Direkt zum Hauptbereich

Tipps zum Jurastudium #13

Kurz vorgestellt

Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar Strafgesetzbuch, 4. Aufl. 2010, 39 €

Der Lehr- und Praxiskommentar von Kindhäuser setzt sich das Ziel wie ein Lehrbuch die Vorschriften des StGB zu erläutern. Für die aktuelle vierte Auflage ist das Werk von der Seitenzahl her kräftig gewachsen (von 1168 auf 1308 Seiten = über 10 %). Neu dabei sind die Delikte der §§ 89 a, b und 91 sowie die neue Kronzeugenregelung des § 46 b. Selbstredend wurden aber auch andere Bereiche des Kommentars überarbeitet und aktualisiert.

Auch wenn sich das Werk, das mir der Nomos-Verlag dankenswerterweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte, als "Lehrbuch in Kommentarverkleidung" sieht, ist es vom Wesen her den gängigen Kommentaren näher als einem Lehrbuch. Allerdings mit der Maßgabe einer verständlichen Sprache und einer Darstellung der wesentlichen Streitstände des Strafrechts im Hinterkopf, so dass nicht nur Fortgeschrittene vom Kindhäuser profitieren dürften, sondern auch Anfänger bei der Bearbeitung ihrer Hausarbeiten. Gerade für letzteres ist der Kindhäuser eine wertvolle Fundgrube, stellt er doch die wesentlichen Streitfragen gut heraus und erläutert sie auch mit Argumenten. Andere Kommentare sind da mitunter selektiver oder weitschweifiger, so dass der Kindhäuser aber in jedem Fall als erste Anlaufstelle hilfreich ist. Aber auch die Systematik kommt nicht zu kurz. Vor den wichtigsten Paragrafen wird in Form von Vorbemerkungen Bezug zur Einordnung in das Gesamtsystem des StGB genommen und damit ein normübergreifender Kontext geliefert, der zum Verständnis unabdingbar ist.

Gerade für Examenskandidaten, die ohne Repetitor tiefer in die Materie einsteigen wollen (oder müssen) dient das Werk als wertvolle Ergänzung, muss sich aber gegenüber guter Konkurrenz behaupten. Hier sei vergleichend insbesondere der Studienkommentar von Joecks erwähnt, der sich spezieller an Examenskandidaten und deren Anforderungen richtet.

Im Vergleich zum Joecks ist der Kindhäuser deutlich ausführlicher. Auch neigt Joecks bei seinen Streitentscheiden zu Mindermeinungen und ist an manchen Stellen doch etwas knapp geraten, um den Kontext richtig zweifelsfrei zu vermitteln. Andererseits ist Joecks vom didaktischen Konzept her besser: Es finden sich u.a. bei ihm vielfach kleine Fall-Beispiele, die die abstrakte Materie verdeutlichen helfen, dazu werden Streitigkeiten im Gutachtenstil und somit "fallbezogener" dargestellt, wie man es für die Prüfungen braucht. Bei Kindhäuser finden sich zwar auch didaktische Tipps oder Hinweise auf die Umsetzung im Gutachten und auch einige Beispiele, doch werden die Streitigkeiten meist abstrakt erläutert. Durch die Fülle des Stoffes lässt sich mit ihm auch nicht einfach wie ein Lehrbuch arbeiten, sondern ist dann doch eher mit einem klassischen Kommentar vergleichbar, den man nicht zum Erarbeiten sondern zum Vertiefen des Stoffes nutzt.

Das muss aber kein Nachteil sein. Wer konkreten Rechtsfragen nachgehen möchte wird mit dem Kindhäuser besser bedient, da die Erläuterungen ausführlicher sind und sich die stellende (Sonder-)Konstellation hier eher finden wird. Für ein schnelles Erarbeiten ist dagegen der Joecks empfehlenswerter, der durch sein didaktisches Konzept zu überzeugen weiß.

Layout und Präsentation sind ja meist Geschmacksfragen. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle etwas näher darauf eingehen. Das Schriftbild beim Kindhäuser ist eher klein, dicht und das Format kompakt gehalten. Das sorgt aber für den oben genannten erheblichen Seitenumfang. Kernbegriffe, der Gesetzestext und die Gliederungspunkte werden mit Fettdruck hervor gehoben.
Unterschiedliche Positionen bei Meinungsstreitigkeiten werden meist mit Quadrat-Icons kenntlich gemacht und werden vom Haupttext eingerückt.
Die Literaturhinweise finden sich im Fließtext und nicht als Fußnoten, was den Lesefluss beim ungeübten Anwender stören mag. Der geübte Leser liest aber meist automatisch darüber hinweg, so dass das kein großer Nachteil wäre.

Auch wenn mir persönlich das Layout und die Präsentation von Joecks besser gefallen haben, sind diese beim Kindhäuser noch als zweckmäßig anzusehen. Es wirkt aber insgesamt etwas unübersichtlicher und ermüdender beim längeren Lesen.

