A.
Einleitung
Schleichend nahm eine
Entwicklung im Jahr 2017 im Bundestag ihr abruptes Ende, die kurz nach der
Jahrtausendwende zuvor bereits die Gemüter der Bundesrepublik vor dem
Bundesverfassungsgericht erregte und letztlich ein mit einer Institutsgarantie
ausgestattes Strukturmerkmal unserer Verfassung zu Fall brachte: Den
klassischen Ehebegriff. Ist mit dem erfolgten Federstrich des Gesetzgebers in
der Sache jetzt die letzte Schlacht geschlagen? Sind Berge von Literatur nun
obsolet? Mit einem „Ja!“ als Antwort könnte man diesen Beitrag beenden bevor er
begonnen hat. Doch die verfassungsrechtliche Bewertung erfordert noch ein paar
Worte mehr und so viel sei vorab verraten, der Preis für die Befürworter ist
hoch – denn ihr politischer Sieg erfolgte nur auf Kosten eines wohl ungeahndet
bleibenden Verfassungsbruchs.
B.
Überrumpelung als Methode – wie die „Ehe für
Alle“ in den Bundestag zur Abstimmung kam
Am Ende ging alles ganz
schnell. Selbst die Bayrische Staatsregierung – bislang eine Bastion für die
Verteidigung sozial-konservativer Werte – gab im März 2018 bekannt nicht mehr
um die klassische Ehe kämpfen zu wollen.[1] Was war zuvor geschehen? Wenige
Monate vor der Bundestagswahl 2017 hatte Kanzlerin Angela Merkel auf einer
Berliner Veranstaltung eine Gewissensentscheidung über die „Ehe für Alle“
angekündigt: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es
eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per
Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke.“[2] Auch wenn sie sich eine
längere Diskussion in Würde darüber vorstellte, ergriffen SPD und Grüne die
sich bietende Chance noch am letzten Sitzungstag der zu Ende gehenden
Legislaturperiode die Frage über die Öffnung der „Ehe für Alle“ auf die
Tagesordnung zur Abstimmung zu stellen.[3] Merkels Kollegen der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion waren überrumpelt.[4] Auch wenn sich kurz zuvor
alle möglichen kommenden Koalitionspartner dafür aussprachen, hatte man in den
Reihen der Union erst mit einem deutlich späteren Zeitpunkt für die nähere
Befassung mit dem Thema gerechnet.[5] Von 623 abgegebenen
Stimmen votierten 393 Abgeordnete für den Gesetzesentwurf (vornehmlich von SPD,
Grüne und Linkspartei, aber auch 75 von CDU/CSU), 226 dagegen (ausschließlich
CDU/CSU sowie die fraktionslose Erika Steinbach) und vier enthielten sich, 7
Parlamentarier waren bei der Abstimmung abwesend.[6] Somit ergab sich eine
Zustimmung von rund 62,4 % der Mitglieder des Bundestages für die „Ehe für
Alle“. Dies mag eine klare Mehrheit darstellen, doch hielte man eine Zwei-Drittel-Mehrheit
für eine Verfassungsänderung für erforderlich, bleibt festzustellen, dass jene
ebenso deutlich verfehlt worden ist.
C.
Der Schutz
von Ehe und Familie im Lichte des Grundgesetzes
Der sich in dieser Abstimmung widerspiegelnde
gesellschaftliche Wandel hatte sich zuvor schon in mehreren Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts, grundlegend etwa zur Eingetragenen
Lebenspartnerschaft im Jahr 2001, niedergeschlagen. Dieser Beitrag zeigt im
Folgenden die verfassungsrechtlichen Grenzen für Politik und Rechtsprechung
auf, die es zur Änderung eines wesentlichen Strukturmerkmals eines Grundrechts
zu beachten gibt.
„Das Grundgesetz stellt in
Art. 6 I GG Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern
gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich der Ehe und
Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz
durch die staatliche Ordnung.“[7] Dies ist der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Ausgangspunkt, weshalb näher auf die beiden Schutzgüter Ehe und Familie eingegangen werden soll.
