Es ist nicht das erste Mal, dass Friedrich Merz die Mitglieder der CDU elektrisierte wie kein zweiter und sich viele ihn als neuen Parteivorsitzenden gewünscht hätten. Doch die Delegierten haben sich jeweils mehrheitlich für einen anderen Kandidaten als neuen CDU-Vorsitzenden entschlossen, der dem Wunsch von Kanzlerin Angela Merkel entsprach. Doch damit ist die Partei bereits einmal gescheitert, nun hat die CDU erneut mit Armin Laschet den von "Mutti" gewünschten Weg der Kontinuität bestätigt. Merz verlor zum zweiten Mal. Ob er für einem dritten Anlauf noch zur Verfügung stünde, dürfte zu bezweifeln sein, nach zwei Niederlagen in Folge dürfte er so stark politisch beschädigt sein, dass eine dritte Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz nicht in Betracht kommt. Aber das hängt wohl auch maßgeblich von künftigen Ereignissen ab, insbesondere den Wahlergebnissen in diesem Jahr.
Friedrich Merz war auch mein Wunschkandidat. Für mich ist damit der Zeitpunkt erreicht einen klaren Schnitt zu ziehen. Seit der unkontrollierten Zuwanderung im Jahr 2015/2016 hadere ich mit dem Kurs der CDU, die mir seit meiner Jugendzeit bis gestern eine politische Heimat bot. Doch auch wenn ich der Merkel-Ära einige positive Entwicklungen abgewinnen kann, wurde mir bei den Koalitionsverhandlungen 2017 deutlich, dass die Kanzlerin - um den eigenen Machterhalt zu sichern - bereit war zu 70 Prozent ein SPD-Programm umzusetzen. Das ist keine bloße Behauptung, sondern eine Tatsache. Forscher fanden dies durch eine Analyse der Textpassagen der Parteiprogramme und des Koalitionssvertrags mit Hilfe einer KI heraus.
Genug ist genug! Dafür habe ich mich jedenfalls im Wahlkampf nicht eingesetzt - auch nicht für ein Weiterregieren um jeden Preis. Es war mein Erweckungserlebnis, dass mit der Union etwas grundlegend nicht stimmte. Dass die Kanzlerin sich vorwiegend mit Getreuen umgab, sei es im CDU-Präsidium oder im Kabinett (ein Bekannter prägte für jene den Begriff "Hofschranzen"); dass sie aus taktischen Gründen bereit war dem Koalitionspartner weit entgegen zu kommen und sich dafür auch nicht scheute den Markenkern der Partei auszuhöhlen. Und wer nicht auf Linie lag, wurde - wie etwa die Werteunion - weggebissen oder auf Linie getrimmt - so schaffte sie es die CSU unter Markus Söder so sehr zu zähmen wie wohl kein CDU-Vorsitzender bzw. CDU-Kanzler vor ihr.
Unliebsame Debatten über Kurskorrekturen wurden ebenso ignoriert, dabei wäre es an der Zeit die Zeichen der Zeit zu erkennen und die gescheiterte Energiewende lieber heute als morgen durch ein Programm abzulösen, welches auf moderne Kerntechnik setzt und mithin ohne Gesellschaftsexperimente die angestrebten Ziele erreicht. Hier in die falsche Richtung zu marschieren kreide ich der Kanzlerin - noch dazu, weil sie als ausgebildete Physikerin es besser wissen müsste - als einen der gravierendsten Fehler ihrer Kanzlerschaft an.
Nun steht die Union am Ende ihrer Ära inhaltlich völlig entkernt da, das ist die Kehrseite einer Fixierung allein auf Angela Merkel. Armin Laschet wird diese Lücke nicht ausfüllen können, dazu fehlt ihm eine über die Grenzen von NRW hinaus reichende Strahlkraft - etwas, das Merz mitbrachte. Treffende Fragen stellte in seinem Kommentar der Journalist Alexander Kissler: "Würden die Mitglieder der Jungen Union, der MIT und der östlichen Landesverbände mit Begeisterung Plakate kleben, wenn es im Herbst bundesweit heissen könnte, «Laschet kommt»? Kann Laschet die programmatischen Lücken einer zeitgeistig gewendeten CDU schliessen? Hat er ein Angebot für die Konservativen, die er in seiner Bewerbungsrede mit Nichtbeachtung strafte, im Köcher?" Meine Antwort dazu gebe ich am Ende des Beitrags.
