Direkt zum Hauptbereich

Offener Brief an das Bundesumweltministerium: Faktencheck Atomkraft

Sehr geehrte Frau Bundesumweltministerin,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich fordere Sie auf, umgehend ihren sogenannten "Faktencheck" zur Atomkraft [1] grundlegend zu überarbeiten oder vom Netz zu nehmen, da er in gegenwärtiger Form Fehlinformationen und Behauptungen enthält, die dem Anliegen, zu einer seriösen Debatte über die Kernenergie beizutragen, geradezu abträglich sind.

Wenn Sie sich an die Daten des IPCC-Reports halten würden, sind die Medianwerte der erzeugten Emissionen bei der Atomkraft mit 12 g CO2/kWh in der gleichen Region wie die beste Energieerzeugungsform in deren Darstellung, der Windkraft (11 bzw. 12 g CO2/kWh). Ihre Behauptung, "Atomkraft verursacht deutlich weniger CO2-Emissionen als Kohlekraftwerke, aber mehr als die erneuerbaren Energien" ist damit in der Absolutheit im zweiten Halbsatz objektiv falsch, da von den regenerativen Energien allein die On-Shore-Windkraft minimal besser abschneidet. Die nachfolgende Behauptung "wer auf Atomkraft setzt, blockiert in erster Linie den notwendigen Wandel zu einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung", ist im Übrigen mehr Ausdruck ihrer fehlgeleiteten ideologischen Sicht auf diese Energietechnik als Ausdruck einer auf Fakten basierenden nüchternen Analyse. Zum Glück für das Weltklima ist in Europa und auf der Welt die Sicht ihres Hauses nicht mehrheitsfähig.

Ich bin enttäuscht, dass Sie hier erkennbar ihre jüngst auch vom Bundesrechnungshof als ineffektiv bezeichnete Strategie politisch verteidigen wollen und auch vor einer Verunglimpfung eines Energiezweiges nicht zurück schrecken, der laut IPCC deutlich ausgebaut werden müsste, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Warnungen der Ökonomen Prof. Hans-Werner Sinn [2] und anderer Wissenschaftler [3], dass Deutschland auf die falsche Strategie setzt, ignorieren Sie seit Jahren stoisch, anstatt endlich die richtigen Konsequenzen zu ziehen und diesen ineffektiven Irrsinn an vergeudeten Ressourcen schnellstmöglich zu beenden. Dieses Geld wäre besser in moderne Atomtechnologien investiert, etwa modularen Flüssigsalzreaktoren mit Thorium als Brennstoff.

Die euphemistisch als "Energiewende" bezeichnete Strategie macht uns im Ergebnis nur weiter abhängig von nicht in der benötigten Größenordnung verfügbaren Energiespeichern, russischem Gas und schmutziger Kohlekraft. Das hat also mit Umweltschutz und zweckmäßiger Klimapolitik nicht viel zu tun und wird auch zu Recht vom Ausland scharf kritisiert.

Glauben Sie ernsthaft man könnte uns Bürgern weiß machen, dass ein Ausstieg aus der Atomkraft für den Klimaschutz die bessere Lösung als ein Ausstieg aus Kohle und Gas wäre? Dazu haben wir mit Frankreich einen Nachbarn, der uns vorexerziert hat, wie man in ca. 20 - 25 Jahren nahezu komplett aus fossilen Energieträgern aussteigen könnte, dabei auch noch die Strompreise bezahlbar hält und noch dazu alle seine Klimaziele mit Leichtigkeit erreicht. Wenn man nur den politischen Willen dazu hätte in neue Atomtechnologien, wie etwa in die bereits genannten modularen Flüssigsalzreaktoren zu investieren und den Brennstoffkreislauf zu beenden, wäre das auch in Deutschland umsetzbar.

Stattdessen bleiben sie auf dem technischen Stand der 80er-Jahre in ihrer Bewertung dieser Energieerzeugungsform stehen. So wird etwa im russischen BN-800 erfolgreich das weiter zu großen Teilen als Brennstoff genutzt, das in Deutschland noch als Atommüll gilt und eine Endlagerkommission beschäftigt. Wer dann auch noch - wie Sie - die Atomkraft mit Desinformationen verunglimpft und die nötige Entwicklung neuer Reaktortechnologien in Deutschland blockiert, hat es in meinen Augen nicht länger verdient im Bundesumweltministerium beschäftigt zu bleiben, da ihr Wirken erkennbar nicht zu einem effektiven Schutz der Umwelt beiträgt.

