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Warum die "Ehe für Alle" verfassungswidrig ist


A.                 Einleitung

Schleichend nahm eine Entwicklung im Jahr 2017 im Bundestag ihr abruptes Ende, die kurz nach der Jahrtausendwende zuvor bereits die Gemüter der Bundesrepublik vor dem Bundesverfassungsgericht erregte und letztlich ein mit einer Institutsgarantie ausgestattes Strukturmerkmal unserer Verfassung zu Fall brachte: Den klassischen Ehebegriff. Ist mit dem erfolgten Federstrich des Gesetzgebers in der Sache jetzt die letzte Schlacht geschlagen? Sind Berge von Literatur nun obsolet? Mit einem „Ja!“ als Antwort könnte man diesen Beitrag beenden bevor er begonnen hat. Doch die verfassungsrechtliche Bewertung erfordert noch ein paar Worte mehr und so viel sei vorab verraten, der Preis für die Befürworter ist hoch – denn ihr politischer Sieg erfolgte nur auf Kosten eines wohl ungeahndet bleibenden Verfassungsbruchs.

B.                 Überrumpelung als Methode – wie die „Ehe für Alle“ in den Bundestag zur Abstimmung kam

Am Ende ging alles ganz schnell. Selbst die Bayrische Staatsregierung – bislang eine Bastion für die Verteidigung sozial-konservativer Werte – gab im März 2018 bekannt nicht mehr um die klassische Ehe kämpfen zu wollen.[1] Was war zuvor geschehen? Wenige Monate vor der Bundestagswahl 2017 hatte Kanzlerin Angela Merkel auf einer Berliner Veranstaltung eine Gewissensentscheidung über die „Ehe für Alle“ angekündigt: „Ich möchte die Diskussion mehr in die Situation führen, dass es eher in Richtung einer Gewissensentscheidung ist, als dass ich jetzt per Mehrheitsbeschluss irgendwas durchpauke.“[2] Auch wenn sie sich eine längere Diskussion in Würde darüber vorstellte, ergriffen SPD und Grüne die sich bietende Chance noch am letzten Sitzungstag der zu Ende gehenden Legislaturperiode die Frage über die Öffnung der „Ehe für Alle“ auf die Tagesordnung zur Abstimmung zu stellen.[3] Merkels Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion waren überrumpelt.[4] Auch wenn sich kurz zuvor alle möglichen kommenden Koalitionspartner dafür aussprachen, hatte man in den Reihen der Union erst mit einem deutlich späteren Zeitpunkt für die nähere Befassung mit dem Thema gerechnet.[5] Von 623 abgegebenen Stimmen votierten 393 Abgeordnete für den Gesetzesentwurf (vornehmlich von SPD, Grüne und Linkspartei, aber auch 75 von CDU/CSU), 226 dagegen (ausschließlich CDU/CSU sowie die fraktionslose Erika Steinbach) und vier enthielten sich, 7 Parlamentarier waren bei der Abstimmung abwesend.[6] Somit ergab sich eine Zustimmung von rund 62,4 % der Mitglieder des Bundestages für die „Ehe für Alle“. Dies mag eine klare Mehrheit darstellen, doch hielte man eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Verfassungsänderung für erforderlich, bleibt festzustellen, dass jene ebenso deutlich verfehlt worden ist.

C.                 Der Schutz von Ehe und Familie im Lichte des Grundgesetzes

Der sich in dieser Abstimmung widerspiegelnde gesellschaftliche Wandel hatte sich zuvor schon in mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, grundlegend etwa zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001, niedergeschlagen. Dieser Beitrag zeigt im Folgenden die verfassungsrechtlichen Grenzen für Politik und Rechtsprechung auf, die es zur Änderung eines wesentlichen Strukturmerkmals eines Grundrechts zu beachten gibt.

„Das Grundgesetz stellt in Art. 6 I GG Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Damit garantiert die Verfassung nicht nur das Institut der Ehe, sondern gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich der Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung.“[7] Dies ist der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Ausgangspunkt, weshalb näher auf die beiden Schutzgüter Ehe und Familie eingegangen werden soll.