Aufgrund des sozialen Wandels kam es in der Rechtsprechung in den letzten Jahren zu einer gewissen Verselbständigung der Schutzgüter, so dass nicht nur die ehebasierte Familie heute den Schutz des Art. 6 I genießt.[8] Nichtsdestotrotz bleibt die auf eine Ehe gegründete Familie das Leitbild der Verfassung,[9] die vollständigste Familienform und typischerweise die beste Voraussetzung für eine gedeihliche Entfaltung der Kinder.[10]
Erweiterungen des
Familienbegriffes sind etwa für Uhle vor
diesem Hintergrund dort mit Art. 6 I vereinbar, wo sie die Verbindungslinien
zwischen Ehe und Familie nicht vollends kappen. Das setzt allerdings voraus,
dass der Familienbegriff auch im Falle seiner Erweiterung an einem Grundmodell
ausgerichtet bleibt, das auf ehelichen oder zumindest prinzipiell ehefähigen
Partnerschaften und deren umfassender Gemeinschaft mit Kindern basiert und sich
darauf beschränkt, insofern auftretende Sondersituationen wie etwa die
Scheidung bzw. Trennung der Eltern oder die Fälle der Stief-, Adoptiv- und
Pflegekinder verfassungsrechtlich zu bewältigen.[11] Die von der Judikatur anerkannten Lockerungen der
Verbindung von Ehe und Familie haben sich bislang innerhalb dieses Rahmens
bewegt. Indessen hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Urteil zur
Sukzessivadoption 2013 einer vollständigen Entkopplung von Ehe und Familie den
Weg gebahnt, indem er auch gleichgeschlechtliche und deshalb a priori
eheunfähige Verbindungen mit Kindern in den Familienbegriff einbezogen hat.[12] Damit ist das auf der Gemeinschaft von verheirateten
oder unverheirateten (aber prinzipiell ehefähigen) Eltern und ihren Kindern
beruhende familiäre Grundmodell des GG bundesverfassungsgerichtlich aufgegeben
worden.
Doch was das Verständnis
der Ehe betrifft, ließen die Richter des Bundesverfassungsgerichts zur
Interpretation von Art. 6 I GG bislang trotz dieser vorgenommenen Lockerungen keinen
Zweifel daran aufkommen sie weiterhin als Verbindung zwischen Mann und Frau im
Sinne einer Institutsgarantie anzusehen: „Die Ehe als allein der Verbindung
zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 I GG einen
eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag Genüge zu
tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe
beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu
fördern.“[13]
Wollenschläger umschreibt eine solche Institutionsgarantie mit
folgenden Worten: „Nach – aus der Weimarer Staatsrechtslehre tradiertem, auch
in den Beratungen des Parlamentarischen Rates betontem – weithin anerkanntem und
anzuerkennendem Verständnis gewährleistet eine Institutsgarantie
Rechtsinstitute wie die Ehe nicht nur in ihrem abstrakten Bestand, sondern auch
hinsichtlich ihrer wesentlichen Strukturmerkmale. Damit ist dem Gesetzgeber
sowohl eine Abschaffung des Instituts als auch eine Modifikation seines
Kerngehalts verwehrt; dies ist nur im Wege einer Verfassungsänderung möglich.
Jenseits der verfassungsrechtlich verbindlich vorgegebenen Strukturmerkmale
bleibt dem Gesetzgeber freilich ein weiter Ausgestaltungsspielraum, namentlich
um das Institut sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.“[14]
Diese Auffassung galt
bislang auch weit überwiegend in der Literatur, so etwa unmissverständlich von Badura artikuliert: „Daraus, dass die
Ehe nach Art. 6 Abs. 1 die Vereinigung von Mann und Frau zu einer
Lebensgemeinschaft ist, folgt, dass aus dieser Grundrechtsnorm ein Recht auf
Eingehung einer Ehe mit einem gleichgeschlechtlichen Partner nicht hergeleitet
werden kann. Die Geschlechtsverschiedenheit gehört zu den prägenden Merkmalen
der Ehe. Hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des
Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine
prägende Bedeutung mehr zukäme, sind nicht erkennbar.“[15]
Die Voraussetzung der
Geschlechtsverschiedenheit folgt sowohl aus dem im Parlamentarischen Rat als
selbstverständlich vorausgesetzten Eheverständnis[16] als auch aus der generellen „Finalität“ der Ehe, d. h.
aus der für sie charakteristischen prinzipiellen Ausrichtung auf die Familie,[17] die unabhängig von ihrer individuellen Fähigkeit oder
Unfähigkeit ist, Nachkommen zu zeugen.[18] Die Ehe kommt folglich nicht wegen der mit ihr
verbundenen gegenseitigen Verantwortungsübernahme der Ehepartner in den Genuss
eines besonderen Schutzes der Verfassung, sondern wegen der aus ihr potentiell
hervorgehenden Familie.[19]
D.