Die namenhaften Unterzeichner des unter [3] verlinkten Aufrufs an die Staatschefs der G-20 enthält dann auch ein paar Fakten, die sie bislang entweder zurück halten oder ignoriert haben, da sie ihrem Narrativ zuwider laufen, jedoch in einer fairen Debatte ebenso erwähnt werden sollten (Nachweise unter [3]):

"While IPCC authors note that public fears of nuclear are an obstacle to its diffusion, in several instances they reinforce unfounded fears. Please consider the following: Nuclear is the safest way to make reliable electricity and has saved over 1.8 million lives that would have been lost prematurely to deadly air pollution. Nuclear plants produce just 12 grams of carbon dioxide per kilowatt-hour (kWh) as compared to coal plants, natural gas plants, biomass plants, and solar farms which produce 820, 490, 230, and 48 grams of CO2/kWh, respectively, as used in the IPCC’s own publications. Of humankind’s exposure to ionizing radiation, 88% comes from natural causes and 12% from human-made causes with just 0.04% from nuclear plant emissions. The increased risk of mortality from living in a large city, where concentrations of air pollution are high, is 2.8 times greater than the increased risk of mortality for Chernobyl clean-up workers who received the highest levels of radiation exposure. There is a consensus among leading radiation scientists that nobody should have been relocated after the accident at Fukushima Daiichi because the evacuation caused far more harm than the radiation that escaped from the plant could have. Because uranium has an energy density one to three million times higher than coal, nuclear plants require the fewest fuel and material inputs, giving them the smallest mining and land use impact of all energy sources. While nuclear provided 11% of electricity globally last year, solar and wind provided only 1.3% and 3.9%. Because of their inherently intermittent nature, solar and wind energy sources rarely substitute on a one-to-one basis for fossil fuels and must be backed up by fossil fuels, hydroelectric dams, or some other form of large-scale storage. The peak deployment of nuclear energy around the world has occurred more than 10 times faster than the peak deployment of solar and wind, according to a 2016 study published in the journal Science. The above facts are crucial for putting the role of nuclear in context and yet were either not included in the IPCC report or were insufficiently highlighted. Moreover, in several instances IPCC authors make misleading claims about nuclear power including: An alleged debunking of the above-mentioned 2016 study in Science through the use of a 2018 study published in a journal with an impact factor of just 10 percent of that of Science; The suggestion that building new nuclear plants must be a slow process despite evidence from the recent past that nuclear capacity can be installed very rapidly when required; A statement suggesting a connection between “nuclear installations” and “childhood leukemia,” and no mention of recent research finding higher radiation exposure from coal plants and the manufacturing of solar panels than from nuclear.[15] While the authors acknowledge that there is “low evidence/low agreement” to support their claim, in reality there is no valid evidentiary support for it and the supposed connection has been thoroughly dismissed in the literature; A claim that nuclear power “can increase the risks of proliferation” and that the "use of nuclear power poses a constant risk of proliferation" even though no nation in history has ever created a nuclear weapon from civilian nuclear fuel under inspection by the International Atomic Energy Agency; A claim that nuclear has “mixed effects for human health when replacing fossil fuels,”which is contradicted by the large body of scientific research, cited above, showing that nuclear saves lives; Repeated concerns raised about nuclear waste without acknowledgment or clarification that spent fuel is safely contained, usually on site, nor any mention of the waste from other low-carbon energy sources, including solar panels, which contain toxic metals including lead, chromium, and cadmium, and which in most of the world lack safe storage or recycling. Such fear-mongering about nuclear has serious consequences. As IPCC itself acknowledges, public fears of nuclear are behind the technology’s slower-than-desirable development. Equally troubling, public fear of nuclear drove the panicked over-reaction to past nuclear accidents, including mass evacuations, which health experts agree had a far larger negative impact on human health than the low-levels of radiation that escaped from the plants."

