In meiner frühen Jugend gab es im Supermarkt noch Schachteln auf denen das Wort "Negerküsse" aufgedruckt war. Und kaum einer störte sich an dem Begriff, bis die politische Korrektheit auch Mecklenburg-Vorpommern erreichte und der lokal dominierende Grabower Hersteller diese in den 90er-Jahren in Grabower Küsse umbenannte.
Am 22. April 2021 kam es in einem Berliner Supermarkt zu folgender Szene. Prince O. Keyere ist in dem Supermarkt zu sehen, wie er andere Menschen aggressiv mit Rassismus-Vorwürfen überzieht, weil sie das Wort "Negerkuss" verwendet hatten, als es um eine geäußerte Kaufabsicht derselben ging. Dabei sind auch heftige Reaktionen der anderen Kunden zu sehen. Die Entstehung der Situation bleibt dabei offen. ALDI reagierte mit folgendem Statement:
Einerseits distanzierte man sich von Rassismus und Gewalt, erbat Zeit für die Aufklärung des Sachverhalts, aber entließ sofort den im Video handelnden Filialleiter.
In meinen Augen ist es nachvollziehbar, dass man einen solchen Vorfall erst aufklären will und sich vorbehält erst später Konsequenzen zu ziehen, nachdem ein umfassenderes Bild vom Geschehen vorliegt, als es im Video zu sehen war, insbesondere einer Befragung der Mitarbeiter und ggfs. Zeugen zur Vorgeschichte. Jene Botschaft wird durch die gleichzeitige Bekanntgabe von der Trennung von dem Filialleiter konterkariert, man wollte wohl in Zeiten der sozialen Medien vor allem ein schnelles und deutliches Signal geben, um den medialen Druck nicht stärker werden zu lassen. Das ist völlig indiskutabel und rückgratlos vom Arbeitgeber! Das dürfte für ALDI noch ein juristisches Nachspiel vor dem Arbeitsgericht haben, denn ich vermag keinen einschlägigen Kündigungsgrund auszumachen: Der Hinweis auf die Nichtverbotenheit des Wortes "Negerkuss" ist wohl kaum selbst als rassistische Äußerung deutbar.
Der Skandal an dieser Geschichte ist meines Erachtens auch gerade nicht der Rassismus-Vorwurf, sondern dass der Filialleiter als Bauernopfer von seinem Unternehmen vor die Tür gesetzt wird, welches einen PR-Gau verhindern will, obwohl jener vollkommen zu Recht deeskalierend auf den sich hier als Rassismus-Opfer inszenierenden Prince O. Keyere einwirkte. Dieser hatte über weite Teile seines Monologs keinen Mund-Nasen-Schutz getragen und wurde aggressiv gegenüber den anderen Kunden und ist meines Erachtens völlig zu Recht aus der Filiale verwiesen worden. Und auch wenn es die Kreuzritter der politischen Korrektheit anders sehen mögen, ist es zudem heute noch sozialadäquat das Wort Negerkuss zu verwenden, erst Recht in einem Supermarkt und im Kontext einer Kaufabsicht derselben. Auch in Berlin. Denn was Prince O. Keyere und Schreiberlinge in den Redaktionen nicht zu wissen scheinen: Was Rassismus ist und was nicht, liegt nicht im subjektiven Auge eines jeden oder der betroffenen sozialen Gruppe (sofern überhaupt ein Konsens in jener bestehen würde), sondern wird - zumindest von Juristen - objektiv bestimmt. Das ist beim Beleidigungstatbestand übrigens genauso. Warum wir das in unserer Rechtsordnung so machen sollte man in anderen Gesellschaftswissenschaften einmal zur Kenntnis nehmen: Denn wenn wir damit anfangen uns an subjektiven Empfindlichkeiten Einzelner oder aller möglichen sozialen Gruppen zu orientieren, leben wir bald in einer Welt in der auf alle möglichen Mikroaggressionen Rücksicht zu nehmen wäre. Und jenes Vorbeugen gegen aller möglichen Empfindlichkeiten hätte einschneidende Konsequenzen für die Freiheit. Ergo sind in einer freiheitlichen Gesellschaft erlaubte Verhaltensweisen nun einmal hinzunehmen, selbst wenn jene sozialinadäquat wären, d.h. auch wenn sie Einzelnen als verletzend auffassen mögen.
Wenn man natürlich irgendwann parlamentarische Mehrheiten hinter sich hat, die bestimmte Verhaltensweisen unterbinden wollten - geht das im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung (d.h. sofern man mit jenen Gesetzen nicht die Verfassung bricht, der Gesetzgeber ist also nicht vollkommen frei in seiner Gestaltungsmöglichkeit). Doch dann müssten jene Mehrheiten den gesellschaftlichen Widerstand gegen solcherlei freiheitsbeschränkende Vorhaben auch politisch verantworten.
Was die Verfechter der politischen Korrektheit nicht erkennen: Erstmal war das hier nur ein Fall von vermeintlichem Rassismus, das ist der wesentliche Punkt. Zweitens ist es verwunderlich, dass gerade aus dem politischen Lager, das sonst immer Toleranz predigt, auf einmal intoleranter Eifer vorherrscht, wenn es um das Unterdrücken von unerwünschter Sprache geht. Und die Deutungshoheit, was unerwünscht ist oder nicht, liegt natürlich bei ihnen selbst. Meine Freunde, so geht es nicht! Ihr vergiftet mit euren Hetzkampagnen das gesellschaftliche Klima und fühlt euch auch noch gut dabei. Das kann ich nur mit Kopfschütteln quittieren. Und an ALDI gerichtet: Ihr seid ein heißer Kandidat für den Titel des miesesten Arbeitgebers, der mir in diesem Jahr unter die Augen gekommen ist. Ihr habt das falsche Signal an die Belegschaft gesetzt. Ich kann nur hoffen, dass ihr keinen Filialleiter entlassen würdet, der gegen klauende Flüchtlinge und Migranten vorgeht - man könnte sich ja auch dort unangenehmer Kampagnen aus dem gleichen politischen Spektrum aussetzen.
Zudem, wo hört dieser Unsinn auf? Darf man bei einer Sinti und Roma demnächst kein Zigeunerschnitzel mehr bestellen? Oder mit einem Filipino im Raum keinen Flip-Chart mehr als solchen bezeichnen?! Muss man sich künftig mehrfach absichern, ja nichts falsches zu sagen, nur weil das irgendwen beleidigen könnte?!