Aufgrund des sozialen Wandels kam es in der Rechtsprechung in den letzten Jahren zu einer gewissen Verselbständigung der Schutzgüter, so dass nicht nur die ehebasierte Familie heute den Schutz des Art. 6 I genießt.[8] Nichtsdestotrotz bleibt die auf eine Ehe gegründete Familie das Leitbild der Verfassung,[9] die vollständigste Familienform und typischerweise die beste Voraussetzung für eine gedeihliche Entfaltung der Kinder.[10]

Erweiterungen des Familienbegriffes sind etwa für Uhle vor diesem Hintergrund dort mit Art. 6 I vereinbar, wo sie die Verbindungslinien zwischen Ehe und Familie nicht vollends kappen. Das setzt allerdings voraus, dass der Familienbegriff auch im Falle seiner Erweiterung an einem Grundmodell ausgerichtet bleibt, das auf ehelichen oder zumindest prinzipiell ehefähigen Partnerschaften und deren umfassender Gemeinschaft mit Kindern basiert und sich darauf beschränkt, insofern auftretende Sondersituationen wie etwa die Scheidung bzw. Trennung der Eltern oder die Fälle der Stief-, Adoptiv- und Pflegekinder verfassungsrechtlich zu bewältigen.[11] Die von der Judikatur anerkannten Lockerungen der Verbindung von Ehe und Familie haben sich bislang innerhalb dieses Rahmens bewegt. Indessen hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Urteil zur Sukzessivadoption 2013 einer vollständigen Entkopplung von Ehe und Familie den Weg gebahnt, indem er auch gleichgeschlechtliche und deshalb a priori eheunfähige Verbindungen mit Kindern in den Familienbegriff einbezogen hat.[12] Damit ist das auf der Gemeinschaft von verheirateten oder unverheirateten (aber prinzipiell ehefähigen) Eltern und ihren Kindern beruhende familiäre Grundmodell des GG bundesverfassungsgerichtlich aufgegeben worden.

Doch was das Verständnis der Ehe betrifft, ließen die Richter des Bundesverfassungsgerichts zur Interpretation von Art. 6 I GG bislang trotz dieser vorgenommenen Lockerungen keinen Zweifel daran aufkommen sie weiterhin als Verbindung zwischen Mann und Frau im Sinne einer Institutsgarantie anzusehen: „Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 I GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz. Um diesem Schutzauftrag Genüge zu tun, ist es insbesondere Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt, und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.“[13]

Wollenschläger umschreibt eine solche Institutionsgarantie mit folgenden Worten: „Nach – aus der Weimarer Staatsrechtslehre tradiertem, auch in den Beratungen des Parlamentarischen Rates betontem – weithin anerkanntem und anzuerkennendem Verständnis gewährleistet eine Institutsgarantie Rechtsinstitute wie die Ehe nicht nur in ihrem abstrakten Bestand, sondern auch hinsichtlich ihrer wesentlichen Strukturmerkmale. Damit ist dem Gesetzgeber sowohl eine Abschaffung des Instituts als auch eine Modifikation seines Kerngehalts verwehrt; dies ist nur im Wege einer Verfassungsänderung möglich. Jenseits der verfassungsrechtlich verbindlich vorgegebenen Strukturmerkmale bleibt dem Gesetzgeber freilich ein weiter Ausgestaltungsspielraum, namentlich um das Institut sich wandelnden gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.“[14]

Diese Auffassung galt bislang auch weit überwiegend in der Literatur, so etwa unmissverständlich von Badura artikuliert: „Daraus, dass die Ehe nach Art. 6 Abs. 1 die Vereinigung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft ist, folgt, dass aus dieser Grundrechtsnorm ein Recht auf Eingehung einer Ehe mit einem gleichgeschlechtlichen Partner nicht hergeleitet werden kann. Die Geschlechtsverschiedenheit gehört zu den prägenden Merkmalen der Ehe. Hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem Sinne, dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme, sind nicht erkennbar.“[15]

