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Jurastudium - Ein Nachruf

Seit ein paar Monaten liegt das Jurastudium nun hinter mir. Zeit genug, um sich gedanklich noch einmal damit reflektierend zu befassen. Immer wieder war in diesem Blog die Juristenausbildung und deren Unzulänglichkeiten ein Thema. Kritik an der Juristenausbildung ist wahrlich nicht neu, leider seit Jahrzehnten mit ebenso sehr verhaltenem Erfolg. Im Zuge des Bologna-Prozesses wurden hauptsächlich die überkommenen Strukturen in Frage gestellt. Erst in jüngster Vergangenheit erwachte aus ihrem Dornröschenschlaf erneut die Debatte, wie man komplexes juristisches Wissen überhaupt adäquat vermittelt und stellt sich nun der schwierigen Aufgabe auch über die Inhalte und Wissensvermittlung Gedanken zu machen. Ein neues Fach war geboren: Die juristische Fachdidaktik. Und auch wenn vieles in Deutschland noch in den Anfängen liegt, schien ein solches Anliegen, mit Blick ins Ausland, doch längst überfällig.

Vielfach wird versucht an verschiedenen Stellschrauben des Systems herumzubasteln und es werden die Schwierigkeiten betont grundlegende Veränderungen vorzunehmen.

Beispiele: Jüngst wurde die Abschaffung der Schwerpunktbereiche ins Spiel gebracht, die erst im Zuge der letzten Reform kurz nach der Jahrtausendwende eingeführt wurden. Der Wissenschaftsrat hingegen fordert eine Schwerpunktverlagerung auf kleingruppenorientierte Unterrichtsformen, wie dem Seminar, in: Wissenschaftsrat, Perspektiven der Rechtswissenschaft in Deutschland - Situation, Analysen, Empfehlungen, WR-Drs. 2558-12, so die Forderung auf S. 8 einerseits, andererseits auf S. 55 relativierend aber auch die Schwierigkeit deren Realisierung durch die schlechte Betreuungsrelation anerkennend. 


Man sollte aber auch nicht zu klein denken. An dieser Stelle möchte ich vehement dafür plädieren nicht notgedrungen den überkommenen Status Quo der Ausbildungs- und Prüfungsstrukturen als gegeben anzuerkennen, sondern im größeren Zusammenhang und auf die Zukunft gerichtet die Überlegung anzustellen, ob jene in der Rechtswissenschaft nicht ebenso unter didaktischen Gesichtspunkten und aufgrund neuer Herausforderungen des Arbeitsmarktes grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen. Befreien wir uns doch von dem Balast, der Veränderungen im Weg steht!

Veränderungen auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen erfordern solche grundlegenden Änderungen. Verwiesen sei hier u.a. auf die vordringende Technisierung und Standardisierung juristischer Dienstleistungen sowie die sich dadurch ändernden Anforderungen an die Juristenpersönlichkeiten der Zukunft, eine Entwicklung, die weg von den analytisch-logischen Charakteren hin zu den kreativeren und innovativeren Typen verläuft.

Im Detail beschreibt diesen Wandel jüngst Richard Susskind, The End of Lawyers 2008, S. 278 ff. bzw. S 282 ff., dessen Erkenntnisse auch in deutschen Großkanzleien für viel Wirbel gesorgt haben. Doch immer noch stehen in der Ausbildung handgeschriebene Klausuren und allein anzufertigende Hausarbeiten im Vordergrund der zu erbringenden Prüfungsleistungen.

Das Oberziel muss daher lauten Verbesserungen des gesamten Systems der Juristenausbildung als Solchem zu erreichen. Dies sollte bei allen Schwierigkeiten, die mit einem totalen Umbau verbunden wären, zumindest langfristig angestrebt werden. Korrekturen innerhalb des überkommenen Systems können eine Vorreiterrolle bei den Reformbemühungen einnehmen. Eine Beschränkung allein darauf würde aber letztlich die Verbesserungsbemühungen auf die effektivere Vermittlung des Lernstoffes und den dadurch erzielten Lernerfolg in Abhängigkeit von den nach wie vor im Staatsexamen vorausgesetzten Prüfungsanforderungen und –methoden verkürzen.

Doch neue Veranstaltungsformen ermöglichen die Chance der Vermittlung ganz neuer und andersartiger Fähigkeiten, die sich schwer bzw. gar nicht in das Korsett der klassischen Strukturen (Vorlesung, Seminar, Übung) oder Prüfungsmethoden (Klausur, Hausarbeit/Seminararbeit, mündliche Prüfung) zwängen lassen und eben jenes kreative und konstruktive Rechtsdenken schulen, dass in der deutschen Juristenausbildung heute fast vollständig fehlt. Fachdidaktische und Strukturfragen bilden keine voneinander getrennten Bereiche, sondern sind miteinander verwoben. Der ganzheitliche Ansatz muss daher auch bei Veränderungen der Juristenausbildung im Blick behalten werden. Heilige Kühe und Denkverbote darf es auf dem Weg nicht geben. Mithin steht das Leitbild des Volljuristen, die beiden Staatsexamina und das Referendariat zur Disposition.

Weiterführende Literatur:

Eine scharfsichtige Analyse der derzeitigen Defizite und eine Einleitung zur juristischen Fachdidaktik findet sich bei

[1] Brockmann/Dietrich/Pilniok, Von der Lehr- zur Lernorientierung – auf dem Weg zu einer rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik,  Jura 2009, 579

Knapper, aber online zugänglich, die Darstellung von

[2] Dietrich, http://www.kritv.nomos.de/fileadmin/kritv/doc/Aufsatz_KritV_12_03.pdf

Aktuelle Entwicklungen und Ablenkungen, hier in Form der Forderung der Abschaffung der Schwerpunktbereiche, finden sich beschrieben bei

[3] Ronald Schimmel, http://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/juristische-didaktik-jurastudium-rechtswissenschaften-repetitor-universitaet/

[Update vom 22.10.2014] Impulse können auch aus dem Ausland fruchtbar gemacht werden. In den USA mehren sich auch die Rufe nach einer Veränderung der Juristenausbildung für eine zielgerichtetere Ausbildung auf die spätere Karriere: http://blogs.adobe.com/conversations/2014/09/reinventing-law-school.html

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