Verfassungsrechtliche
Bewertung der Einführung der Ehe für Alle
Durch die „Ehe für Alle“
wird der traditionelle Ehebegriff nun jedoch durch den einfachen Gesetzgeber
aufgegeben und auf Personen gleichen Geschlechts erweitert.[20]
Damit wird die Ehe von der ursprünglichen
Konzeption der Verfassung entkoppelt, die den besonderen Schutz wegen der aus
ihr potentiell hervorgehenden Familie aufstellte.
Maßgeblich ist damit die
Frage, ob mit der Erweiterung des Ehebegriffs der Kerngehalt der Ehe verletzt
ist. Verfassungsrechtlich damit verbunden ist die Frage, ob der einfache
Gesetzgeber überhaupt zur einfach-gesetzlichen Öffnung der Ehe befugt war. Dies
ist in der juristischen Fachwelt hoch umstritten und der dazu existierende
Meinungsstand zuletzt umfangreich von Wollenschläger
nachgewiesen worden.[21]
Nach den in dieser Arbeit vorgestellten Maßstäben aus Literatur und Rechtsprechung spricht viel dafür, dass die Erweiterung des Ehebegriffs durch den einfachen Gesetzgeber nicht mit Art. 6 I GG zu vereinbaren ist und es daher einer Verfassungsänderung mit einer entsprechenden Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf.
Die Verbindung aus Mann und Frau ist ein wesentliches Strukturmerkmal der Ehe, das nicht durch den einfachen Gesetzgeber abgeändert werden darf. Allein schon die Schaffung der Lebenspartnerschaft als eigenständiges Institut bezeugt die Haltung, dass dies auch im Ursprung vom Gesetzgeber bislang so gesehen wurde. Denn ansonsten hätte es der Einführung der Lebenspartnerschaft für Homosexuelle von Anfang an gar nicht bedurft und dieses neu geschaffene Institut verliert auch mit der begrifflichen Ausweitung des Ehebegriffs nun völlig seine Bedeutung.
Auch die Verfassungshistorie streitet dafür, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes klar die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe bei der Konzeption von Art. 6 GG vor Augen hatten. So lautete eine der diskutierten Vorfassungen noch: "Die Ehe als die rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und die aus ihr wachsende Familie sowie die aus der Ehe und der Zugehörigkeit zur Familie fließenden Rechte und Pflichten stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“
Die zuweilen aufgestellte Behauptung, der Ehebegriff sei bereits als offen anzusehen, weil sich die Vielgeschlechtlichkeit nicht im Wortlaut widerspiegele, ignoriert damit diese klar überlieferte Entstehungsgeschichte.
Allein aus redaktionellen Gründen, mit der keine inhaltliche Veränderung verbunden sein sollte, findet sich die heutige Formulierung im Grundgesetz wieder.
Andere in der Literatur
existente Auffassungen verkennen auch die ständige und über Jahrzehnte verfestigte
und auch zuletzt nicht aufgegebene Rechtsprechung, welche die
Verschiedengeschlechtlichkeit als Kernelement des verfassungsrechtlichen
Ehebegriffs begreift und deren Preisgabe dem staatlichen Schutzauftrag
zuwiderläuft.[22]
Die hier dargestellte Position samt den dargelegten Argumenten sind - wie bei einem kontroversen Thema auch nicht anders zu erwarten - vereinzelt in Zweifel gezogen worden. So wurde unter anderem spekuliert das Bundesverfassungsgericht könnte seine Definition des Ehebegriffs aufgeben. Doch allen Versuchen einer
„Dynamisierung der Verfassung“ zu Munde zu reden - Juristen mangelte es noch
nie an Kreativität bei Interpretationen und Konstruktionen - ist aus Gründen
der gebotenen Richterlichen Selbstbeschränkung[23] eine deutliche Absage zu erteilen. Denn es ist nicht
Aufgabe der Verfassungsrichter „Politik zu betreiben“ und ihre eigenen
gesellschaftspolitischen Vorstellungen unter Verkennung der dafür
erforderlichen politischen Mehrheiten über jener der anderen Verfassungsorgane
zu stellen. Das gilt erst Recht für ein elementares Strukturmerkmal eines Grundrechts!