[1] = https://www.bmu.de/meldung/8143/
[2] = Wie viel Zappelstrom verträgt das Netz? Bemerkungen zur deutschen Energiewende, https://youtu.be/rV_0uHP3BDY
[3] = http://environmentalprogress.org/big-news/2018/10/25/open-letter-to-heads-of-state-of-the-g-20-from-scientists-and-scholars-on-nuclear-for-climate-change mit weiteren Nachweisen.

Verkaufen Sie uns Bürger also nicht länger für dumm! Auch werde ich mich politisch weiter für einen Strategiewechsel einsetzen, der erkennbar mehr Nutzen für den Bürger als auch das Klima bringt als Ihre Vorstellungen.

Mit freundlichen Grüßen
Rechtsassessor Marcus Seyfarth, LL.M.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Jetzt erst recht: Deutschland braucht moderne Atomkraftwerke

Ein schwarzer Tag für Deutschland: An diesem Tag werden die letzten Kernreaktoren der 2. Generation abgeschaltet. Es ist ein viel beachteter Moment, der gemischte Reaktionen hervorruft. Während die Anti-AKW-Bewegung seit den 70er-Jahren auf diesen Tag hingearbeitet hat und jubelt , betonen andere, zu denen ich gehöre , die 300 Mrd. kWh CO2-armen und günstigen Strom, die sie im Laufe ihrer vielen Jahrzehnte in Deutschland produziert haben und hielten es für vernünftiger, wären wir heute aus der Kohlekraft ausgestiegen und behielten die Kernenergie um mindestens zwei Dekaden weiter und nicht umgekehrt. Für sie bedeutet dieser Tag einen zivilisatorischen Rückschritt zu Lasten des Landes. Die Grundlast wird von nun an entweder durch importierten Strom aus dem Ausland, oder eben von Gas und Kohle bereit gestellt werden müssen, die deutlich mehr CO2 ausstoßen. Und aufgrund des Ukraine-Krieges war insbesondere der Bezug von Gas zuletzt ein teures Unterfangen, das die Bürger mit signifikanten

Linux Gaming Tweaks - A small guide to unlock more performance (2)

My personal journey to unlock more performance on Linux - Part 2: Tweaking the Linux Kernel Welcome back to the second part of my Linux Gaming Tweaks series. If you missed the first part, head over here to get a general overview and learn more about my hardware and Linux distribution choices. In this episode, I will cover the single most important item on my tuning list, tweaking the Linux Kernel. Hence I will talk today about the Xanmod Kernel, additional patches I carry around to unlock an even better gaming experience, tweaks to my Kernel configuration, my Kernel command line and the compiler flags which I use to compile my Kernel. Unlike Windows, the Linux Kernel itself contains almost all of your hardware drivers (with notable exceptions, e.g. Nvidia's GPU driver). Hardware drivers are fundamental to get your PC up and running, changes in this area are also very performance-sensitive, beware that some tweaks might have an effect to the stability and security or even power usa

Müll, der zum Himmel stinkt

Alle Jahre versuchen sie es wieder und es stinkt bereits zum Himmel! Pünktlich zum Februar wurden die städtischen Müllgebührenbescheide an die Bewohner zugestellt, und man fragt sich immer wieder, ob gezielt damit gerechnet wird, dass man brav und anständig sein liebes Geld auf das Konto der Stadt überweist. Es regt sich jedoch Widerstand. Nicht nur von der FDP. Mich würde es ebenfalls einmal sehr reizen die Rechtmäßigkeit der Freiburger Abfallwirtschaftssatzung im Lichte des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 11.10.2004 (AZ: 2 S 1998/02) überprüfen zu lassen. Es lohnt sich also doch ab und an die Verwaltungsrechtsvorlesung und die dazugehörige Arbeitsgemeinschaft zu besuchen. Ein Landkreis ist mit seiner gängigen Praxis vor 2,5 Jahren vor Gericht nämlich schon gescheitert. Wenn es nach mir ginge würde Freiburg es ihm gleichtun. Das damalige Urteil stellt auf die Satzungsregelung des Landkreises Göppingen ab. Darin war geregelt, dass ein Haushalt eine bestimmte Grundgebü