Die Voraussetzung der Geschlechtsverschiedenheit folgt sowohl aus dem im Parlamentarischen Rat als selbstverständlich vorausgesetzten Eheverständnis[16] als auch aus der generellen „Finalität“ der Ehe, d. h. aus der für sie charakteristischen prinzipiellen Ausrichtung auf die Familie,[17] die unabhängig von ihrer individuellen Fähigkeit oder Unfähigkeit ist, Nachkommen zu zeugen.[18] Die Ehe kommt folglich nicht wegen der mit ihr verbundenen gegenseitigen Verantwortungsübernahme der Ehepartner in den Genuss eines besonderen Schutzes der Verfassung, sondern wegen der aus ihr potentiell hervorgehenden Familie.[19]

D.                Verfassungsrechtliche Bewertung der Einführung der Ehe für Alle

Durch die „Ehe für Alle“ wird der traditionelle Ehebegriff nun jedoch durch den einfachen Gesetzgeber aufgegeben und auf Personen gleichen Geschlechts erweitert.[20]

Damit wird die Ehe von der ursprünglichen Konzeption der Verfassung entkoppelt, die den besonderen Schutz wegen der aus ihr potentiell hervorgehenden Familie aufstellte.

Maßgeblich ist damit die Frage, ob mit der Erweiterung des Ehebegriffs der Kerngehalt der Ehe verletzt ist. Verfassungsrechtlich damit verbunden ist die Frage, ob der einfache Gesetzgeber überhaupt zur einfach-gesetzlichen Öffnung der Ehe befugt war. Dies ist in der juristischen Fachwelt hoch umstritten und der dazu existierende Meinungsstand zuletzt umfangreich von Wollenschläger nachgewiesen worden.[21]

Nach den in dieser Arbeit vorgestellten Maßstäben aus Literatur und Rechtsprechung spricht viel dafür, dass die Erweiterung des Ehebegriffs durch den einfachen Gesetzgeber nicht mit Art. 6 I GG zu vereinbaren ist und es daher einer Verfassungsänderung mit einer entsprechenden Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat bedarf.

Die Verbindung aus Mann und Frau ist ein wesentliches Strukturmerkmal der Ehe, das nicht durch den einfachen Gesetzgeber abgeändert werden darf. Allein schon die Schaffung der Lebenspartnerschaft als eigenständiges Institut bezeugt die Haltung, dass dies auch im Ursprung vom Gesetzgeber bislang so gesehen wurde. Denn ansonsten hätte es der Einführung der Lebenspartnerschaft für Homosexuelle von Anfang an gar nicht bedurft und dieses neu geschaffene Institut verliert auch mit der begrifflichen Ausweitung des Ehebegriffs nun völlig seine Bedeutung.

Auch die Verfassungshistorie streitet dafür, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes klar die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe bei der Konzeption von Art. 6 GG vor Augen hatten. So lautete eine der diskutierten Vorfassungen noch: "Die Ehe als die rechtmäßige Form der dauernden Lebensgemeinschaft von Mann und Frau und die aus ihr wachsende Familie sowie die aus der Ehe und der Zugehörigkeit zur Familie fließenden Rechte und Pflichten stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“

Die zuweilen aufgestellte Behauptung, der Ehebegriff sei bereits als offen anzusehen, weil sich die Vielgeschlechtlichkeit nicht im Wortlaut widerspiegele, ignoriert damit diese klar überlieferte Entstehungsgeschichte.

Allein aus redaktionellen Gründen, mit der keine inhaltliche Veränderung verbunden sein sollte, findet sich die heutige Formulierung im Grundgesetz wieder. 