Andererseits würde das BVerfG vollends drohen sich von der Verfassung und der
Grenzen seiner Interpretation zu entgrenzen. [24]
Eine Institutsgarantie
würde im Übrigen vollends an Wert verlieren, wenn man sie dynamisch an den
jeweiligen Zeitumständen den jeweiligen herrschenden Anschauungen anpassen
dürfte. Somit ist es überzeugender den Kern des Ehebegriffs statisch zu
bestimmen und leitet sich daher aus dem der Verfassung historisch
zugrunde liegenden Leitbild ab.[25] Diese Sicht wird - anspielend auf eine Strömung im amerikanischen Verfassungsrecht - zuweilen als originalistisches Verfassungsverständnis bezeichnet. Wie man eine solche jedoch auch bezeichnen mag, vermögen die eine Öffnung befürwortenden Ansichten die zentralen Bedeutung des klassischen
Ehebegriffs nicht angemessen zu würdigen, über den nur der
verfassungsändernde Gesetzgeber neu entscheiden darf. Die Kerndefinition wurde durch den Verfassungsgeber im Ursprung gegeben, kann aber freilich durch den
verfassungsändernden Gesetzgeber jederzeit geändert werden (Art. 79 GG), lediglich die Ausgestaltung außerhalb
jenes Kernbereichs darf durch den einfachen Gesetzgeber erfolgen.[26]
Die gegen die hier vertretene Ansicht vorgebrachte Kritik, dass damit eine Auslegung des Verfassungsrechts im
Lichte aktueller Entwicklungen und Herausforderungen unmöglich würde,[27] ist mit Verweis auf die Möglichkeit einer
Verfassungsänderung widerlegt – es bedarf schlicht die hierfür nötige
Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat, die aus gutem Grund zur
Änderung eines solchen Strukturmerkmals eine hohe Hürde darstellt.
Die von den Befürwortern
der „Ehe für Alle“ zuweilen vorgetragene Sichtweise, dass die
verfassungsrechtlich gebotene und eingeforderte weit
reichende Gleichstellung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft sowie
die Relativierung der Rechtfertigungsgründe für einen besonderen Schutz der
(verschiedengeschlechtlichen) Ehe im Verhältnis zur (gleichgeschlechtlichen)
Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht ohne Konsequenz für das Verständnis der
Ehegarantie sein können,[28] vermengt unzulässigerweise die Definition des
Ehebegriffs mit der Frage der Gleichbehandlung von Ehe und Eingetragener
Lebenspartnerschaft. Diese Fragen sind aber richtigerweise auseinander zu
halten.[29]
E.
Schlussbemerkungen
Der Autor reiht sich in den bereits viele Stimmen umfassenden Chor an
Staatsrechtlern ein, die die „Ehe für Alle“ ohne Verfassungsänderung für
verfassungswidrig halten. Die hierfür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde
zumindest bei der Abstimmung im Bundestag 2017, wie eingangs aufgezeigt, nicht
erreicht. Eine gegen das verabschiedete Gesetz eingelegte Normenkontrolle vor
dem Bundesverfassungsgericht hätte damit – bei allen immer verbleibenden
Unwägbarkeiten – jedenfalls eine starke Ausgangsposition und mithin durchaus Aussicht
auf Erfolg gehabt.
Es ist bedauerlich, dass nicht einmal mehr die Bayrische Staatsregierung
den Mumm hatte, um für den klassischen Ehebegriff vor dem
Bundesverfassungsgericht zu streiten. Mangels Kläger bleibt der
Verfassungsbruch daher wohl ungesühnt.
Jedwede staatliche Grenzziehung schließt durch die vorgenommenen
Wertentscheidungen natürlich Menschen vom Ausleben ihres persönlichen Glücks
ein Stück weit aus. Dieser Preis ist für einen breiten gesellschaftspolitischen
Konsens jedoch zu zahlen.[30]
Mit der Lebenspartnerschaft wurde durch den Gesetzgeber zu Recht Homosexuellen
ein eigenes Institut geschaffen, das auch in den Jahren nach ihrer Einführung
Stück für Stück an die Ehe angeglichen wurde. Der Ausweitung des Ehebegriffs
bedurfte es daher nicht. Durch die Öffnung des Ehebegriffs wurde nun aber eine verfassungsrechtliche Grenze überschritten, denn wie dargelegt endet die Kompetenz des einfachen Gesetzgebers beim Kernbereich eines
grundrechtlichen Strukturmerkmals!
