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Amtsschimmel - Folge 2: Staatsanwaltschaft Schwerin und Generalstaatsanwaltschaft Rostock

Herabwürdigende und ehrverletztenden Äußerungen gehören leider zum juristischen Alltag. Jüngst durfte ich mir von der Stadt Parchim eine solche anhören (Spoiler: Die Stadt Parchim ist für eine künftige Folge bereits fest eingeplant.). Womöglich, weil deren Rechtsvertreter durch eine breitbeinige Provokation seinen Mangel an juristischen Argumenten überspielen wollte - ansonsten könnte man sich mit meinem Vortrag ja auch sachlich auseinandersetzen. 

Nun bedeutet die weite Verbreitung hearbwürdigender Äußerungen nicht auch, dass man sich mit allen von ihnen abfinden müsste. Die Staatsanwaltschaft ist hierbei die wichtigste berufene Institution, um solcherlei Verstöße einer Ahndung zuzuführen. So sähe es zumindest in einem funktionierendem Rechtsstaat aus.

Was war geschehen? Mit der Stadt Parchim streite ich mich in einem noch andauerndem Verwaltungsverfahren. In dem Verfahren vertrete ich mich selbst, da ich als Verwaltungsrechtsexperte hierfür hinreichend qualifiziert bin. Der Rechtsvertreter der Stadt Parchim, Detlev Hestermann, meinte aber, dem jungen Kollegen in einem Schriftsatz vom 3.1.23 noch vor seinem Ruhestand "etwas mitgeben" zu müssen: “Die Ankündigung des Klägers, den Rechtsstreit durch den Instanzenweg zu treiben [...] ist Anlass für ein Zitat aus dem (juristischen) Volksmund: Ein Jurist, der sich selbst vertritt, ist schlecht vertreten und hat einen Narren zum Mandanten (Zitatende).”

Eine solche "Ankündigung" meinerseits gab es natürlich nicht. Und selbst wenn man eine solche im vorherigen Schriftverkehr erblicken wollte, steht weder dem Rechtsvertreter der Stadt Parchim ein Urteil darüber zu, noch gibt es ihm das Recht mich deswegen als Narr zu verunglimpfen - nach Definition des Dudens eine "törichte männliche Person, die sich in lächerlicher Weise täuschen, irreführen lässt". Aus der Zusammenschau des Schriftverkehrs ergibt sich, dass der Verfahrensbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass fungierte, um mich zu diffamieren und mit ihr meine juristische Expertise vor den Augen des Gerichtes herabzuwürdigen das eigentliche Ziel war. Herr Hestermann hat sich dabei die Bedeutung eines Schimpfwortes zu Eigen gemacht, welches allein der Abwertung meiner Person diente und damit eine Formalbeleidigung darstellt. Die Verwendung von Formalbeleidigungen ist bei dem "Kampf ums Recht" zur Verteidigung von Rechten aber nicht statthaft (z.B. OLG Stuttgart NJW 1963, 119, 120; vgl. auch Praml, NJW 1976, 1967, 169 f.) und deshalb auch nicht im Sinne des § 193 StGB zur Verteidigung berechtigter Interessen zulässig (im Hinblick auf Rechtsanwälte ebenso Werner, https://www.rechtsanwaltskammer-hamm.de/aktuell/kammerreport/4740-heft-05-2014.html). 

Eine hierauf erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde blieb ohne Erfolg, die für die Stadt Parchim handelnde Corinna Skowronski billigt anscheinend ein solches Verhalten (aus ihrer E-Mail vom 15.2.23): "[...] Ihre Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Hestermann wurde einer sachlichen Prüfung unterzogen. Im Rahmen der Prüfung konnte kein Fehlverhalten des Beschäftigten festgestellt werden. [...]"

Von einer den einschlägigen Rechtsnorm genügenden "sachlichen Prüfung" kann aufgrund des erläuterten rechtlichen Hintergrunds keine Rede sein! Dass die Stadt Parchim es für völlig in Ordnung hält, wenn Bedienstete gegenüber Bürgern in Gerichtsverfahren herabwürdigende Äußerungen von sich geben, halte ich für skandalös - die gegebenen Antwort stellte mich nachvollziehbarerweise nicht zufrieden. Ich erhob konsequenterweise am gleichen Tag Strafanzeige nach § 185 StGB

Bei der Beleidigung nach § 185 StGB handelt es sich um ein Privatklagedelikt (§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO). Damit die Staatsanwaltschaft das Anliegen weiter verfolgt, muss ein öffentliches Interesse vorliegen. Und eine Verweisung auf den Privatklageweg ist regelmäßig die Beerdigung der Sache, weil kaum jemand das damit einhergehende Kostenrisiko aus eigener Tasche trägt. Die Staatsanwaltschaft Schwerin kam durch Staatsanwältin Schult mit Schreiben vom 24.3.23 (Az: 111 Js 8442/23) jedoch zu dem Ergebnis, dass kein öffentliches Interesse im Sinne des § 376 StPO gegeben sei, dem sich die Generalstaatsanwaltschaft Rostock nunmehr mit Schreiben vom 14.6.23 durch Frau Staatsanwältin Schaumann anschloss (Az: 2 Zs 264/23).