Noch ein kleiner Exkurs für Anfangssemester, der sich hier anbietet: Sparfüchse kommen mit dem Kindhäuser ebenfalls auf ihre Kosten, wenn sie bereit sind etwas unorthodox vorzugehen. In Verbindung mit Fallbüchern kann man sich mit ihm nämlich die Anschaffung von Lehrbüchern aus dem AT und BT sparen, indem man sich die Materie weitgehend durch Fälle (samt deren Musterlösungen) erarbeitet und das theoretische Grundgerüst mit dem Kommentar dann vertieft. Dank der doch vergleichsweise eingängigen Sprache des Kindhäuser dürfte das auch für Anfänger machbar sein. Allerdings müssten sie dafür schon mit dem richtigen Umgang mit der Literatur trainiert sein. Durch die Stofffülle kann der ungeübte Leser nämlich durcheinander geraten und sich in der Komplexität der Materie verlieren. Wem dies passiert, sei dann doch lieber ein Skript oder eins der gängigen Standardwerke (u.a. Wessels/Beulke; Rolf Schmidt) empfohlen, die für die ersten Semester zielgerichteter sind. Die anderen erhalten hier eine prima Quelle für die Anfänger-, die Fortgeschrittenenhausarbeit und das Examen im Strafrecht an die Hand, die einem das ganze Studium begleiten kann.

Ein kleiner Kritikpunkt bleibt noch zu erwähnen: Die internen Verweise im Werk sind manchmal nicht mehr aktuell, so dass man ein paar Randnummern davor oder danach suchen muss, indem sich dann die gewünschte Information findet. Wegen des Umfangs des Kommentars und der (weitgehenden) Folgelosigkeit jener Fehler, ist das aber verzeihlich.

Fazit: Mit dem Kindhäuser erhält man ein profundes Nachschlagewerk, das sich vorwiegend an fortgeschrittene Studenten, Examenskandidaten und Praktiker wendet. Aber auch Anfänger können von dem Werk insbesondere bei Hausarbeiten profitieren. Wer sich den Examensstoff lieber schnell erarbeiten möchte, greift aber besser zu anderen Werken. Für eine punktuelle Vertiefung lohnt sich aber in jedem Fall einmal ein Blick hinein.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Jetzt erst recht: Deutschland braucht moderne Atomkraftwerke

Ein schwarzer Tag für Deutschland: An diesem Tag werden die letzten Kernreaktoren der 2. Generation abgeschaltet. Es ist ein viel beachteter Moment, der gemischte Reaktionen hervorruft. Während die Anti-AKW-Bewegung seit den 70er-Jahren auf diesen Tag hingearbeitet hat und jubelt , betonen andere, zu denen ich gehöre , die 300 Mrd. kWh CO2-armen und günstigen Strom, die sie im Laufe ihrer vielen Jahrzehnte in Deutschland produziert haben und hielten es für vernünftiger, wären wir heute aus der Kohlekraft ausgestiegen und behielten die Kernenergie um mindestens zwei Dekaden weiter und nicht umgekehrt. Für sie bedeutet dieser Tag einen zivilisatorischen Rückschritt zu Lasten des Landes. Die Grundlast wird von nun an entweder durch importierten Strom aus dem Ausland, oder eben von Gas und Kohle bereit gestellt werden müssen, die deutlich mehr CO2 ausstoßen. Und aufgrund des Ukraine-Krieges war insbesondere der Bezug von Gas zuletzt ein teures Unterfangen, das die Bürger mit signifikanten

Linux Gaming Tweaks - A small guide to unlock more performance (2)

My personal journey to unlock more performance on Linux - Part 2: Tweaking the Linux Kernel Welcome back to the second part of my Linux Gaming Tweaks series. If you missed the first part, head over here to get a general overview and learn more about my hardware and Linux distribution choices. In this episode, I will cover the single most important item on my tuning list, tweaking the Linux Kernel. Hence I will talk today about the Xanmod Kernel, additional patches I carry around to unlock an even better gaming experience, tweaks to my Kernel configuration, my Kernel command line and the compiler flags which I use to compile my Kernel. Unlike Windows, the Linux Kernel itself contains almost all of your hardware drivers (with notable exceptions, e.g. Nvidia's GPU driver). Hardware drivers are fundamental to get your PC up and running, changes in this area are also very performance-sensitive, beware that some tweaks might have an effect to the stability and security or even power usa

Müll, der zum Himmel stinkt

Alle Jahre versuchen sie es wieder und es stinkt bereits zum Himmel! Pünktlich zum Februar wurden die städtischen Müllgebührenbescheide an die Bewohner zugestellt, und man fragt sich immer wieder, ob gezielt damit gerechnet wird, dass man brav und anständig sein liebes Geld auf das Konto der Stadt überweist. Es regt sich jedoch Widerstand. Nicht nur von der FDP. Mich würde es ebenfalls einmal sehr reizen die Rechtmäßigkeit der Freiburger Abfallwirtschaftssatzung im Lichte des Urteils des VGH Baden-Württemberg vom 11.10.2004 (AZ: 2 S 1998/02) überprüfen zu lassen. Es lohnt sich also doch ab und an die Verwaltungsrechtsvorlesung und die dazugehörige Arbeitsgemeinschaft zu besuchen. Ein Landkreis ist mit seiner gängigen Praxis vor 2,5 Jahren vor Gericht nämlich schon gescheitert. Wenn es nach mir ginge würde Freiburg es ihm gleichtun. Das damalige Urteil stellt auf die Satzungsregelung des Landkreises Göppingen ab. Darin war geregelt, dass ein Haushalt eine bestimmte Grundgebü