Politisch bringt es sozialkonservative Teile der Bevölkerung nun gegen den Staat auf. So hatten etwa Mitglieder der Berliner CDU im Jahr 2015 sich mehrheitlich gegen die "Ehe für Alle" ausgesprochen, 45 Prozent waren gänzlich und sieben Prozent "eher" dagegen. Demgegenüber votierten nur 35 Prozent "voll und ganz" und sieben Prozent "eher" für eine vollkommene Gleichstellung. Und man bedenke, dass das Zahlen aus dem "progressiven" Berlin sind! Es ist anzunehmen, dass in weit ländlicheren Gegenden der Republik die Ablehnung in politisch konservativen Kreisen noch deutlicher ausfallen dürfte. Auch wenn dieses Milieu nur einen Bruchteil der Gesamtwählerschaft ausmacht, hätte zumindest die Parteiführung der Union diese Mehrheitsverhältnisse an der Basis nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Ein paralleles Nebeneinander beider Institute hätte diesen sozialen Konflikt nicht weiter verschärft und wäre die klügere Politik gewesen. Nun gibt es jedoch einen klaren Verlierer in diesem sozialen Konflikt. Kann sich denn der Gewinner nun wenigstens freuen? Dieser Beitrag zeigt: Nicht, wenn ihm die Wahrung des Grundgesetzes am Herzen liegt.
Politisch bringt es sozialkonservative Teile der Bevölkerung nun gegen den Staat auf. So hatten etwa Mitglieder der Berliner CDU im Jahr 2015 sich mehrheitlich gegen die "Ehe für Alle" ausgesprochen, 45 Prozent waren gänzlich und sieben Prozent "eher" dagegen. Demgegenüber votierten nur 35 Prozent "voll und ganz" und sieben Prozent "eher" für eine vollkommene Gleichstellung. Und man bedenke, dass das Zahlen aus dem "progressiven" Berlin sind! Es ist anzunehmen, dass in weit ländlicheren Gegenden der Republik die Ablehnung in politisch konservativen Kreisen noch deutlicher ausfallen dürfte. Auch wenn dieses Milieu nur einen Bruchteil der Gesamtwählerschaft ausmacht, hätte zumindest die Parteiführung der Union diese Mehrheitsverhältnisse an der Basis nicht aus den Augen verlieren dürfen.
Ein paralleles Nebeneinander beider Institute hätte diesen sozialen Konflikt nicht weiter verschärft und wäre die klügere Politik gewesen. Nun gibt es jedoch einen klaren Verlierer in diesem sozialen Konflikt. Kann sich denn der Gewinner nun wenigstens freuen? Dieser Beitrag zeigt: Nicht, wenn ihm die Wahrung des Grundgesetzes am Herzen liegt.
Nicht ohne Grund sieht die Verfassung hohe Hürden für ihre Veränderung vor
– dem Schutz von Minderheiten, wie in diesem Fall Sozialkonservative. In dieser
Zeit sehen jene zusehends ihre Positionen vom Staat, den etablierten Parteien
und Medien sowie auch in den Kirchen nicht mehr angemessen vertreten. Sogar die
Richter des Bundesverfassungsgerichts sorgten sich jüngst über das ausgeglichene
politische Verhältnis in ihren eigenen Reihen[31]
und dürfte zur Sicherung einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer
Entscheidungen auch erforderlich sein. Eine wie auch immer ausgehende Klage
hätte diesen Menschen zumindest eine Stimme und Gehör verschafft. Es ist ein
Armutszeugnis der politischen Elite im Land dieser gesellschaftlichen Gruppe solches
zu versagen.
*NACHTRAG*
*NACHTRAG*
Empfehlenswert zur weiteren Vertiefung ist der Vortrag von Prof. Benedict, der Gutachter im Rechtsausschuss zu dem Thema war. Wer etwa einmal die (verfassungsrechtlich höchst bedenkliche) Sicht des Gesetzgebers hören möchte, kann ab 15:40 Min einmal herein schauen.
* Der Autor ist Rechtsassessor und Master of Laws. Er war von 2015 - 2017 Mitglied der Bundeskommission "Gesellschaft, Werte und Recht" der Jungen Union Deutschlands.
[1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ehe-fuer-alle-bayern-doch-keine-klage-bverfg-kein-verstoss-artikel-6-gg/ (08.03.2018).
[1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ehe-fuer-alle-bayern-doch-keine-klage-bverfg-kein-verstoss-artikel-6-gg/ (08.03.2018).