Andere in der Literatur existente Auffassungen verkennen auch die ständige und über Jahrzehnte verfestigte und auch zuletzt nicht aufgegebene Rechtsprechung, welche die Verschiedengeschlechtlichkeit als Kernelement des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs begreift und deren Preisgabe dem staatlichen Schutzauftrag zuwiderläuft.[22]

Die hier dargestellte Position samt den dargelegten Argumenten sind - wie bei einem kontroversen Thema auch nicht anders zu erwarten - vereinzelt in Zweifel gezogen worden. So wurde unter anderem spekuliert das Bundesverfassungsgericht könnte seine Definition des Ehebegriffs aufgeben. Doch allen Versuchen einer „Dynamisierung der Verfassung“ zu Munde zu reden - Juristen mangelte es noch nie an Kreativität bei Interpretationen und Konstruktionen - ist aus Gründen der gebotenen Richterlichen Selbstbeschränkung[23] eine deutliche Absage zu erteilen. Denn es ist nicht Aufgabe der Verfassungsrichter „Politik zu betreiben“ und ihre eigenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen unter Verkennung der dafür erforderlichen politischen Mehrheiten über jener der anderen Verfassungsorgane zu stellen. Das gilt erst Recht für ein elementares Strukturmerkmal eines Grundrechts! Andererseits würde das BVerfG vollends drohen sich von der Verfassung und der Grenzen seiner Interpretation zu entgrenzen. [24]

Eine Institutsgarantie würde im Übrigen vollends an Wert verlieren, wenn man sie dynamisch an den jeweiligen Zeitumständen den jeweiligen herrschenden Anschauungen anpassen dürfte. Somit ist es überzeugender den Kern des Ehebegriffs statisch zu bestimmen und leitet sich daher aus dem der Verfassung historisch zugrunde liegenden Leitbild ab.[25] Diese Sicht wird - anspielend auf eine Strömung im amerikanischen Verfassungsrecht - zuweilen als originalistisches Verfassungsverständnis bezeichnet. Wie man eine solche jedoch auch bezeichnen mag, vermögen die eine Öffnung befürwortenden Ansichten die zentralen Bedeutung des klassischen Ehebegriffs nicht angemessen zu würdigen, über den nur der verfassungsändernde Gesetzgeber neu entscheiden darf. Die Kerndefinition wurde durch den Verfassungsgeber im Ursprung gegeben, kann aber freilich durch den verfassungsändernden Gesetzgeber jederzeit geändert werden (Art. 79 GG), lediglich die Ausgestaltung außerhalb jenes Kernbereichs darf durch den einfachen Gesetzgeber erfolgen.[26]

Die gegen die hier vertretene Ansicht vorgebrachte Kritik, dass damit eine Auslegung des Verfassungsrechts im Lichte aktueller Entwicklungen und Herausforderungen unmöglich würde,[27] ist mit Verweis auf die Möglichkeit einer Verfassungsänderung widerlegt – es bedarf schlicht die hierfür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat, die aus gutem Grund zur Änderung eines solchen Strukturmerkmals eine hohe Hürde darstellt.

Die von den Befürwortern der „Ehe für Alle“ zuweilen vorgetragene Sichtweise, dass die verfassungsrechtlich gebotene und eingeforderte weit reichende Gleichstellung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft sowie die Relativierung der Rechtfertigungsgründe für einen besonderen Schutz der (verschiedengeschlechtlichen) Ehe im Verhältnis zur (gleichgeschlechtlichen) Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht ohne Konsequenz für das Verständnis der Ehegarantie sein können,[28] vermengt unzulässigerweise die Definition des Ehebegriffs mit der Frage der Gleichbehandlung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft. Diese Fragen sind aber richtigerweise auseinander zu halten.[29]

E.                 Schlussbemerkungen

Der Autor reiht sich in den bereits viele Stimmen umfassenden Chor an Staatsrechtlern ein, die die „Ehe für Alle“ ohne Verfassungsänderung für verfassungswidrig halten. Die hierfür erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde zumindest bei der Abstimmung im Bundestag 2017, wie eingangs aufgezeigt, nicht erreicht. Eine gegen das verabschiedete Gesetz eingelegte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht hätte damit – bei allen immer verbleibenden Unwägbarkeiten – jedenfalls eine starke Ausgangsposition und mithin durchaus Aussicht auf Erfolg gehabt.
Es ist bedauerlich, dass nicht einmal mehr die Bayrische Staatsregierung den Mumm hatte, um für den klassischen Ehebegriff vor dem Bundesverfassungsgericht zu streiten. Mangels Kläger bleibt der Verfassungsbruch daher wohl ungesühnt.

