Einleitung: Das System der organisierten Verantwortungslosigkeit Das Bundesverfassungsgericht gilt als Hüter der Verfassung, oberster Garant der Grundrechte und letzte Bastion des Rechtsstaats. So die Theorie. Die Praxis offenbart ein System, das in seiner Perfidie kaum zu überbieten ist: Ausgerechnet jene, die vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden sollen, nämlich die politischen Parteien, bestimmen, wer sie kontrolliert. Es ist, als würden Angeklagte ihre eigenen Richter ernennen. Diese Paradoxie untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit des höchsten Gerichts, sondern das Fundament des gesamten Rechtsstaats, denn sie verkehrt die Gewaltenteilung in ihr Gegenteil und macht aus Kontrolleuren bloße Erfüllungsgehilfen der Mächtigen. Die Artikel 93 und 94 des Grundgesetzes sowie das Bundesverfassungsgerichtsgesetz schaffen nur die formale Hülle. Die eigentliche Verfassungswirklichkeit hat sich längst zu einem Kartell der Macht entwickelt, in dem Parteien die höchsten Richterämter...
Einleitung: Die Inszenierung des Opfers als Angriff auf das Amt Es gibt Momente in der politischen Landschaft der Bundesrepublik, die mehr über den Zustand unserer Institutionen und das Selbstverständnis ihrer Akteure verraten als lange Abhandlungen. Der Auftritt der von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominierten Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz war ein solcher Moment. Angekündigt als Versuch, "zur Versachlichung der Debatte" beizutragen, entfaltete sich vor den Augen eines Millionenpublikums das genaue Gegenteil: eine emotionale, strategisch fehlgeleitete und in der Sache entlarvende Selbstdemontage, die tiefe Zweifel an der Eignung der Kandidatin für das höchste deutsche Richteramt nicht nur bestätigte, sondern unabweisbar machte. Der Vorgang ist beispiellos. Eine Kandidatin für das Verfassungsgericht, die nach einer im parlamentarischen Verfahren gescheiterten Wahl nicht die staatsmännische Stille sucht, sondern, flanki...