[2] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel
(08.03.2018).
[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel
(08.03.2018).
[4] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-union-angela-merkel-abstimmung-reaktionen
(08.03.2018).
[5] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel
(08.03.2018).
[13] BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012 − 2 BvR 1397/09, Rn. 66 m. w. N.;
siehe zu der gewärleisteten Institutionsgarantie auch: Gutachten
Wollenschläger, S. 24 ff.
[14] Gutachten Wollenschläger,
S. 24 f. m. w. N., welcher allerdings in seinen späteren Ausführungen diesem
Dogma nicht hinreichend Beachtung schenkt.
[18] BVerfGE
49, 286, 300; Sachs/von Coelln, GG, Art. 6 Rn. 6; zum Motiv der
gesellschaftlichen Reproduktionsfunktion Braun ZRP 2001, 14, 16; P. Kirchhof
FPR 2001, 436, 438; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 4.
[19] Epping/Hillgruber/Uhle,
Art. 6 Rn. 4; unter dogmatischer Entkopplung der Ehe und Familie anders aber
BVerfGE 124, 199, 225 f.; BVerfGE 126, 400, 425 f.; BVerfGE 131, 239, 259 ff.;
BVerfGE 132, 179, 188 ff.; NJW 2013, 847, Ls. 3 und 850 f.
[21] Gutachten Wollenschläger, S. 7 f. [Fn. 4 und 5]: Von der Verfassungswidrigkeit ausgehend:
Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 42 f. und Rn. 58 (Stand: 81. EL September 2017); Benedict, https://www.youtube.com/watch?v=19UyLXw99Zg (10.03.2018); Bleckmann, Grundrechte, § 27, Rn. 6 ff., 19 f.; Braun, JZ 2002, S. 23 (25 ff.);
Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 501 ff.; ders., in: Friauf/Höfling, Art. 6
(Stand: 4. EL April 2002), Rn. 18 f., 31 f., 47; A. Frhr. von Campenhausen,
VVDStRL 45 (1986), S. 7, 25 ff.; von Coelln, in: Sachs, Art. 6, Rn. 3, 6; Erbarth,
NZFam 2016, 536, 537 ff.; Friauf, NJW 1986, 2595, 2601, 2602; Gade/Thiele, DÖV
2013, S. 142, 150 f.; Gärditz, JZ 2011, 930, 934; ders., Verfassungsgebot
Gleichstellung?, S. 85 (104 f., etwas offener 121); Gellermann, Grundrechte, S.
320; Görisch, Der Staat 54 (2015), 591, 592 ff., 611 ff.; Gröpl/Georg, AöR 139
(2014), 125, 149; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, Art. 6,
Rn. 5, 9, 22; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 6, Rn. 4, 18; Kloepfer, in: HGR
II, § 43, Rn. 39, 70; Kotzur, in: Stern/Becker, Art. 6, Rn. 15 ff., 60; Kramer,
Wandlungsfähigkeit, S. 162 ff., 273 f., 277 f.; Krings, Eheschutz, S. 269 (269
ff.); Mager, Einrichtungsgarantien, S. 452 f.; Pauly, NJW 1997, 1955, 1955 ff.; Rijsbergen, Schutz, S. 184, 185 f.; Robbers,
JZ 2001, 779, 783; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 396 f.; Seiler, in: BK, Art. 6
Abs. 1 (Stand: 168. EL Juli 2014), Rn. 62, 71, 107; Steiner, in: HGR IV, § 108,
Rn. 9, 39; Tettinger, Schutz, S. 117, 133 f.; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6
Rn. 4 ff., 29 f.; Umbach, in: ders./Clemens, Art. 6, Rn. 58 ff.; ferner: v.
Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6, Rn. 9, 12 f. – wiewohl die Möglichkeit
eines zukünftigen Verständniswandels anerkennend; Ruffert, Vorrang, S. 399 f. –
ebenso; Steiger, VVDStRL 45 (1986), 55, 79; von Coelln, in: Sachs (2018), Art.
6, Rn. 6; ders., NJ 2018, 1, 1 ff.; Hufen, Staatsrecht II, § 16, Rn. 45; Ipsen,
NVwZ 2017, 1096; Kramer, Wandlungsfähigkeit, S. V i.V.m. S. 162 ff., 273 f.,
277 f.; Schmidt, NJW 2017, 2225, 2226 ff.; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6, Rn.