Jedwede staatliche Grenzziehung schließt durch die vorgenommenen Wertentscheidungen natürlich Menschen vom Ausleben ihres persönlichen Glücks ein Stück weit aus. Dieser Preis ist für einen breiten gesellschaftspolitischen Konsens jedoch zu zahlen.[30] Mit der Lebenspartnerschaft wurde durch den Gesetzgeber zu Recht Homosexuellen ein eigenes Institut geschaffen, das auch in den Jahren nach ihrer Einführung Stück für Stück an die Ehe angeglichen wurde. Der Ausweitung des Ehebegriffs bedurfte es daher nicht. Durch die Öffnung des Ehebegriffs wurde nun aber eine verfassungsrechtliche Grenze überschritten, denn wie dargelegt endet die Kompetenz des einfachen Gesetzgebers beim Kernbereich eines grundrechtlichen Strukturmerkmals! 

Politisch bringt es sozialkonservative Teile der Bevölkerung nun gegen den Staat auf. So hatten etwa Mitglieder der Berliner CDU im Jahr 2015 sich mehrheitlich gegen die "Ehe für Alle" ausgesprochen,  45 Prozent waren gänzlich und sieben Prozent "eher" dagegen. Demgegenüber votierten nur 35 Prozent "voll und ganz" und sieben Prozent "eher" für eine vollkommene Gleichstellung. Und man bedenke, dass das Zahlen aus dem "progressiven" Berlin sind! Es ist anzunehmen, dass in weit ländlicheren Gegenden der Republik die Ablehnung in politisch konservativen Kreisen noch deutlicher ausfallen dürfte. Auch wenn dieses Milieu nur einen Bruchteil der Gesamtwählerschaft ausmacht, hätte zumindest die Parteiführung der Union diese Mehrheitsverhältnisse an der Basis nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Ein paralleles Nebeneinander beider Institute hätte diesen sozialen Konflikt nicht weiter verschärft und wäre die klügere Politik gewesen. Nun gibt es jedoch einen klaren Verlierer in diesem sozialen Konflikt. Kann sich denn der Gewinner nun wenigstens freuen? Dieser Beitrag zeigt: Nicht, wenn ihm die Wahrung des Grundgesetzes am Herzen liegt.

Nicht ohne Grund sieht die Verfassung hohe Hürden für ihre Veränderung vor – dem Schutz von Minderheiten, wie in diesem Fall Sozialkonservative. In dieser Zeit sehen jene zusehends ihre Positionen vom Staat, den etablierten Parteien und Medien sowie auch in den Kirchen nicht mehr angemessen vertreten. Sogar die Richter des Bundesverfassungsgerichts sorgten sich jüngst über das ausgeglichene politische Verhältnis in ihren eigenen Reihen[31] und dürfte zur Sicherung einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer Entscheidungen auch erforderlich sein. Eine wie auch immer ausgehende Klage hätte diesen Menschen zumindest eine Stimme und Gehör verschafft. Es ist ein Armutszeugnis der politischen Elite im Land dieser gesellschaftlichen Gruppe solches zu versagen.

*NACHTRAG*

Empfehlenswert zur weiteren Vertiefung ist der Vortrag von Prof. Benedict, der Gutachter im Rechtsausschuss zu dem Thema war. Wer etwa einmal die (verfassungsrechtlich höchst bedenkliche) Sicht des Gesetzgebers hören möchte, kann ab 15:40 Min einmal herein schauen.