Von der viel beschworenen Einbindung von Merz und seinen liberal-konservativen Unterstützern blieb bereits nach der Wahl von Annegret Kamp-Karrenbauer 2018 nur ein Lippenbekenntnis ohne echte Veränderung übrig. Von Paul Ziemiak habe ich keinerlei kritische Töne zum Regierungskurs öffentlich mehr vernommen, seitdem er als Generalsekretär in das "Team Merkel" aufgenommen wurde. Dass man jetzt seine organisatorischen Leistungen zur Durchführung des ersten digitalen Parteitags betont, darf nicht über die Misere hinwegtäuschen, die auch er persönlich zum gescheiterten Europawahlkampf 2019 und in der Krise nach der Wahl von Kemmerich als Thüringer Ministerpräsident 2020 zu verantworten hatte und die Union öffentlich schwer beschädigten. Er war das Gesicht der Planlosigkeit, erst von einer Kampagne von Youtubern entzaubert zu werden und auch in Thüringen nicht wusste, wie man mit dem eingetretenen Ergebnis adäquat umgehen sollte. Er schaffte es nicht mit den anderen beteiligten Größen eine wirksame Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die dem Narrativ von Rot-Rot-Grün etwas eigenes entgegen setzte. Diese Fehlleistungen wiegen in meinen Augen schwerer als nun den "alten Hasen" zu zeigen, wie man einen digitalen Parteitag aufzieht - dieses Internet ist eben schon länger - entgegen eines Bonmots der Kanzlerin - kein "Neuland" mehr.
Die Abfuhr der Kanzlerin auf den Wunsch von Merz als Wirtschaftsminister in das Kabinett eintreten zu wollen, kam jedenfalls noch am gleichen Tag. Merz wollte mit diesem Schritt Angela Merkel entlarven, die kein Interesse daran hat ihn einzubinden. Nun hat sie mit ihrer Absage Laschet beschädigt, der nur mit einem Bekenntnis zur Einbindung von Merz dasteht, ohne ihm auch ein adäquates Angebot zu offerieren. Merz ist damit jedenfalls aus dem Schneider, er hat seine Bereitschaft signalisiert mitzuarbeiten und nährt das Narrativ, dass man ihn einfach nicht lässt. Und dass er mit einem wenig einflussreichen Posten, wie etwa dem angebotenen Platz im CDU-Präsidium, nicht zufrieden ist, ist in meinen Augen nachvollziehbar. Weder könnte er dort maßgeblich Politik gestalten, noch seine Kompetenzen ausspielen - dazu bedarf es schon ein Mehr an Macht und Einfluss. Statt ihm dieses Streben als Selbstherrlichkeit und Machtbesessenheit vorzuwerfen, sollte man ihn sich in Verantwortung bewähren lassen. Doch daran haben die "Merkelianer" kein Interesse, würde das doch seine Position im Falle der Bewährung nur weiter festigen. Ihnen wäre am Liebsten Merz würde wieder in der Versenkung verschwinden. Mit diesem Denken ignorieren sie aber die anderen 50% der Partei, die sich genau das Gegenteil wünschen. Wenn man Merz gar nicht erst liefern lässt, liegt es meines Erachtens nicht an ihm sich nicht in einem Amt bewähren zu können. Damit fällt aber auch jenes Argument der Merkelianer gegen ihn in sich zusammen, sind sie es doch selbst, die ihn verhindern solche Erfahrungen zu sammeln.
Die Bundestagswahl 2021 - sofern sie überhaupt stattfindet - ist der große Lackmustest, ob die Partei sich mit der Wahl von Armin Laschet einen Gefallen getan hat. Meine Unterstützung erhält er und die CDU jedenfalls nicht mehr, schon allein, um den Delegierten zu zeigen, dass ihre Wahl Konsequenzen hat. Und damit stehe ich nicht allein.