beiträgt. Eine differenziertere Stellungnahme, die auch die berechtigten Fragen zu dem Vorfall nicht ausblendet, wäre aus Sicht einer Lehrergewerkschaft angebracht gewesen.
In der Sache selbst gab es auch einige neue Entwicklungen, zum einen wären Solidaritätsbekundungen für die Schülerin zu erwähnen, welche erneut die Polizei an die Schule führten. Weitere neue Details zu den Screenshots der Social-Media-Aktivitäten der Schülerin, welche den Polizeieinsatz auslösten, fasst der Journalist Boris von Morgenstern im verlinkten Video zusammen.
Meine heutige Nachfrage bei der Polizei, wie es mit der Beantwortung meines Fragenkatalogs weiter ginge, wurde damit beantwortet, dass das Landesinnenministerium sich dem angenommen hätte und demnächst eine Entscheidung treffen wird. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht behalte ich mir jedenfalls vor, da das Verwaltungsgericht Berlin 2017 auch Bürgerjournalisten - wie mir - unter bestimmten Bedingungen einen aus Art. 5 GG hergeleiteten Auskunfsanspruch zusprach.