* Der Autor ist Rechtsassessor und Master of Laws. Er war von 2015 - 2017 Mitglied der Bundeskommission "Gesellschaft, Werte und Recht" der Jungen Union Deutschlands. 
[1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ehe-fuer-alle-bayern-doch-keine-klage-bverfg-kein-verstoss-artikel-6-gg/ (08.03.2018).
[2] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel (08.03.2018).
[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel (08.03.2018).
[4] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-union-angela-merkel-abstimmung-reaktionen (08.03.2018).
[5] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-cdu-csu-spd-bundestag-angela-merkel (08.03.2018).
[6] http://www.zeit.de/politik/2017-06/bundestag-stimmt-fuer-ehe-fuer-alle (08.03.2018).
[7] BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012 − 2 BvR 1397/09, Rn. 66.
[8] Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 16 ff.
[9] V. Campenhausen VVDStRL 45 (1987), 7, 22; MKS/Robbers, GG Art. 6 Rn. 17 f.
[10] BVerfGE 117, 316, 328.
[11] Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 18.
[12] BVerfG NJW 2013, 847, 850 f.; EGMR NJW 2011, 1421, Ls. 5 und 1424 f.
[13] BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 2012 − 2 BvR 1397/09, Rn. 66 m. w. N.; siehe zu der gewärleisteten Institutionsgarantie auch: Gutachten Wollenschläger, S. 24 ff.
[14] Gutachten Wollenschläger, S. 24 f. m. w. N., welcher allerdings in seinen späteren Ausführungen diesem Dogma nicht hinreichend Beachtung schenkt.
[15] Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 58.
[16] Stern StaatsR IV/1, 373; vgl. auch v. Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 Rn. 9.
[17] Siehe dazu: BVerfG (K) NJW 1993, 3058; Pauly NJW 1997, 1955.
[18] BVerfGE 49, 286, 300; Sachs/von Coelln, GG, Art. 6 Rn. 6; zum Motiv der gesellschaftlichen Reproduktionsfunktion Braun ZRP 2001, 14, 16; P. Kirchhof FPR 2001, 436, 438; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 4.
[19] Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 4; unter dogmatischer Entkopplung der Ehe und Familie anders aber BVerfGE 124, 199, 225 f.; BVerfGE 126, 400, 425 f.; BVerfGE 131, 239, 259 ff.; BVerfGE 132, 179, 188 ff.; NJW 2013, 847, Ls. 3 und 850 f.
[20] Näheres zur Rechtslage siehe Gutachten Wollenschläger, S. 12 ff.
[21] Gutachten Wollenschläger, S. 7 f. [Fn. 4 und 5]: Von der Verfassungswidrigkeit ausgehend: Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 42 f. und Rn. 58 (Stand: 81. EL September 2017); Benedict, https://www.youtube.com/watch?v=19UyLXw99Zg (10.03.2018); Bleckmann, Grundrechte, § 27, Rn. 6 ff., 19 f.; Braun, JZ 2002, S. 23 (25 ff.); Burgi, Der Staat 39 (2000), 487 501 ff.; ders., in: Friauf/Höfling, Art. 6 (Stand: 4. EL April 2002), Rn. 18 f., 31 f., 47; A. Frhr. von Campenhausen, VVDStRL 45 (1986), S. 7, 25 ff.; von Coelln, in: Sachs, Art. 6, Rn. 3, 6; Erbarth, NZFam 2016, 536, 537 ff.; Friauf, NJW 1986, 2595, 2601, 2602; Gade/Thiele, DÖV 2013, S. 142, 150 f.; Gärditz, JZ 2011, 930, 934; ders., Verfassungsgebot Gleichstellung?, S. 85 (104 f., etwas offener 121); Gellermann, Grundrechte, S. 320; Görisch, Der Staat 54 (2015), 591, 592 ff., 611 ff.; Gröpl/Georg, AöR 139 (2014), 125, 149; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Henneke, Art. 6, Rn. 5, 9, 22; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 6, Rn. 4, 18; Kloepfer, in: HGR II, § 43, Rn. 39, 70; Kotzur, in: Stern/Becker, Art. 6, Rn. 15 ff., 60; Kramer, Wandlungsfähigkeit, S. 162 ff., 273 f., 277 f.; Krings, Eheschutz, S. 269 (269 ff.); Mager, Einrichtungsgarantien, S. 452 f.; Pauly, NJW 1997, 1955, 1955 ff.;  Rijsbergen, Schutz, S. 184, 185 f.; Robbers, JZ 2001, 779, 783; Scholz/Uhle, NJW 2001, 393, 396 f.; Seiler, in: BK, Art. 6 Abs. 1 (Stand: 168. EL Juli 2014), Rn. 62, 71, 107; Steiner, in: HGR IV, § 108, Rn. 9, 39; Tettinger, Schutz, S. 117, 133 f.; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6 Rn. 4 ff., 29 f.; Umbach, in: ders./Clemens, Art. 6, Rn. 58 ff.; ferner: v. Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6, Rn. 9, 12 f. – wiewohl die Möglichkeit eines zukünftigen Verständniswandels anerkennend; Ruffert, Vorrang, S. 399 f. – ebenso; Steiger, VVDStRL 45 (1986), 55, 79; von Coelln, in: Sachs (2018), Art. 6, Rn. 6; ders., NJ 2018, 1, 1 ff.; Hufen, Staatsrecht II, § 16, Rn. 45; Ipsen, NVwZ 2017, 1096; Kramer, Wandlungsfähigkeit, S. V i.V.m. S. 162 ff., 273 f., 277 f.; Schmidt, NJW 2017, 2225, 2226 ff.; Epping/Hillgruber/Uhle, Art. 6, Rn. 4.2 f. Für die Verfassungskonformität: Beck, FPR 2010, 220, 225 f.; ders./C. Tometten, DÖV 2016, 581, 584 ff.; Bömelburg, NJW 2012, 2753, 2758; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, Art. 6, Rn. 81; dies., FamFR 2013, 169, 171 f.; dies., NJW 2015, 3557, 3558 ff.; Classen, DVBl. 2013, 1086, 1090; Dethloff, FamRZ 2016, 351, 352 ff.; Germann, VVDStRL 73 (2014), 257, 286, 287 ff.; Heun, Ehen, S. 272 ff.; Hwang, KritV 2014, 133, 148 ff.; Koschmieder, Dynamisierungsprozesse, S. 249 ff.; Mangold, Streit 2013, 107, 116; Michael, NJW 2010, 3537, 3542; Möller, DÖV 2005, 64, 65 ff.; Ott, NJW 1998, 117, 117 f.; Sanders, Ehebild, S. 351 (361 ff.); dies., NJW 2013, 2236,  2239; Schimmel, Eheschließungen, S. 58 ff.; Wapler, Verfassungsmäßigkeit, S. 15 ff.; dies., FamRZ 2017, 602, 602; ferner Grünberger, FPR 2010, 203, 208; Rixen, JZ 2013, 864, 872 f.; ders., Verfassung, S. 131 (136 ff.); Stern, Staatsrecht, § 100 (S. 490 – trotz Kritik): „verfassungsgerichtlich vollzogene[r] Verfassungswandel“; Bäumerich, DVBl. 2017, 1457, 1461 ff.; Blome, NVwZ 2017, 1658, 1660 ff.; Gärditz, FF 2018, S. 8 (10 ff.); Meyer, FamRZ 2017, 1281; Robbers, in: Huber/Voßkuhle, Art. 6, Rn. 47 (anders noch die Vorauflage, siehe MKS/ders., Art. 6, Rn. 47); Schaefer, Die „Ehe für alle“ und die Grenzen der Verfassungsentwicklung, Manuskript, V.; Wasmuth, NJ 2017, 353, 356 ff. Offen gelassen: Berning, Eingetragene Lebenspartnerschaft, S. 167 (194 ff.) – mit Tendenz zur Öffnung; Böhm, VVDStRL 73 (2014), 211, 226; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 6, Rn. 9a.
[22] Vgl. auch Gutachten Wollenschläger, S. 50, der jedoch eine Ambivalenz der Rechtsprechung wahrnehmen will, die sich - genauer betrachtet - alleine auf Sonderkonstellationen beschränkt, etwa zum Fortbestand der Ehe bei nachträglicher Geschlechtsumwandlung von Transsexuellen; und auf S. 57 ff. einen abzulehnenden Versuch einer dynamischen Verfassungsinterpretation auf Grundlage u.a. jener Sonderkonstellation und des Kammerbeschlusses BVerfG (K), NJW 1993, 3058, unternimmt.
[23] BVerfGE 36, 1, 14 f.
[24] So deutet etwa Gärditz die Rechtsprechung des BVerfG als „Umweg einer verfassungsrechtlich katalysierten Parallelgesetzgebung“, K. F. Gärditz, JZ 2011, 930, 934; ferner 939: Auslösen einer „sich selbst stabilisierende[n] Angleichungsspirale“; ferner ders., Verfassungsgebot Gleichstellung? S. 85, 127 ff.; ders., FF 2018, S. 8, 18, 22.
[25] Kramer, Wandlungsfähigkeit, S. 174.
[26] Für dieses zweispurige Verständnis siehe BVerfGE 105, 313, 350.
[27] So aber Gutachten Wollenschläger, S. 68.
[28] Gutachten Wollenschläger, S. 53.
[29] Papier, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-ex-verfassungsrichter-hans-juergen-papier-haelt-siefuer-verfassungswidrig-a-1155215.html (22.01.2018); Benedict, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 4 ff.; Görisch, Der Staat 54 (2015), 591, 592 ff., 600 ff.; Ipsen, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 4 ff.; ders., NVwZ 2017, 1096, 1097 f.; Jestaedt, Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 9; ferner Wasmuth, NJ 2017, 353, 356.
[30] Es gibt viele weitere Randgruppen, die weiterhin von der Regelung ausgeschlossen bleiben, doch käme wohl keine Partei derzeit auf den Gedanken etwa für die Erfüllung des Lebensglücks von Polygamisten zu streiten.
[31] http://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-karlsruhe-droht-der-verlust-des-gleichgewichts-1.3864267 (08.03.2018).