Doch die Staatsanwältinnen sind nicht gänzlich frei in ihrer Interpretation, ob ein öffentliches Interesse gegeben ist. Sie haben sich hierzu an die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) zu halten, deren 86 Abs. 2 folgendes hierzu ausführt: "Ein öffentliches Interesse wird in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzen hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat, der rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründe des Täters oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben. Ist der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus nicht gestört worden, so kann ein öffentliches Interesse auch dann vorliegen, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, die Privatklage zu erheben, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist."

Ich kann anhand dieser Ausführungen jedenfalls nur den Kopf vor Unverständnis schütteln, wie willkürlich die zuständigen Staatsanwältinnen jene Vorschrift angewendet haben. 

Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wurde abgelehnt, obwohl der Rechtsvertreter der Stadt Parchim aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung eine hervorgehobene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in Parchim ist, welcher durch seine Äußerungen auch das Ansehen und die staatliche Autorität der Stadt Parchim untergraben hat. Der gebrochene Rechtsfrieden ging auch über den Lebenskreis des Verletzten hinaus. Die angezeigte Äußerung war Teil eines gerichtlichen Schriftsatzes, in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, dass mittlerweile nicht nur zwei damit befasste Kammern des Verwaltungsgerichts Schwerin, sondern mittlerweile zudem u.a. den Landesdatenschutzbeauftragten (Az: 4.0.8.000/152/20023-06127) als auch dem Arbeitsgericht Schwerin (Az: 5 Ca 491/23) vorgelegt werden musste, weil jener Schriftsatz auch noch andere Rechtsverletzungen offenbarte, die ich verfolge. Damit gehören die genannten öffentlichen Stellen nebst Angestellten zur Öffentlichkeit, die den tatgegenständlichen Schriftsatz wahrgenommen haben und vor dem meine Ehre in den Schmutz gezogen wurde.

Durch das Führen des Verwaltungsverfahrens mit der Stadt Parchim ist an der Unparteilichkeit und der sachlichen Distanz zu zweifeln, weshalb mir auch das zum Privatklageweg gehörende Sühneverfahren nicht zuzumuten wäre, weil die Stadt Parchim in Person ihres Rechtsvertreters die für das Sühneverfahren zuständige Stelle ist. Es wäre noch grotesker, wäre Herr Hestermann auch noch im Amt, dann hätte in dem Sühneverfahren die gleiche Person präsidiert, gegen die sich das Verfahren richtet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu diesem Punkt verkannt, dass aufgrund des Renteneintritts im April 2023 nunmehr Herr Hestermann nicht länger für die Stadt Parchim auftritt. Das war aber zum Tatzeitpunkt, zum Zeitpunkt meiner Anzeige und der eingelegten Beschwerde noch anders und ändert auch nichts an der potenziellen Voreingenommenheit durch die mit der Stadt Parchim weiter geführten Verwaltungsrechtsstreitigkeit.

Der respektvolle Umgang vor Gericht ist ebenso für die Allgemeinheit von Bedeutung, weil ansonsten eine weitere Ausuferung schlechter Umgangsformen droht, welche der Rechtsfindung abträglich sind.

Wehedem jedoch, man bezeichnet eine Staatsanwältin als "durchgeknallt" - dann wird natürlich alles schnell ganz anders gesehen, der betroffene Kollege aus Berlin bekam immerhin noch Schützenhilfe durch das Bundesverfassungsgericht und damit seinen Kopf wieder aus der Schlinge (Az: 1 BvR 2272/04). Soviel zur "Gleichheit vor dem Gesetz". Den an meinem Fall beteiligten Staatsanwältinnen sei ein Blick in jene Entscheidung empfohlen, denn das Verfassungsgericht hatte hier auch seinen Maßstab für den Ehrschutz erläutert, der in meinem Fall für einen Überwiegen des Ehrschutzes spricht.

Mein Fazit: Es drängt sich bei mir der Schluss auf, dass die berufenen Staatsanwaltschaften den Ehrschutz nicht den angemessenen Wert beigemessen haben, den er verdient hat. Der Verfolgungseifer lahmt zudem ganz offensichtlich, wenn der mutmaßliche Täter aus den Reihen der Staatsbediensteten selbst kommt und es sich bei den Betroffenen um einen einfachen Bürger handelt. So kann man auch das Vertrauen in den Rechtsstaat erfolgreich untergraben, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

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