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Amtsschimmel - Folge 6: Justiz deckt unlautere Versagung von Presseauskunft

Liebe Leserinnen und Leser,

heute möchte ich mich mit zwei verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen aus Greifswald auseinandersetzen, die nicht nur meine Arbeit als Blogger, sondern auch die Grundprinzipien unseres Rechtssystems infrage stellen.


Ein fatales Missverständnis der Bedeutung moderner Medien: VG Greifswald, Beschl. v. 26.06.24 - 2 B 487/24 HGW

In seinem Beschluss vom 26. Juni 2024 hat das Verwaltungsgericht Greifswald meinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu den begehrten Auskünften zu den Geschehnissen am Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten abgelehnt. Dort hatte der Staat eine Schülerin eingeschüchtert, weil sie eine politische Auffassung vertrat, die staatlichen Akteuren nicht gefallen hat. Sämtliche bekannten Darstellungen der Schülerin waren straflos. Hier blieben im Detail viele Fragen zum Handeln der Polizei offen, weshalb ich der zuständigen Polizeiinspektion einen entsprechenden Fragenkatalog zukommen ließ. Die Beantwortung verweigerte man mir letztlich bis heute. Die Begründung? Mein Blog „seylaw.blogspot.com“ sei kein Telemedium im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 1 des Medienstaatsvertrags (MStV). Diese Einschätzung ist nicht nur falsch, sondern zeigt auch ein erschreckendes Unverständnis der modernen Medienlandschaft und der Tatsache, dass es unter bestimmten Umständen einen verfassungsunmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gibt.

Denn die Rechtsprechung hat bereits Kriterien entwickelt, die ein Blog erfüllen muss, um in den Genuss eines solchen Auskunftsanspruchs und damit Zugang zu staatlichen Informationen zu kommen.

Mein Blog erfüllt diese Voraussetzungen, seit 2005 werden Informationen nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz ausgewählt, zusammengestellt und veröffentlicht. Ich verfolge erkennbar das Ziel, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen und auf die Meinungsbildung einzuwirken. Die Auswahl und Strukturierung der Inhalte genügt journalistischen Kriterien wie inhaltlicher Vielfalt (z.B. Open-Source-Software, juristische Ausbildungsliteratur, politische Beiträge), Aktualität, kontinuierlicher Aktualisierung (seit 2005 geführt) und allgemeiner Zugänglichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: VG München, Urteil vom 17. Dezember 2015 - M 17 K 14.4369, Rn. 35). Das Gericht hat es jedoch versäumt, diese Argumente und die vorgelegten Beweise angemessen zu würdigen. Stattdessen wurde darauf abgestellt, dass mein Blog kein Impressum vorweist. Doch laut § 18 Abs. 1 S. 1 MStV bin ich hierzu auch nicht verpflichtet, weil mein Blog kein kommerzielles Angebot ist, sondern allein persönlichen Zwecken dient. Die gerichtliche Entscheidung ignorierte all diese guten Argumente und mithin die Realität, in der Blogs eine immer wichtigere Rolle in der medialen Landschaft spielen und eine wichtige Informationsquelle für viele Menschen sind.

Ein gefährliches Signal für den Zugang zu Gericht: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.07.24 - 1 M 253/24 OVG

Die Hoffnung auf Gerechtigkeit blieb auch in der nächsten Instanz unerfüllt. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Juli 2024 - 1 M 253/24 OVG ist sogar eine noch gravierendere Verhöhnung von engagierten Bürger-Bloggern. Mein Antrag wurde abgelehnt. Die Begründung zur Sache lautete, mein Antrag habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da kein Anordnungsgrund mehr bestehe, die Europa- und Kommunalwahlen - einer der angegebenen Gründe für die Eilbedürftigkeit - fanden bereits statt. Der übrige Vortrag wurde ignoriert, die Richter scheinen auch die Medien dieser Tage nicht allzu aufmerksam zu verfolgen. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes hätten sie sich zur Aufklärung des Sachverhaltes hier mehr Mühe geben müssen, das Compact-Verbot, das zunehmend autoritäre Vorgehen gegen politisch Andersdenkende, alles unter dem Deckmantel der "Bekämpfung von Hass und Hetze" - ist jüngst dieser Tage wieder allseits im Gespräch. Allen voran wegen der gegenwärtigen autoritären Tendenzen des Staates gegen unliebsame Medien und Meinungsäußerungen vorzugehen, bleibt die Beantwortung der begehrten Fragen auch im Zusammenhang mit dem Vorgehen am Wossidlo-Gymnasium höchst aktuell.

Die Verneinung der Eilbedürftigkeit ist zudem eine bodenlose Frechheit. Der Antrag auf einstweiligem Rechtsschutz wurde in erster Instanz bereits am 21. März 2024 gestellt. Das Verwaltungsgericht brauchte für dessen Bearbeitung mehr als drei Monate und entschied erst zum 26. Juni 2024. Die Zustellung der Entscheidung erfolgte am 28. Juni 2024. Die Bearbeitung hätte auch deutlich schneller erfolgen können und sollen - dies wird schließlich bei Demonstrationen auch praktiziert, hier käme man schließlich auch nicht auf die Idee über einen Eilantrag erst Monate später zu entscheiden und dann auch noch die Frechheit zu besitzen, dessen Eilbedürftigkeit mit dem zwischenzeitlichem Ablauf des beabsichtigten anlassgebenden Datums zu begründen. Vielmehr liegt eine bewusste Rechtsvereitelung durch eine zu langsame Bearbeitung auf Seiten des Gerichtes nahe, um die Sache aus dem Wahlkampf heraus zu halten oder die Brisanz des Vorgangs aufgrund des mit der Zeit nachlassenden Nachrichtenwertes zu entschärfen. Das entspricht auch  - wie zufällig - der Interessenlage der Polizei. Wer hier noch an die Unvoreingenommenheit und Offenheit der Justiz gegenüber dem Bürger glaubt, dürfte nach solchen Erlebnissen spätestens daran zweifeln.

Diese Fälle zeigen, wie wichtig es ist, dass die Justiz die Bedeutung moderner Medien und die Rechte von Bloggern anerkennt. Blogs wie meiner sind Multiplikatoren für wichtige gesellschaftliche Diskussionen und tragen zur Informationsvielfalt bei. Es ist inakzeptabel, dass Gerichte diese Rolle verkennen und dadurch die Arbeit von Bloggern behindern.

Zudem muss gewährleistet sein, dass der Zugang zu staatlichen Informationen bei denen besteht, die die nicht allzu hohen Anforderungen aus der Rechtsprechung erfüllen.

Ich werde vor dem Bundesverfassungsgericht weiterhin für meine Rechte kämpfen und hoffe, dass diese kritischen Entscheidungen bald korrigiert werden. Unser Rechtssystem darf nicht zulassen, dass wichtige Themen ignoriert und Grundrechte verletzt werden. Es ist an der Zeit, dass wir uns für eine gerechte Justiz einsetzen, die ihren Aufgaben auch gerecht wird.

Mit kritischen Grüßen,

„seylaw.blogspot.com“

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