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My personal journey to unlock more performance on Linux - Part 2: Tweaking the Linux Kernel Welcome back to the second part of my Linux Gaming Tweaks series. If you missed the first part, head over here to get a general overview and learn more about my hardware and Linux distribution choices. In this episode, I will cover the single most important item on my tuning list, tweaking the Linux Kernel. Hence I will talk today about the Xanmod Kernel, additional patches I carry around to unlock an even better gaming experience, tweaks to my Kernel configuration, my Kernel command line and the compiler flags which I use to compile my Kernel. Unlike Windows, the Linux Kernel itself contains almost all of your hardware drivers (with notable exceptions, e.g. Nvidia's GPU driver). Hardware drivers are fundamental to get your PC up and running, changes in this area are also very performance-sensitive, beware that some tweaks might have an effect to the stability and security or even power usa

Müll, der zum Himmel stinkt

Alle Jahre versuchen sie es wieder und es stinkt bereits zum Himmel! Pünktlich zum Februar wurden die städtischen Müllgebührenbescheide an die Bewohner zugestellt, und man fragt sich immer wieder, ob gezielt damit gerechnet wird, dass man brav und anständig sein liebes Geld auf das Konto der Stadt überweist. Es regt sich jedoch Widerstand. Nicht nur von der FDP. Mich würde es ebenfalls einmal sehr reizen die Rechtmäßigkeit der Freiburger Abfallwirtschaftssatzung im Lichte des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 11.10.2004 (AZ: 2 S 1998/02) überprüfen zu lassen. Es lohnt sich also doch ab und an die Verwaltungsrechtsvorlesung und die dazugehörige Arbeitsgemeinschaft zu besuchen. Ein Landkreis ist mit seiner gängigen Praxis vor 2,5 Jahren vor Gericht nämlich schon gescheitert. Wenn es nach mir ginge würde Freiburg es ihm gleichtun. Das damalige Urteil stellt auf die Satzungsregelung des Landkreises Göppingen ab. Darin war geregelt, dass ein Haushalt eine bestimmte Grundgebü