4.2 f. Für die Verfassungskonformität:
Beck, FPR 2010, 220, 225 f.; ders./C. Tometten, DÖV 2016, 581, 584 ff.;
Bömelburg, NJW 2012, 2753, 2758; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, Art. 6, Rn. 81; dies.,
FamFR 2013, 169, 171 f.; dies., NJW 2015, 3557, 3558 ff.; Classen, DVBl. 2013,
1086, 1090; Dethloff, FamRZ 2016, 351, 352 ff.; Germann, VVDStRL 73 (2014),
257, 286, 287 ff.; Heun, Ehen, S. 272 ff.; Hwang, KritV 2014, 133, 148 ff.;
Koschmieder, Dynamisierungsprozesse, S. 249 ff.; Mangold, Streit 2013, 107,
116; Michael, NJW 2010, 3537, 3542; Möller, DÖV 2005, 64, 65 ff.; Ott, NJW
1998, 117, 117 f.; Sanders, Ehebild, S. 351 (361 ff.); dies., NJW 2013, 2236, 2239; Schimmel, Eheschließungen, S. 58 ff.; Wapler,
Verfassungsmäßigkeit, S. 15 ff.; dies., FamRZ 2017, 602, 602; ferner
Grünberger, FPR 2010, 203, 208; Rixen, JZ 2013, 864, 872 f.; ders., Verfassung,
S. 131 (136 ff.); Stern, Staatsrecht, § 100 (S. 490 – trotz Kritik):
„verfassungsgerichtlich vollzogene[r] Verfassungswandel“; Bäumerich, DVBl.
2017, 1457, 1461 ff.; Blome, NVwZ 2017, 1658, 1660 ff.; Gärditz, FF 2018, S. 8
(10 ff.); Meyer, FamRZ 2017, 1281; Robbers, in: Huber/Voßkuhle, Art. 6, Rn. 47
(anders noch die Vorauflage, siehe MKS/ders., Art. 6, Rn. 47); Schaefer, Die
„Ehe für alle“ und die Grenzen der Verfassungsentwicklung, Manuskript, V.;
Wasmuth, NJ 2017, 353, 356 ff. Offen
gelassen: Berning, Eingetragene
Lebenspartnerschaft, S. 167 (194 ff.) – mit Tendenz zur Öffnung; Böhm, VVDStRL
73 (2014), 211, 226; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 6,
Rn. 9a.
[22] Vgl. auch Gutachten
Wollenschläger, S. 50, der jedoch eine Ambivalenz der Rechtsprechung wahrnehmen
will, die sich - genauer betrachtet - alleine auf Sonderkonstellationen
beschränkt, etwa zum Fortbestand der Ehe bei nachträglicher
Geschlechtsumwandlung von Transsexuellen; und auf S. 57 ff. einen abzulehnenden
Versuch einer dynamischen Verfassungsinterpretation auf Grundlage u.a. jener
Sonderkonstellation und des Kammerbeschlusses BVerfG (K), NJW 1993, 3058, unternimmt.
[24] So deutet etwa Gärditz
die Rechtsprechung des BVerfG als „Umweg einer verfassungsrechtlich
katalysierten Parallelgesetzgebung“, K. F. Gärditz, JZ 2011, 930, 934; ferner
939: Auslösen einer „sich selbst stabilisierende[n] Angleichungsspirale“;
ferner ders., Verfassungsgebot Gleichstellung? S. 85, 127 ff.; ders., FF 2018,
S. 8, 18, 22.
[29] Papier,
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-ex-verfassungsrichter-hans-juergen-papier-haelt-siefuer-verfassungswidrig-a-1155215.html
(22.01.2018); Benedict, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 4 ff.; Görisch, Der
Staat 54 (2015), 591, 592 ff., 600 ff.; Ipsen, Stellungnahme Rechtsausschuss,
S. 4 ff.; ders., NVwZ 2017, 1096, 1097 f.; Jestaedt, Stellungnahme
Rechtsausschuss, S. 9; ferner Wasmuth, NJ 2017, 353, 356.
[30] Es gibt viele weitere
Randgruppen, die weiterhin von der Regelung ausgeschlossen bleiben, doch käme
wohl keine Partei derzeit auf den Gedanken etwa für die Erfüllung des
Lebensglücks von Polygamisten zu streiten.
[31] http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-karlsruhe-droht-der-verlust-des-gleichgewichts-1.3864267
(08.03.2018).